Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

absondert. Landsmannschaftliche Verbindungen sind schon aus dem Grunde
nicht wohl möglich, weil es an dem Material zu einer Mehrheit von Lands¬
mannschaften wegen der exclusiver Anwesenheit von Mecklenburg-Schwerinern
fehlt. Eine Burschenschaft bestand zwar im Jahre 1817. Sie ward damals
auch zum Wartburgfest eingeladen, lehnte aber die Betheiligung durch eine De¬
putation wegen des Kostenpunktes ab, indem die Anschaffung eines neuen
Paukapparates soeben alle ihre Mittel in Anspruch genommen hätte. Vom
Jahre 1819 an standen aber wiederholte Verbote und die bei der Immatriku¬
lation abgeforderten schriftlichen Versprechungen der Entwickelung des Verbin¬
dungswesens entgegen; und wenn auch seit dem Jahre 1849 dieser äußere
Druck verschwunden ist, so fehlt es statt dessen jetzt an dem innern Trieb zur
Association. Als organisirte Einheit tritt die Studentenschaft nur bei gegebenen
Veranlassungen hervor: bei öffentlichen Aufzügen, bei einem Balle, den die
Studenten jährlich einmal zu veranstalten Pflegen und dergleichen. Es werden
dann vorher Versammlungen gehalten, in welchen die Organisation für den
vorliegenden Zweck erfolgt. Die Commerce, welche sich an die öffentlichen
Aufzüge anschließen, bieten meistens Veranlassung zu sehr unerfreulichen Rei¬
bungen, welche die gesellige Zerfahrenheit des Ganzen aufdecken. Gewöhnlich
sind es in solchen Fällen frühere Corpsstudenten, welche ihr Ansehn und Ueber¬
gewicht in verletzender Weist zur Geltung zu bringen suchen und dadurch Strei¬
tigkeiten hervorrufen. Auf dem Commerce im letzten Sommer, welchen auch
der Großherzog durch seine Gegenwart beehrte, sollen gegen den Schluß die
Geister sich dergestalt erhitzt haben, daß gegen dreißig Duelle contrahirt worden
sind. Bei diesen, übrigens seltenen Zusammenkünften finden auch manchmal
einzelne Professoren sich ein. Man erlebte es sogar auf dem erwähnten Com¬
merce. daß der Consistorialrath Krabbe, welcher als Rector der Universität
der an ihn ergangenen Einladung folgend erschienen war, sich hier zu dem
Ungewohnten entschloß und auf das Wohlsein der rostocker Studenten einen
feierlichen Salamander rieb.

Aehnlich wie mit dem geselligen Leben der Studenten steht es auch mit
dem der Professoren, auch diese zerfallen in kleinere Kreise und entbehren eines
gemeinsamen geselligen Mittel- und Vereinigungspunktcs. Ein mit der Univer¬
sitätsbibliothek in Verbindung stehendes Lesezimmer ist nur für gewisse Tages¬
stunden geöffnet und kann nicht entfernt mit den großartigen Anstalten in
Vergleich gestellt werden, durch welche in anderen Universitätsstädten für das
Lese- und zugleich für das Geselligkeitsbedürfniß gesorgt ist. Diese Mängel
tragen dazu bei. daß die Universität von der Gesammtheit der übrigen,
etwa 26,000 Seelen betragenden Bevölkerung wenig beachtet wird und neben
den im Vordergrunde stehenden Handels- und Verkehrsinteressen der alten Han¬
sestadt fast verschwindet. Bürger und Professoren, wie sie unter verschiedener


absondert. Landsmannschaftliche Verbindungen sind schon aus dem Grunde
nicht wohl möglich, weil es an dem Material zu einer Mehrheit von Lands¬
mannschaften wegen der exclusiver Anwesenheit von Mecklenburg-Schwerinern
fehlt. Eine Burschenschaft bestand zwar im Jahre 1817. Sie ward damals
auch zum Wartburgfest eingeladen, lehnte aber die Betheiligung durch eine De¬
putation wegen des Kostenpunktes ab, indem die Anschaffung eines neuen
Paukapparates soeben alle ihre Mittel in Anspruch genommen hätte. Vom
Jahre 1819 an standen aber wiederholte Verbote und die bei der Immatriku¬
lation abgeforderten schriftlichen Versprechungen der Entwickelung des Verbin¬
dungswesens entgegen; und wenn auch seit dem Jahre 1849 dieser äußere
Druck verschwunden ist, so fehlt es statt dessen jetzt an dem innern Trieb zur
Association. Als organisirte Einheit tritt die Studentenschaft nur bei gegebenen
Veranlassungen hervor: bei öffentlichen Aufzügen, bei einem Balle, den die
Studenten jährlich einmal zu veranstalten Pflegen und dergleichen. Es werden
dann vorher Versammlungen gehalten, in welchen die Organisation für den
vorliegenden Zweck erfolgt. Die Commerce, welche sich an die öffentlichen
Aufzüge anschließen, bieten meistens Veranlassung zu sehr unerfreulichen Rei¬
bungen, welche die gesellige Zerfahrenheit des Ganzen aufdecken. Gewöhnlich
sind es in solchen Fällen frühere Corpsstudenten, welche ihr Ansehn und Ueber¬
gewicht in verletzender Weist zur Geltung zu bringen suchen und dadurch Strei¬
tigkeiten hervorrufen. Auf dem Commerce im letzten Sommer, welchen auch
der Großherzog durch seine Gegenwart beehrte, sollen gegen den Schluß die
Geister sich dergestalt erhitzt haben, daß gegen dreißig Duelle contrahirt worden
sind. Bei diesen, übrigens seltenen Zusammenkünften finden auch manchmal
einzelne Professoren sich ein. Man erlebte es sogar auf dem erwähnten Com¬
merce. daß der Consistorialrath Krabbe, welcher als Rector der Universität
der an ihn ergangenen Einladung folgend erschienen war, sich hier zu dem
Ungewohnten entschloß und auf das Wohlsein der rostocker Studenten einen
feierlichen Salamander rieb.

