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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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spricht, beruht wohl nur auf der Ähnlichkeit hinsichtlich der beiderseitigen bur¬
schenschaftlichen Vergangenheiten, welche zwischen ihm und dem derzeitigen Justiz-
Minister v. sah röter obwaltet.

Zur Charakteristik der Juristenfacultät als Gesammtheit dient die Ver¬
handlung über die Schleswig-holsteinische Angelegenheit mit Herrn v. Wamse ete.
zu welcher sie durch diesen dadurch veranlaßt ward, daß er ihr, wie allen an-
dern deutschen Juristenfacultäten. die Aufforderung zugehen Keß, die in seiner
Schrift über das Staats- und Erbrecht der Herzogthümer Schleswig-Holstein
angeführten Quellenzeugnifse und die daraus gezogenen Schlüsse einer gründ¬
lichen Prüfung zu unterziehen und dadurch zugleich ihr Urtheil über die Schles¬
wig-holsteinische Erbfolgefrage abzugeben. Die Facultät lehnte dies in ihrer
Antwort vom 7. Mai 1864 einstimmig ab und motivirte diese Ablehnung folgender¬
maßen: Die Beurtheilung einer literarischen Arbeit liege nicht innerhalb
des Kreises von Gegenständen, mit denen eine Juristenfacultät als solche sich
angemessen beschäftige. Was.die Schleswig-holsteinische Frage selbst betreffe, so
könne sich die Facultät der Prüfung derselben weder aus Grund der warnstedt-
schen Schrift allein, noch mit der anscheinend gewünschten Eilfertigkeit unter¬
ziehen. Der Ernst der Berufspflicht fordere zum Zwecke rechtlicher Facultäts-
erachten eine tiefer eingehende Erwägung der Sachlage, als sie an der Hand
einer Flugschrift möglich sei. und es werde der Sachkunde des Verfassers nicht
entgehen, daß bei einer Frage von solcher Verwickelung und Bedeutung, wie
d>c Schleswig-holsteinische sei, die einer deutschen Facultät würdige Lösung
uur binnen einer geräumigen Frist zu erbringen sei.

Spötter haben aus dieser Motivirung geschlossen, daß es der rostocker Uni¬
versitätsbibliothek an staatsrechtlichen Werken über die Schleswig-holsteinische Frage
fehle und es ist schon von Geldsammlungen zur Ergänzung dieser Lücke die Rede
gewesen. Die Facultät hätte sich vielleicht angemessener aus der Affaire ziehen
können, wenn sie sich auf eine gesetzliche Bestimmung berufen hätte, welche,
wunderbar genug, keinem ihrer Mitglieder bekannt gewesen zu sein scheint. Die¬
selbe ist in einem Rescript der Landesregierung vom 12. Sept. 1839 enthalten,
und lautet: "Auf Allerhöchsten Befehl wird der Juristenfacultät zu Rostock
hierdurch aufgegeben, künftig von ihr verlangt werdende Gutachten über Fragen.
Welche die Bundes- oder die specielle Landesverfassung eines einzelnen deutschen
Staats betreffen, nicht anders als mit Vorwissen und specieller Genehmigung
der Regierung zu erstatten." Die Facultät durfte mit Sicherheit darauf bauen.
ihr in dem vorliegenden Falle die Genehmigung versagt werden würde.

Durch irgendeinen Umstand muß die Facultät schon seit längerer Zeit das
vertrauen der jungen Rechtsgelehrten in Portugal und Brasilien in besonderem
Maße besitzen, da sie den Titel eines voetor juris utriuscius nach diesen fernen
Ländern hin am häufigsten vertheilt. Namen wie de sa,, da Fonseca. de Lima


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spricht, beruht wohl nur auf der Ähnlichkeit hinsichtlich der beiderseitigen bur¬
schenschaftlichen Vergangenheiten, welche zwischen ihm und dem derzeitigen Justiz-
Minister v. sah röter obwaltet.

Zur Charakteristik der Juristenfacultät als Gesammtheit dient die Ver¬
handlung über die Schleswig-holsteinische Angelegenheit mit Herrn v. Wamse ete.
zu welcher sie durch diesen dadurch veranlaßt ward, daß er ihr, wie allen an-
dern deutschen Juristenfacultäten. die Aufforderung zugehen Keß, die in seiner
Schrift über das Staats- und Erbrecht der Herzogthümer Schleswig-Holstein
angeführten Quellenzeugnifse und die daraus gezogenen Schlüsse einer gründ¬
lichen Prüfung zu unterziehen und dadurch zugleich ihr Urtheil über die Schles¬
wig-holsteinische Erbfolgefrage abzugeben. Die Facultät lehnte dies in ihrer
Antwort vom 7. Mai 1864 einstimmig ab und motivirte diese Ablehnung folgender¬
maßen: Die Beurtheilung einer literarischen Arbeit liege nicht innerhalb
des Kreises von Gegenständen, mit denen eine Juristenfacultät als solche sich
angemessen beschäftige. Was.die Schleswig-holsteinische Frage selbst betreffe, so
könne sich die Facultät der Prüfung derselben weder aus Grund der warnstedt-
schen Schrift allein, noch mit der anscheinend gewünschten Eilfertigkeit unter¬
ziehen. Der Ernst der Berufspflicht fordere zum Zwecke rechtlicher Facultäts-
erachten eine tiefer eingehende Erwägung der Sachlage, als sie an der Hand
einer Flugschrift möglich sei. und es werde der Sachkunde des Verfassers nicht
entgehen, daß bei einer Frage von solcher Verwickelung und Bedeutung, wie
d>c Schleswig-holsteinische sei, die einer deutschen Facultät würdige Lösung
uur binnen einer geräumigen Frist zu erbringen sei.

Spötter haben aus dieser Motivirung geschlossen, daß es der rostocker Uni¬
versitätsbibliothek an staatsrechtlichen Werken über die Schleswig-holsteinische Frage
fehle und es ist schon von Geldsammlungen zur Ergänzung dieser Lücke die Rede
gewesen. Die Facultät hätte sich vielleicht angemessener aus der Affaire ziehen
können, wenn sie sich auf eine gesetzliche Bestimmung berufen hätte, welche,
wunderbar genug, keinem ihrer Mitglieder bekannt gewesen zu sein scheint. Die¬
selbe ist in einem Rescript der Landesregierung vom 12. Sept. 1839 enthalten,
und lautet: „Auf Allerhöchsten Befehl wird der Juristenfacultät zu Rostock
hierdurch aufgegeben, künftig von ihr verlangt werdende Gutachten über Fragen.
Welche die Bundes- oder die specielle Landesverfassung eines einzelnen deutschen
Staats betreffen, nicht anders als mit Vorwissen und specieller Genehmigung
der Regierung zu erstatten." Die Facultät durfte mit Sicherheit darauf bauen.
ihr in dem vorliegenden Falle die Genehmigung versagt werden würde.

Durch irgendeinen Umstand muß die Facultät schon seit längerer Zeit das
vertrauen der jungen Rechtsgelehrten in Portugal und Brasilien in besonderem
Maße besitzen, da sie den Titel eines voetor juris utriuscius nach diesen fernen
Ländern hin am häufigsten vertheilt. Namen wie de sa,, da Fonseca. de Lima


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/487>, abgerufen am 23.07.2024.