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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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rostocker Stadtguts war. Seine Thätigkeit ist von den Studenten selten in
Anspruch genommen worden. Er ist Erfinder einer neuen Construction des
sogenannten Wesebaums, eines in Mecklenburg üblichen Werkzeuges zur Be-
festigung von Getreidegarben und Heu auf Erntewagen. Auf einer größeren
landwirthschaftlichen Versammlung soll er einmal das Wort erbeten haben,
um zu erklären, daß er über den verhandelten Gegenstand bis dahin keine Er¬
fahrungen gemacht habe. Er gehört zur frommen Partei, ist auch Mitglied des
Hauptvereins für innere Mission, lebt aber mit seinen Collegen, auch denjenigen,
welche seine religiösen Parteigenossen sind, auf gespanntem Fuße, wie man sagt,
wegen einer bei der Neuwahl des Inspektors der Stipendien im Jahre 1843
ihm widerfahrenen Zurücksetzung.

Carl Barisch, zu Michaelis 18S8 als Professor der deutschen und neueren
Literatur berufen, ist für dieses Fach eine gute Requisition, findet nach
Lage der Verhältnisse, ungeachtet des seiner Leitung überwiesenen deutsch-philo¬
logischen Seminars wenig Gelegenheit, den Studenten nützlich zu sein, ist aber
desto thätiger auf literarischem Gebiet.

Der Professor der Geschichte, Georg Voigt, ein Sohn des königsberger
Historikers, ist als Nachfolger Paulis (18S7--1869) seit Ostern 1860 in Thä¬
tigkeit. Er hat sich durch eine Reihe ehrenwerther Arbeiten bereits bekannt gemacht.

Professor der Staatswissenschaften ist Hera. Rösler. als Nachfolger
nasses (18S7--1860) im Jahre 1861 von Erlangen berufen. Sein Name hat
auf dem Felde der Volkswirthschaft einen guten, auch literarisch bewährten
Klang. Er schrieb "zur Kritik der Lehre vom Arbeitslöhne" (1861); "über
den Einfluß der Lebensmittelpreise aus die Lolksmoral" (1862); und "Grund¬
sätze der Volkswirthschaftslehre" (1864). In dem letzteren Werke läßt die Ab¬
wägung von Gründen und Gegengründen es vielfach zu einem sicheren Ergeb¬
niß und einer principiellen Entscheidung nicht kommen und der Verfasser hat
sich von einzelnen traditionellen Vorurtheilen und Bedenken der Gegner der
freien Concurrenz, des freien Zinsfußes u. s. w. noch nicht ganz losgesagt.
Mit den mecklenburgischen wirthschaftlichen Verhältnissen und Zuständen ist er
ungenügend bekannt, worüber sich niemand wundern wird, welcher weiß,
mit wie großen Schwierigkeiten selbst Landeseingeborene zu kämpfen haben, um
sich eine gründliche Kenntniß auf diesem Gebiet zu erwerben. Die Zurück¬
gezogenheit vom öffentlichen Leben und von gemeinsamer mündlicher Verhand¬
lung über volkswirtschaftliche Gegenstände theilt er mit der großen Mehrzahl
seiner akademischen Fachgenossen. Auf den volkswirtschaftlichen Congressen
erscheinen diese Herren nur als seltene Ausnahmen. Die Facultät begrüßte
Rösler, der bereits Dr. ^uris war, bei seiner Ankunft mit dem Ehrendiplom
eines Doctors der Philosophie.

Zur Facultät im weiteren Sinne gehören noch ein außerordentlicher Pro-


rostocker Stadtguts war. Seine Thätigkeit ist von den Studenten selten in
Anspruch genommen worden. Er ist Erfinder einer neuen Construction des
sogenannten Wesebaums, eines in Mecklenburg üblichen Werkzeuges zur Be-
festigung von Getreidegarben und Heu auf Erntewagen. Auf einer größeren
landwirthschaftlichen Versammlung soll er einmal das Wort erbeten haben,
um zu erklären, daß er über den verhandelten Gegenstand bis dahin keine Er¬
fahrungen gemacht habe. Er gehört zur frommen Partei, ist auch Mitglied des
Hauptvereins für innere Mission, lebt aber mit seinen Collegen, auch denjenigen,
welche seine religiösen Parteigenossen sind, auf gespanntem Fuße, wie man sagt,
wegen einer bei der Neuwahl des Inspektors der Stipendien im Jahre 1843
ihm widerfahrenen Zurücksetzung.

Carl Barisch, zu Michaelis 18S8 als Professor der deutschen und neueren
Literatur berufen, ist für dieses Fach eine gute Requisition, findet nach
Lage der Verhältnisse, ungeachtet des seiner Leitung überwiesenen deutsch-philo¬
logischen Seminars wenig Gelegenheit, den Studenten nützlich zu sein, ist aber
desto thätiger auf literarischem Gebiet.

Der Professor der Geschichte, Georg Voigt, ein Sohn des königsberger
Historikers, ist als Nachfolger Paulis (18S7—1869) seit Ostern 1860 in Thä¬
tigkeit. Er hat sich durch eine Reihe ehrenwerther Arbeiten bereits bekannt gemacht.

