Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

katholiken in unwiderruflicher Weise verfassungsmäßig gewährleistet werden.
Auf dem We.^e einer Convention mit Rom wird dies nicht geschehen ; es muß
geschehen, ehe Unterhandlungen mit Rom ihren Anfang nehmen, auf dem
Wege verfassungsmäßiger Gesetzgebung. Ja, noch mehr, die Selbständigkeit
der italienischen Kirche muß nicht nur gesetzmäßig festgestellt sein, sie muß ge¬
wissermaßen zu einem Bestandtheile des Nationalbewußtseins geworden sein, so
daß keine Macht der Erde im Stande wäre, sie zu verletzen. Dies Ziel ist
aber jedenfalls nicht schnell zu erreichen, denn noch fehlt viel daran, daß der
Romanismus in den Herzen der Bevölkerung überwunden wäre.

Man darf wohl annehmen, daß auch die weitblickenden unter den italieni¬
schen Staatsmännern, mögen sie noch so geläufig über jene Formeln sich er-
gehn, doch von klaren Vorstellungen über das künftige Verhältniß Italiens
zum Papstthum noch weit entfernt sind, und daß daher eine Ausgleichung der
scharf collidirenden Interessen, falls nicht der Knoten unerwartet und mit Ge¬
walt zerhauen wird, in nächster Zukunft nicht wird gefunden werden. Es ist aller¬
dings unbestreitbar, daß die römische Frage durch die Convention in Bewegung gesetzt
und ihrer Lösung um einen Schritt näher geführt ist: die Frage ist nämlich aus einer
französisch-italienischen bis zu einem gewissen Grade eine rein italienische geworden.
Aber die nächste Folge dieser Wendung kann und wird nur die sein, daß
man sich in Italien der Schwierigkeit einer "Versöhnung des Papstthums mit
Italien" jetzt, wo es sich darum handelt, die leicht ausgesprochene Formel vom
staatsmännischen Gesichtspunkte aus praktisch zu entwickeln, ihr einen bestimmten,
positiven Inhalt zu geben, allgemein bewußt werden wird. Und da man klar
sieht, daß die Ereignisse für Italien arbeiten, da man sich also mit einem
gewissen Rechte der Hoffnung hingeben kann, daß unerwartete Zwischenfälle einen
Theil der Schwierigkeiten ebnen werden, da man sich serner nicht verhehlen
kann, daß jeder directe Versuch, die Curie zu gewinnen, diese in die günstige
Lage versetzen würde, bei den Verhandlungen der umworbene Theil zu sein:
so wird man thun, was man schon oft gethan: man wird warten, geduldig
aber zäh, bis der Augenblick gekommen ist, wo der König von Italien nicht
in Folge eines drückenden Vertrags, sondern eines Actes des Nationalwillcns
seinen Einzug in Rom halten kann. Man wird also vorläufig resigniren, aber
gewiß nicht um das bis jetzt Gewonnene in Ruhe zu genießen. Man wird
das so glänzend begonnene Werk der inneren Erstarkung, der festen Vereinigung
und Verschmelzung der bisher gesammelten Glieder fortsetzen: und wer könnte
verkennen, daß diese Arbeit die nothwendigste für den jungen Staat ist? Und
zugleich ist es eine Arbeit, zu der bereits der Grund gelegt wurde, zu der die
Kräfte vorhanden sind, für die das Verständniß in den weitesten Kreisen ver¬
breitet ist. Wird man sich indessen damit begnügen, zunächst ausschließlich in
dieser einen Richtung das nationale Werk zu fördern? Wir bedauern, diese


Grenzboten I. 18KS. 10

katholiken in unwiderruflicher Weise verfassungsmäßig gewährleistet werden.
Auf dem We.^e einer Convention mit Rom wird dies nicht geschehen ; es muß
geschehen, ehe Unterhandlungen mit Rom ihren Anfang nehmen, auf dem
Wege verfassungsmäßiger Gesetzgebung. Ja, noch mehr, die Selbständigkeit
der italienischen Kirche muß nicht nur gesetzmäßig festgestellt sein, sie muß ge¬
wissermaßen zu einem Bestandtheile des Nationalbewußtseins geworden sein, so
daß keine Macht der Erde im Stande wäre, sie zu verletzen. Dies Ziel ist
aber jedenfalls nicht schnell zu erreichen, denn noch fehlt viel daran, daß der
Romanismus in den Herzen der Bevölkerung überwunden wäre.

