Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Arbeit begaben, nebst den mitgebrachten Gehilfen und ihren Angehörigen.
Dann diejenigen im Bürger- und Bauernstande, die ein eigenes Anwesen oder
Geschäft hatten, so wie die einzigen Söhne, auch die, welche bereits einen Bru¬
der in der Armee hatten und schließlich die Seeleute. Hingegen wurden die¬
jenigen als Deserteure behandelt und im Betretungsfalle hart bestraft, die sich
heimlich in der Absicht außer Landes begeben hatten, sich dem Militärdienst zu
entziehen oder gar in die Reihen einer auswärtigen Macht einzutreten, selbst wenn
sie noch nicht enrollirt waren. Als unehrlich wurden nicht aufgenommen: die Scharf¬
richter, Schließvögte und Büttel mit ihren Knechten, ebenso die Cloakenreiniger.
Verheimlichte ein solcher sein ehrloses Gewerbe und ließ sich enrolliren, so
wurde er als infam behandelt und mit Staupbesen davon gejagt. Noch früher
waren auch die Schäfer, Stadtdiener und Wächter als Unehrbare ausgeschlos¬
sen. Erst 1722 wurde diese Verordnung, mit Ausnahme der Schließvögte,
aufgehoben, bis auch diese, aber erst nachdem sie ehrlich gemacht d. h. die
Fahne über ihnen geschwenkt worden war, angenommen wurden.

Zur erlaubten öffentlichen Werbung wurden gewöhnlich Offiziere unter
einem "Werbehauptmann" commandirt, die mit einer vom Regenten unter¬
zeichneten Legitimation versehen waren, in welcher auch die betreffenden Be¬
hörden angewiesen wurden, diesen in allem den möglichsten Vorschub zu leisten.
Diese Offiziere erhielten als Beihilfe noch einige Unteroffiziere, meist nette
und gewandte, zugleich aber handfeste Leute. Einem solchen Commando wurde
ein gewisser Bezirk angewiesen. Der Unteroffizier, der einen Angeworbenen
gegen Geld löslich, wurde auf drei Jahre in die Karre verurtheilt. --

Hier haben wir ungefähr die Grundzüge der geregelten Werbung ge¬
geben. Anders dagegen sah es bei der unerlaubten oder heimlichen aus.
Diese betrieben zum Theil Abenteurer auf eigene Faust und kein Mittel wurde
gescheut, zum Ziele zu gelangen. Namentlich in Kriegszeiten, wenn das Ka¬
nonenfutter rar wurde, ward überall auf Menschenfleisch Jagd gemacht.
Die Tummelplätze waren namentlich in den unzähligen Territorien der Reichs¬
unmittelbaren und der freien Städte, wo die Grenzen sich so nahe kamen, daß
man diese zuweilen mit wenigen Schritten erreichen konnte. In einem klei¬
nen Bezirke lagen oft mehre Werbeparteien, die sich ihre Beute gegenseitig
streitig machten, ja einander abjagten, wovei es nicht selten zu den blu¬
tigsten Händeln kam. Allerlei raffinirte Kniffe und Pfiffe, sowie Gewaltacte
galten dabei für erlaubt. Oft schlichen die Werber unter allerlei Gestalten
verkappt umher, ihr Opfer zu umgarnen und im rechten Moment fest zu
halten. Man machte Versprechungen, die nicht gehalten wurden, machte



*) Das Cloatcnreinigen war damals Sache des Henkers, der eigens dafür bezahlt wurde-

Arbeit begaben, nebst den mitgebrachten Gehilfen und ihren Angehörigen.
Dann diejenigen im Bürger- und Bauernstande, die ein eigenes Anwesen oder
Geschäft hatten, so wie die einzigen Söhne, auch die, welche bereits einen Bru¬
der in der Armee hatten und schließlich die Seeleute. Hingegen wurden die¬
jenigen als Deserteure behandelt und im Betretungsfalle hart bestraft, die sich
heimlich in der Absicht außer Landes begeben hatten, sich dem Militärdienst zu
entziehen oder gar in die Reihen einer auswärtigen Macht einzutreten, selbst wenn
sie noch nicht enrollirt waren. Als unehrlich wurden nicht aufgenommen: die Scharf¬
richter, Schließvögte und Büttel mit ihren Knechten, ebenso die Cloakenreiniger.
Verheimlichte ein solcher sein ehrloses Gewerbe und ließ sich enrolliren, so
wurde er als infam behandelt und mit Staupbesen davon gejagt. Noch früher
waren auch die Schäfer, Stadtdiener und Wächter als Unehrbare ausgeschlos¬
sen. Erst 1722 wurde diese Verordnung, mit Ausnahme der Schließvögte,
aufgehoben, bis auch diese, aber erst nachdem sie ehrlich gemacht d. h. die
Fahne über ihnen geschwenkt worden war, angenommen wurden.

