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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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höchste Lob, welches wir seinem politischen Urtheil zu ertheilen wissen. Denn
wer aus der Ferne auf das unfertige Treiben dieses Staates sieht, der muß
viel Unbefangenheit, einen scharfen Blick und ein festes Herz besitzen, um kei¬
nen Augenblick an der Bedeutung des Staatsbaues irre zu werden. Das Feuer,
womit der Verfasser den Anschluß der deutschen Stämme an den Preußischen Staat
versieht und die Wärme seiner Ueberzeugung, daß das Heil unserer Zukunft
trotz allem und allem auf Preußen beruhe, soll manchem Preußen die Scham-
röthe in die Wange treiben, der in seiner Heimath verlernt hat stolz zu sein,
oder der gar im Auslande sich zum Diener einer fremden Politik erniedrigt.
Aber es scheint manchmal, als ob außerhalb der Grenzen dieses Staates in sei¬
nen Anhängern mehr froher Stolz und sichere Ueberzeugung von seiner unver¬
wüstlichen Tüchtigkeit zu finden wäre als unter den Stimmführern in Preußen
selbst, von denen die lautesten kleinliche Engherzigkeit mit blödem Junkertrvtz
geltend machen, viele Bessere im aufreibenden Kampfe gegen widerwärtige Er¬
scheinungen des Tages dem Kleinnuith verfallen. Für uns hat des Verfassers
begeisterte Theilnahme an dem Staat Friedrich des Großen einen Werth, der
sehr hoch anzuschlagen ist. Und daß er grade jetzt, wo mancher alte Freund
irre wurde und sich unsicher nach einer neuen Stütze umsieht, mit rücksichtsloser
Entschlossenheit seine Ueberzeugungen ausspricht, das ist eine wackere Ritterlich¬
keit, für welche unsere Partei besonders dankbar sein muß.

Das vorliegende Werk umfaßt zehn Abhandlungen, unter denen mehre
früher vorgetragen oder gedruckt wurden, alle sind so gründlich umgeschaffen,
daß sie den Werth einer neuen Arbeit erhalten. Grade die wichtigsten sind
ganz neu, Wie verschieden auch ihr Inhalt sei, es ist in ihnen ein innerer
Zusammenhang, sie enthalten nicht nur das historische und politische Glaubens¬
bekenntniß des Verfassers, auch eine Darstellung und Beurtheilung der wichtigsten
historischen Ereignisse und politischen Ideen unserer letzten Vergangenheit und Gegen¬
wart. Jede von' ihnen bildet ein geschlossenes Ganze, mehre sind schöne
Musterstücke der Gattung von Aufsätzen, durch welche Macaulay seinen Ruhm
begründete, die in England noch heut mit weit größerer Achtung betrachtet
werden, als der Deutsche dieser Art zuzuwenden gewöhnt ist. Sie gestatten in
Farbe und Stimmung die größte Mannigfaltigkeit, gute Laune, Ironie, poe¬
tische Erhebung, edles Pathos; sie wollen selten ihren Gegenstand erschöpfend
behandeln, aber den Kern desselben in großen Zügen treffend und eindringlich
darstellen, sie wünschen zu belehren, indem sie unterhalten, sie fordern deshalb nicht
gewöhnliche Kunst der Schilderung, zweckvolle logische Anordnung, ein feines
Gruppiren des Stoffes, vor allem einen Geist, der frei wie spielend das
Material bewältigt und der in den Gegenständen sich selbst dem Leser werth


höchste Lob, welches wir seinem politischen Urtheil zu ertheilen wissen. Denn
wer aus der Ferne auf das unfertige Treiben dieses Staates sieht, der muß
viel Unbefangenheit, einen scharfen Blick und ein festes Herz besitzen, um kei¬
nen Augenblick an der Bedeutung des Staatsbaues irre zu werden. Das Feuer,
womit der Verfasser den Anschluß der deutschen Stämme an den Preußischen Staat
versieht und die Wärme seiner Ueberzeugung, daß das Heil unserer Zukunft
trotz allem und allem auf Preußen beruhe, soll manchem Preußen die Scham-
röthe in die Wange treiben, der in seiner Heimath verlernt hat stolz zu sein,
oder der gar im Auslande sich zum Diener einer fremden Politik erniedrigt.
Aber es scheint manchmal, als ob außerhalb der Grenzen dieses Staates in sei¬
nen Anhängern mehr froher Stolz und sichere Ueberzeugung von seiner unver¬
wüstlichen Tüchtigkeit zu finden wäre als unter den Stimmführern in Preußen
selbst, von denen die lautesten kleinliche Engherzigkeit mit blödem Junkertrvtz
geltend machen, viele Bessere im aufreibenden Kampfe gegen widerwärtige Er¬
scheinungen des Tages dem Kleinnuith verfallen. Für uns hat des Verfassers
begeisterte Theilnahme an dem Staat Friedrich des Großen einen Werth, der
sehr hoch anzuschlagen ist. Und daß er grade jetzt, wo mancher alte Freund
irre wurde und sich unsicher nach einer neuen Stütze umsieht, mit rücksichtsloser
Entschlossenheit seine Ueberzeugungen ausspricht, das ist eine wackere Ritterlich¬
keit, für welche unsere Partei besonders dankbar sein muß.

Das vorliegende Werk umfaßt zehn Abhandlungen, unter denen mehre
früher vorgetragen oder gedruckt wurden, alle sind so gründlich umgeschaffen,
daß sie den Werth einer neuen Arbeit erhalten. Grade die wichtigsten sind
ganz neu, Wie verschieden auch ihr Inhalt sei, es ist in ihnen ein innerer
Zusammenhang, sie enthalten nicht nur das historische und politische Glaubens¬
bekenntniß des Verfassers, auch eine Darstellung und Beurtheilung der wichtigsten
historischen Ereignisse und politischen Ideen unserer letzten Vergangenheit und Gegen¬
wart. Jede von' ihnen bildet ein geschlossenes Ganze, mehre sind schöne
Musterstücke der Gattung von Aufsätzen, durch welche Macaulay seinen Ruhm
begründete, die in England noch heut mit weit größerer Achtung betrachtet
werden, als der Deutsche dieser Art zuzuwenden gewöhnt ist. Sie gestatten in
Farbe und Stimmung die größte Mannigfaltigkeit, gute Laune, Ironie, poe¬
tische Erhebung, edles Pathos; sie wollen selten ihren Gegenstand erschöpfend
behandeln, aber den Kern desselben in großen Zügen treffend und eindringlich
darstellen, sie wünschen zu belehren, indem sie unterhalten, sie fordern deshalb nicht
gewöhnliche Kunst der Schilderung, zweckvolle logische Anordnung, ein feines
Gruppiren des Stoffes, vor allem einen Geist, der frei wie spielend das
Material bewältigt und der in den Gegenständen sich selbst dem Leser werth


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/9>, abgerufen am 23.07.2024.