Aehnlich wie mit dem geselligen Leben der Studenten steht es auch mit
dem der Professoren, auch diese zerfallen in kleinere Kreise und entbehren eines
gemeinsamen geselligen Mittel- und Vereinigungspunktcs. Ein mit der Univer¬
sitätsbibliothek in Verbindung stehendes Lesezimmer ist nur für gewisse Tages¬
stunden geöffnet und kann nicht entfernt mit den großartigen Anstalten in
Vergleich gestellt werden, durch welche in anderen Universitätsstädten für das
Lese- und zugleich für das Geselligkeitsbedürfniß gesorgt ist. Diese Mängel
tragen dazu bei. daß die Universität von der Gesammtheit der übrigen,
etwa 26,000 Seelen betragenden Bevölkerung wenig beachtet wird und neben
den im Vordergrunde stehenden Handels- und Verkehrsinteressen der alten Han¬
sestadt fast verschwindet. Bürger und Professoren, wie sie unter verschiedener


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0540" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282781"/>
          <p xml:id="ID_1475" prev="#ID_1474"> absondert. Landsmannschaftliche Verbindungen sind schon aus dem Grunde<lb/>
nicht wohl möglich, weil es an dem Material zu einer Mehrheit von Lands¬<lb/>
mannschaften wegen der exclusiver Anwesenheit von Mecklenburg-Schwerinern<lb/>
fehlt. Eine Burschenschaft bestand zwar im Jahre 1817. Sie ward damals<lb/>
auch zum Wartburgfest eingeladen, lehnte aber die Betheiligung durch eine De¬<lb/>
putation wegen des Kostenpunktes ab, indem die Anschaffung eines neuen<lb/>
Paukapparates soeben alle ihre Mittel in Anspruch genommen hätte. Vom<lb/>
Jahre 1819 an standen aber wiederholte Verbote und die bei der Immatriku¬<lb/>
lation abgeforderten schriftlichen Versprechungen der Entwickelung des Verbin¬<lb/>
dungswesens entgegen; und wenn auch seit dem Jahre 1849 dieser äußere<lb/>
Druck verschwunden ist, so fehlt es statt dessen jetzt an dem innern Trieb zur<lb/>
Association. Als organisirte Einheit tritt die Studentenschaft nur bei gegebenen<lb/>
Veranlassungen hervor: bei öffentlichen Aufzügen, bei einem Balle, den die<lb/>
Studenten jährlich einmal zu veranstalten Pflegen und dergleichen. Es werden<lb/>
dann vorher Versammlungen gehalten, in welchen die Organisation für den<lb/>
vorliegenden Zweck erfolgt. Die Commerce, welche sich an die öffentlichen<lb/>
Aufzüge anschließen, bieten meistens Veranlassung zu sehr unerfreulichen Rei¬<lb/>
bungen, welche die gesellige Zerfahrenheit des Ganzen aufdecken. Gewöhnlich<lb/>
sind es in solchen Fällen frühere Corpsstudenten, welche ihr Ansehn und Ueber¬<lb/>
gewicht in verletzender Weist zur Geltung zu bringen suchen und dadurch Strei¬<lb/>
tigkeiten hervorrufen. Auf dem Commerce im letzten Sommer, welchen auch<lb/>
der Großherzog durch seine Gegenwart beehrte, sollen gegen den Schluß die<lb/>
Geister sich dergestalt erhitzt haben, daß gegen dreißig Duelle contrahirt worden<lb/>
sind. Bei diesen, übrigens seltenen Zusammenkünften finden auch manchmal<lb/>
einzelne Professoren sich ein. Man erlebte es sogar auf dem erwähnten Com¬<lb/>
merce. daß der Consistorialrath Krabbe, welcher als Rector der Universität<lb/>
der an ihn ergangenen Einladung folgend erschienen war, sich hier zu dem<lb/>
Ungewohnten entschloß und auf das Wohlsein der rostocker Studenten einen<lb/>
feierlichen Salamander rieb.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1476" next="#ID_1477"> Aehnlich wie mit dem geselligen Leben der Studenten steht es auch mit<lb/>
dem der Professoren, auch diese zerfallen in kleinere Kreise und entbehren eines<lb/>
gemeinsamen geselligen Mittel- und Vereinigungspunktcs. Ein mit der Univer¬<lb/>
sitätsbibliothek in Verbindung stehendes Lesezimmer ist nur für gewisse Tages¬<lb/>