Man darf wohl annehmen, daß auch die weitblickenden unter den italieni¬
schen Staatsmännern, mögen sie noch so geläufig über jene Formeln sich er-
gehn, doch von klaren Vorstellungen über das künftige Verhältniß Italiens
zum Papstthum noch weit entfernt sind, und daß daher eine Ausgleichung der
scharf collidirenden Interessen, falls nicht der Knoten unerwartet und mit Ge¬
walt zerhauen wird, in nächster Zukunft nicht wird gefunden werden. Es ist aller¬
dings unbestreitbar, daß die römische Frage durch die Convention in Bewegung gesetzt
und ihrer Lösung um einen Schritt näher geführt ist: die Frage ist nämlich aus einer
französisch-italienischen bis zu einem gewissen Grade eine rein italienische geworden.
Aber die nächste Folge dieser Wendung kann und wird nur die sein, daß
man sich in Italien der Schwierigkeit einer „Versöhnung des Papstthums mit
Italien" jetzt, wo es sich darum handelt, die leicht ausgesprochene Formel vom
staatsmännischen Gesichtspunkte aus praktisch zu entwickeln, ihr einen bestimmten,
positiven Inhalt zu geben, allgemein bewußt werden wird. Und da man klar
sieht, daß die Ereignisse für Italien arbeiten, da man sich also mit einem
gewissen Rechte der Hoffnung hingeben kann, daß unerwartete Zwischenfälle einen
Theil der Schwierigkeiten ebnen werden, da man sich serner nicht verhehlen
kann, daß jeder directe Versuch, die Curie zu gewinnen, diese in die günstige
Lage versetzen würde, bei den Verhandlungen der umworbene Theil zu sein:
so wird man thun, was man schon oft gethan: man wird warten, geduldig
aber zäh, bis der Augenblick gekommen ist, wo der König von Italien nicht
in Folge eines drückenden Vertrags, sondern eines Actes des Nationalwillcns
seinen Einzug in Rom halten kann. Man wird also vorläufig resigniren, aber
gewiß nicht um das bis jetzt Gewonnene in Ruhe zu genießen. Man wird
das so glänzend begonnene Werk der inneren Erstarkung, der festen Vereinigung
und Verschmelzung der bisher gesammelten Glieder fortsetzen: und wer könnte
verkennen, daß diese Arbeit die nothwendigste für den jungen Staat ist? Und
zugleich ist es eine Arbeit, zu der bereits der Grund gelegt wurde, zu der die
Kräfte vorhanden sind, für die das Verständniß in den weitesten Kreisen ver¬
breitet ist. Wird man sich indessen damit begnügen, zunächst ausschließlich in
dieser einen Richtung das nationale Werk zu fördern? Wir bedauern, diese