Zur erlaubten öffentlichen Werbung wurden gewöhnlich Offiziere unter
einem „Werbehauptmann" commandirt, die mit einer vom Regenten unter¬
zeichneten Legitimation versehen waren, in welcher auch die betreffenden Be¬
hörden angewiesen wurden, diesen in allem den möglichsten Vorschub zu leisten.
Diese Offiziere erhielten als Beihilfe noch einige Unteroffiziere, meist nette
und gewandte, zugleich aber handfeste Leute. Einem solchen Commando wurde
ein gewisser Bezirk angewiesen. Der Unteroffizier, der einen Angeworbenen
gegen Geld löslich, wurde auf drei Jahre in die Karre verurtheilt. —

Hier haben wir ungefähr die Grundzüge der geregelten Werbung ge¬
geben. Anders dagegen sah es bei der unerlaubten oder heimlichen aus.
Diese betrieben zum Theil Abenteurer auf eigene Faust und kein Mittel wurde
gescheut, zum Ziele zu gelangen. Namentlich in Kriegszeiten, wenn das Ka¬
nonenfutter rar wurde, ward überall auf Menschenfleisch Jagd gemacht.
Die Tummelplätze waren namentlich in den unzähligen Territorien der Reichs¬
unmittelbaren und der freien Städte, wo die Grenzen sich so nahe kamen, daß
man diese zuweilen mit wenigen Schritten erreichen konnte. In einem klei¬
nen Bezirke lagen oft mehre Werbeparteien, die sich ihre Beute gegenseitig
streitig machten, ja einander abjagten, wovei es nicht selten zu den blu¬
tigsten Händeln kam. Allerlei raffinirte Kniffe und Pfiffe, sowie Gewaltacte
galten dabei für erlaubt. Oft schlichen die Werber unter allerlei Gestalten
verkappt umher, ihr Opfer zu umgarnen und im rechten Moment fest zu
halten. Man machte Versprechungen, die nicht gehalten wurden, machte