Professor der Staatswissenschaften ist Hera. Rösler. als Nachfolger
nasses (18S7—1860) im Jahre 1861 von Erlangen berufen. Sein Name hat
auf dem Felde der Volkswirthschaft einen guten, auch literarisch bewährten
Klang. Er schrieb „zur Kritik der Lehre vom Arbeitslöhne" (1861); „über
den Einfluß der Lebensmittelpreise aus die Lolksmoral" (1862); und „Grund¬
sätze der Volkswirthschaftslehre" (1864). In dem letzteren Werke läßt die Ab¬
wägung von Gründen und Gegengründen es vielfach zu einem sicheren Ergeb¬
niß und einer principiellen Entscheidung nicht kommen und der Verfasser hat
sich von einzelnen traditionellen Vorurtheilen und Bedenken der Gegner der
freien Concurrenz, des freien Zinsfußes u. s. w. noch nicht ganz losgesagt.
Mit den mecklenburgischen wirthschaftlichen Verhältnissen und Zuständen ist er
ungenügend bekannt, worüber sich niemand wundern wird, welcher weiß,
mit wie großen Schwierigkeiten selbst Landeseingeborene zu kämpfen haben, um
sich eine gründliche Kenntniß auf diesem Gebiet zu erwerben. Die Zurück¬
gezogenheit vom öffentlichen Leben und von gemeinsamer mündlicher Verhand¬
lung über volkswirtschaftliche Gegenstände theilt er mit der großen Mehrzahl
seiner akademischen Fachgenossen. Auf den volkswirtschaftlichen Congressen
erscheinen diese Herren nur als seltene Ausnahmen. Die Facultät begrüßte
Rösler, der bereits Dr. ^uris war, bei seiner Ankunft mit dem Ehrendiplom
eines Doctors der Philosophie.

Zur Facultät im weiteren Sinne gehören noch ein außerordentlicher Pro-


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[0534] rostocker Stadtguts war. Seine Thätigkeit ist von den Studenten selten in Anspruch genommen worden. Er ist Erfinder einer neuen Construction des sogenannten Wesebaums, eines in Mecklenburg üblichen Werkzeuges zur Be- festigung von Getreidegarben und Heu auf Erntewagen. Auf einer größeren landwirthschaftlichen Versammlung soll er einmal das Wort erbeten haben, um zu erklären, daß er über den verhandelten Gegenstand bis dahin keine Er¬ fahrungen gemacht habe. Er gehört zur frommen Partei, ist auch Mitglied des Hauptvereins für innere Mission, lebt aber mit seinen Collegen, auch denjenigen, welche seine religiösen Parteigenossen sind, auf gespanntem Fuße, wie man sagt, wegen einer bei der Neuwahl des Inspektors der Stipendien im Jahre 1843 ihm widerfahrenen Zurücksetzung. Carl Barisch, zu Michaelis 18S8 als Professor der deutschen und neueren Literatur berufen, ist für dieses Fach eine gute Requisition, findet nach Lage der Verhältnisse, ungeachtet des seiner Leitung überwiesenen deutsch-philo¬ logischen Seminars wenig Gelegenheit, den Studenten nützlich zu sein, ist aber desto thätiger auf literarischem Gebiet. Der Professor der Geschichte, Georg Voigt, ein Sohn des königsberger Historikers, ist als Nachfolger Paulis (18S7—1869) seit Ostern 1860 in Thä¬ tigkeit. Er hat sich durch eine Reihe ehrenwerther Arbeiten bereits bekannt gemacht. Professor der Staatswissenschaften ist Hera. Rösler. als Nachfolger nasses (18S7—1860) im Jahre 1861 von Erlangen berufen. Sein Name hat auf dem Felde der Volkswirthschaft einen guten, auch literarisch bewährten Klang. Er schrieb „zur Kritik der Lehre vom Arbeitslöhne" (1861); „über den Einfluß der Lebensmittelpreise aus die Lolksmoral" (1862); und „Grund¬ sätze der Volkswirthschaftslehre" (1864). In dem letzteren Werke läßt die Ab¬ wägung von Gründen und Gegengründen es vielfach zu einem sicheren Ergeb¬ niß und einer principiellen Entscheidung nicht kommen und der Verfasser hat sich von einzelnen traditionellen Vorurtheilen und Bedenken der Gegner der freien Concurrenz, des freien Zinsfußes u. s. w. noch nicht ganz losgesagt. Mit den mecklenburgischen wirthschaftlichen Verhältnissen und Zuständen ist er ungenügend bekannt, worüber sich niemand wundern wird, welcher weiß, mit wie großen Schwierigkeiten selbst Landeseingeborene zu kämpfen haben, um sich eine gründliche Kenntniß auf diesem Gebiet zu erwerben. Die Zurück¬ gezogenheit vom öffentlichen Leben und von gemeinsamer mündlicher Verhand¬ lung über volkswirtschaftliche Gegenstände theilt er mit der großen Mehrzahl seiner akademischen Fachgenossen. Auf den volkswirtschaftlichen Congressen erscheinen diese Herren nur als seltene Ausnahmen. Die Facultät begrüßte Rösler, der bereits Dr. ^uris war, bei seiner Ankunft mit dem Ehrendiplom eines Doctors der Philosophie. Zur Facultät im weiteren Sinne gehören noch ein außerordentlicher Pro-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/534>, abgerufen am 23.07.2024.