stunden geöffnet und kann nicht entfernt mit den großartigen Anstalten in<lb/>
Vergleich gestellt werden, durch welche in anderen Universitätsstädten für das<lb/>
Lese- und zugleich für das Geselligkeitsbedürfniß gesorgt ist. Diese Mängel<lb/>
tragen dazu bei. daß die Universität von der Gesammtheit der übrigen,<lb/>
etwa 26,000 Seelen betragenden Bevölkerung wenig beachtet wird und neben<lb/>
den im Vordergrunde stehenden Handels- und Verkehrsinteressen der alten Han¬<lb/>
sestadt fast verschwindet.  Bürger und Professoren, wie sie unter verschiedener</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0540] absondert. Landsmannschaftliche Verbindungen sind schon aus dem Grunde nicht wohl möglich, weil es an dem Material zu einer Mehrheit von Lands¬ mannschaften wegen der exclusiver Anwesenheit von Mecklenburg-Schwerinern fehlt. Eine Burschenschaft bestand zwar im Jahre 1817. Sie ward damals auch zum Wartburgfest eingeladen, lehnte aber die Betheiligung durch eine De¬ putation wegen des Kostenpunktes ab, indem die Anschaffung eines neuen Paukapparates soeben alle ihre Mittel in Anspruch genommen hätte. Vom Jahre 1819 an standen aber wiederholte Verbote und die bei der Immatriku¬ lation abgeforderten schriftlichen Versprechungen der Entwickelung des Verbin¬ dungswesens entgegen; und wenn auch seit dem Jahre 1849 dieser äußere Druck verschwunden ist, so fehlt es statt dessen jetzt an dem innern Trieb zur Association. Als organisirte Einheit tritt die Studentenschaft nur bei gegebenen Veranlassungen hervor: bei öffentlichen Aufzügen, bei einem Balle, den die Studenten jährlich einmal zu veranstalten Pflegen und dergleichen. Es werden dann vorher Versammlungen gehalten, in welchen die Organisation für den vorliegenden Zweck erfolgt. Die Commerce, welche sich an die öffentlichen Aufzüge anschließen, bieten meistens Veranlassung zu sehr unerfreulichen Rei¬ bungen, welche die gesellige Zerfahrenheit des Ganzen aufdecken. Gewöhnlich sind es in solchen Fällen frühere Corpsstudenten, welche ihr Ansehn und Ueber¬ gewicht in verletzender Weist zur Geltung zu bringen suchen und dadurch Strei¬ tigkeiten hervorrufen. Auf dem Commerce im letzten Sommer, welchen auch der Großherzog durch seine Gegenwart beehrte, sollen gegen den Schluß die Geister sich dergestalt erhitzt haben, daß gegen dreißig Duelle contrahirt worden sind. Bei diesen, übrigens seltenen Zusammenkünften finden auch manchmal einzelne Professoren sich ein. Man erlebte es sogar auf dem erwähnten Com¬ merce. daß der Consistorialrath Krabbe, welcher als Rector der Universität der an ihn ergangenen Einladung folgend erschienen war, sich hier zu dem Ungewohnten entschloß und auf das Wohlsein der rostocker Studenten einen feierlichen Salamander rieb. Aehnlich wie mit dem geselligen Leben der Studenten steht es auch mit dem der Professoren, auch diese zerfallen in kleinere Kreise und entbehren eines gemeinsamen geselligen Mittel- und Vereinigungspunktcs. Ein mit der Univer¬ sitätsbibliothek in Verbindung stehendes Lesezimmer ist nur für gewisse Tages¬ stunden geöffnet und kann nicht entfernt mit den großartigen Anstalten in Vergleich gestellt werden, durch welche in anderen Universitätsstädten für das Lese- und zugleich für das Geselligkeitsbedürfniß gesorgt ist. Diese Mängel tragen dazu bei. daß die Universität von der Gesammtheit der übrigen, etwa 26,000 Seelen betragenden Bevölkerung wenig beachtet wird und neben den im Vordergrunde stehenden Handels- und Verkehrsinteressen der alten Han¬ sestadt fast verschwindet. Bürger und Professoren, wie sie unter verschiedener

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/540
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/540>, abgerufen am 23.07.2024.