*) Das Cloatcnreinigen war damals Sache des Henkers, der eigens dafür bezahlt wurde-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282741"/>
            <p xml:id="ID_1354" prev="#ID_1353"> Arbeit begaben, nebst den mitgebrachten Gehilfen und ihren Angehörigen.<lb/>
Dann diejenigen im Bürger- und Bauernstande, die ein eigenes Anwesen oder<lb/>
Geschäft hatten, so wie die einzigen Söhne, auch die, welche bereits einen Bru¬<lb/>
der in der Armee hatten und schließlich die Seeleute. Hingegen wurden die¬<lb/>
jenigen als Deserteure behandelt und im Betretungsfalle hart bestraft, die sich<lb/>
heimlich in der Absicht außer Landes begeben hatten, sich dem Militärdienst zu<lb/>
entziehen oder gar in die Reihen einer auswärtigen Macht einzutreten, selbst wenn<lb/>
sie noch nicht enrollirt waren. Als unehrlich wurden nicht aufgenommen: die Scharf¬<lb/>
richter, Schließvögte und Büttel mit ihren Knechten, ebenso die Cloakenreiniger.<lb/>
Verheimlichte ein solcher sein ehrloses Gewerbe und ließ sich enrolliren, so<lb/>
wurde er als infam behandelt und mit Staupbesen davon gejagt. Noch früher<lb/>
waren auch die Schäfer, Stadtdiener und Wächter als Unehrbare ausgeschlos¬<lb/>
sen. Erst 1722 wurde diese Verordnung, mit Ausnahme der Schließvögte,<lb/>
aufgehoben, bis auch diese, aber erst nachdem sie ehrlich gemacht d. h. die<lb/>
Fahne über ihnen geschwenkt worden war, angenommen wurden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1355"> Zur erlaubten öffentlichen Werbung wurden gewöhnlich Offiziere unter<lb/>
einem &#x201E;Werbehauptmann" commandirt, die mit einer vom Regenten unter¬<lb/>
zeichneten Legitimation versehen waren, in welcher auch die betreffenden Be¬<lb/>
hörden angewiesen wurden, diesen in allem den möglichsten Vorschub zu leisten.<lb/>
Diese Offiziere erhielten als Beihilfe noch einige Unteroffiziere, meist nette<lb/>
und gewandte, zugleich aber handfeste Leute. Einem solchen Commando wurde<lb/>
ein gewisser Bezirk angewiesen. Der Unteroffizier, der einen Angeworbenen<lb/>
gegen Geld löslich, wurde auf drei Jahre in die Karre verurtheilt. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1356" next="#ID_1357"> Hier haben wir ungefähr die Grundzüge der geregelten Werbung ge¬<lb/>
geben. Anders dagegen sah es bei der unerlaubten oder heimlichen aus.<lb/>
Diese betrieben zum Theil Abenteurer auf eigene Faust und kein Mittel wurde<lb/>
gescheut, zum Ziele zu gelangen. Namentlich in Kriegszeiten, wenn das Ka¬<lb/>
nonenfutter rar wurde, ward überall auf Menschenfleisch Jagd gemacht.<lb/>
Die Tummelplätze waren namentlich in den unzähligen Territorien der Reichs¬<lb/>
unmittelbaren und der freien Städte, wo die Grenzen sich so nahe kamen, daß<lb/>
man diese zuweilen mit wenigen Schritten erreichen konnte. In einem klei¬<lb/>
nen Bezirke lagen oft mehre Werbeparteien, die sich ihre Beute gegenseitig<lb/>
streitig machten, ja einander abjagten, wovei es nicht selten zu den blu¬<lb/>
tigsten Händeln kam. Allerlei raffinirte Kniffe und Pfiffe, sowie Gewaltacte<lb/>
galten dabei für erlaubt. Oft schlichen die Werber unter allerlei Gestalten<lb/>
verkappt umher, ihr Opfer zu umgarnen und im rechten Moment fest zu<lb/>
halten.  Man machte Versprechungen, die nicht gehalten wurden, machte</p><lb/>
            <note xml:id="FID_17" place="foot"> *) Das Cloatcnreinigen war damals Sache des Henkers, der eigens dafür bezahlt wurde-</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0500] Arbeit begaben, nebst den mitgebrachten Gehilfen und ihren Angehörigen. Dann diejenigen im Bürger- und Bauernstande, die ein eigenes Anwesen oder Geschäft hatten, so wie die einzigen Söhne, auch die, welche bereits einen Bru¬ der in der Armee hatten und schließlich die Seeleute. Hingegen wurden die¬ jenigen als Deserteure behandelt und im Betretungsfalle hart bestraft, die sich heimlich in der Absicht außer Landes begeben hatten, sich dem Militärdienst zu entziehen oder gar in die Reihen einer auswärtigen Macht einzutreten, selbst wenn sie noch nicht enrollirt waren. Als unehrlich wurden nicht aufgenommen: die Scharf¬ richter, Schließvögte und Büttel mit ihren Knechten, ebenso die Cloakenreiniger. Verheimlichte ein solcher sein ehrloses Gewerbe und ließ sich enrolliren, so wurde er als infam behandelt und mit Staupbesen davon gejagt. Noch früher waren auch die Schäfer, Stadtdiener und Wächter als Unehrbare ausgeschlos¬ sen. Erst 1722 wurde diese Verordnung, mit Ausnahme der Schließvögte, aufgehoben, bis auch diese, aber erst nachdem sie ehrlich gemacht d. h. die Fahne über ihnen geschwenkt worden war, angenommen wurden. Zur erlaubten öffentlichen Werbung wurden gewöhnlich Offiziere unter einem „Werbehauptmann" commandirt, die mit einer vom Regenten unter¬ zeichneten Legitimation versehen waren, in welcher auch die betreffenden Be¬ hörden angewiesen wurden, diesen in allem den möglichsten Vorschub zu leisten. Diese Offiziere erhielten als Beihilfe noch einige Unteroffiziere, meist nette und gewandte, zugleich aber handfeste Leute. Einem solchen Commando wurde ein gewisser Bezirk angewiesen. Der Unteroffizier, der einen Angeworbenen gegen Geld löslich, wurde auf drei Jahre in die Karre verurtheilt. — Hier haben wir ungefähr die Grundzüge der geregelten Werbung ge¬ geben. Anders dagegen sah es bei der unerlaubten oder heimlichen aus. Diese betrieben zum Theil Abenteurer auf eigene Faust und kein Mittel wurde gescheut, zum Ziele zu gelangen. Namentlich in Kriegszeiten, wenn das Ka¬ nonenfutter rar wurde, ward überall auf Menschenfleisch Jagd gemacht. Die Tummelplätze waren namentlich in den unzähligen Territorien der Reichs¬ unmittelbaren und der freien Städte, wo die Grenzen sich so nahe kamen, daß man diese zuweilen mit wenigen Schritten erreichen konnte. In einem klei¬ nen Bezirke lagen oft mehre Werbeparteien, die sich ihre Beute gegenseitig streitig machten, ja einander abjagten, wovei es nicht selten zu den blu¬ tigsten Händeln kam. Allerlei raffinirte Kniffe und Pfiffe, sowie Gewaltacte galten dabei für erlaubt. Oft schlichen die Werber unter allerlei Gestalten verkappt umher, ihr Opfer zu umgarnen und im rechten Moment fest zu halten. Man machte Versprechungen, die nicht gehalten wurden, machte *) Das Cloatcnreinigen war damals Sache des Henkers, der eigens dafür bezahlt wurde-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/500
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/500>, abgerufen am 23.07.2024.