Grenzboten I. 18KS. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0081" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282322"/>
          <p xml:id="ID_196" prev="#ID_195"> katholiken in unwiderruflicher Weise verfassungsmäßig gewährleistet werden.<lb/>
Auf dem We.^e einer Convention mit Rom wird dies nicht geschehen ; es muß<lb/>
geschehen, ehe Unterhandlungen mit Rom ihren Anfang nehmen, auf dem<lb/>
Wege verfassungsmäßiger Gesetzgebung. Ja, noch mehr, die Selbständigkeit<lb/>
der italienischen Kirche muß nicht nur gesetzmäßig festgestellt sein, sie muß ge¬<lb/>
wissermaßen zu einem Bestandtheile des Nationalbewußtseins geworden sein, so<lb/>
daß keine Macht der Erde im Stande wäre, sie zu verletzen. Dies Ziel ist<lb/>
aber jedenfalls nicht schnell zu erreichen, denn noch fehlt viel daran, daß der<lb/>
Romanismus in den Herzen der Bevölkerung überwunden wäre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_197" next="#ID_198"> Man darf wohl annehmen, daß auch die weitblickenden unter den italieni¬<lb/>
schen Staatsmännern, mögen sie noch so geläufig über jene Formeln sich er-<lb/>
gehn, doch von klaren Vorstellungen über das künftige Verhältniß Italiens<lb/>
zum Papstthum noch weit entfernt sind, und daß daher eine Ausgleichung der<lb/>
scharf collidirenden Interessen, falls nicht der Knoten unerwartet und mit Ge¬<lb/>
walt zerhauen wird, in nächster Zukunft nicht wird gefunden werden. Es ist aller¬<lb/>
dings unbestreitbar, daß die römische Frage durch die Convention in Bewegung gesetzt<lb/>
und ihrer Lösung um einen Schritt näher geführt ist: die Frage ist nämlich aus einer<lb/>
französisch-italienischen bis zu einem gewissen Grade eine rein italienische geworden.<lb/>
Aber die nächste Folge dieser Wendung kann und wird nur die sein, daß<lb/>
man sich in Italien der Schwierigkeit einer &#x201E;Versöhnung des Papstthums mit<lb/>
Italien" jetzt, wo es sich darum handelt, die leicht ausgesprochene Formel vom<lb/>
staatsmännischen Gesichtspunkte aus praktisch zu entwickeln, ihr einen bestimmten,<lb/>
positiven Inhalt zu geben, allgemein bewußt werden wird. Und da man klar<lb/>
sieht, daß die Ereignisse für Italien arbeiten, da man sich also mit einem<lb/>
gewissen Rechte der Hoffnung hingeben kann, daß unerwartete Zwischenfälle einen<lb/>
Theil der Schwierigkeiten ebnen werden, da man sich serner nicht verhehlen<lb/>
kann, daß jeder directe Versuch, die Curie zu gewinnen, diese in die günstige<lb/>
Lage versetzen würde, bei den Verhandlungen der umworbene Theil zu sein:<lb/>
so wird man thun, was man schon oft gethan: man wird warten, geduldig<lb/>
aber zäh, bis der Augenblick gekommen ist, wo der König von Italien nicht<lb/>
in Folge eines drückenden Vertrags, sondern eines Actes des Nationalwillcns<lb/>
seinen Einzug in Rom halten kann. Man wird also vorläufig resigniren, aber<lb/>
gewiß nicht um das bis jetzt Gewonnene in Ruhe zu genießen.  Man wird<lb/>
das so glänzend begonnene Werk der inneren Erstarkung, der festen Vereinigung<lb/>
und Verschmelzung der bisher gesammelten Glieder fortsetzen: und wer könnte<lb/>
verkennen, daß diese Arbeit die nothwendigste für den jungen Staat ist? Und<lb/>
zugleich ist es eine Arbeit, zu der bereits der Grund gelegt wurde, zu der die<lb/>
Kräfte vorhanden sind, für die das Verständniß in den weitesten Kreisen ver¬<lb/>
breitet ist. Wird man sich indessen damit begnügen, zunächst ausschließlich in<lb/>
dieser einen Richtung das nationale Werk zu fördern? Wir bedauern, diese</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 18KS. 10</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0081] katholiken in unwiderruflicher Weise verfassungsmäßig gewährleistet werden. Auf dem We.^e einer Convention mit Rom wird dies nicht geschehen ; es muß geschehen, ehe Unterhandlungen mit Rom ihren Anfang nehmen, auf dem Wege verfassungsmäßiger Gesetzgebung. Ja, noch mehr, die Selbständigkeit der italienischen Kirche muß nicht nur gesetzmäßig festgestellt sein, sie muß ge¬ wissermaßen zu einem Bestandtheile des Nationalbewußtseins geworden sein, so daß keine Macht der Erde im Stande wäre, sie zu verletzen. Dies Ziel ist aber jedenfalls nicht schnell zu erreichen, denn noch fehlt viel daran, daß der Romanismus in den Herzen der Bevölkerung überwunden wäre. Man darf wohl annehmen, daß auch die weitblickenden unter den italieni¬ schen Staatsmännern, mögen sie noch so geläufig über jene Formeln sich er- gehn, doch von klaren Vorstellungen über das künftige Verhältniß Italiens zum Papstthum noch weit entfernt sind, und daß daher eine Ausgleichung der scharf collidirenden Interessen, falls nicht der Knoten unerwartet und mit Ge¬ walt zerhauen wird, in nächster Zukunft nicht wird gefunden werden. Es ist aller¬ dings unbestreitbar, daß die römische Frage durch die Convention in Bewegung gesetzt und ihrer Lösung um einen Schritt näher geführt ist: die Frage ist nämlich aus einer französisch-italienischen bis zu einem gewissen Grade eine rein italienische geworden. Aber die nächste Folge dieser Wendung kann und wird nur die sein, daß man sich in Italien der Schwierigkeit einer „Versöhnung des Papstthums mit Italien" jetzt, wo es sich darum handelt, die leicht ausgesprochene Formel vom staatsmännischen Gesichtspunkte aus praktisch zu entwickeln, ihr einen bestimmten, positiven Inhalt zu geben, allgemein bewußt werden wird. Und da man klar sieht, daß die Ereignisse für Italien arbeiten, da man sich also mit einem gewissen Rechte der Hoffnung hingeben kann, daß unerwartete Zwischenfälle einen Theil der Schwierigkeiten ebnen werden, da man sich serner nicht verhehlen kann, daß jeder directe Versuch, die Curie zu gewinnen, diese in die günstige Lage versetzen würde, bei den Verhandlungen der umworbene Theil zu sein: so wird man thun, was man schon oft gethan: man wird warten, geduldig aber zäh, bis der Augenblick gekommen ist, wo der König von Italien nicht in Folge eines drückenden Vertrags, sondern eines Actes des Nationalwillcns seinen Einzug in Rom halten kann. Man wird also vorläufig resigniren, aber gewiß nicht um das bis jetzt Gewonnene in Ruhe zu genießen. Man wird das so glänzend begonnene Werk der inneren Erstarkung, der festen Vereinigung und Verschmelzung der bisher gesammelten Glieder fortsetzen: und wer könnte verkennen, daß diese Arbeit die nothwendigste für den jungen Staat ist? Und zugleich ist es eine Arbeit, zu der bereits der Grund gelegt wurde, zu der die Kräfte vorhanden sind, für die das Verständniß in den weitesten Kreisen ver¬ breitet ist. Wird man sich indessen damit begnügen, zunächst ausschließlich in dieser einen Richtung das nationale Werk zu fördern? Wir bedauern, diese Grenzboten I. 18KS. 10

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/81
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/81>, abgerufen am 23.07.2024.