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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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deckte in einem von Dieckhoff aufgestellten Satze ein socinianisches Erkenntniß-
Princip. Indessen war man auch auf der Gegenseite untereinander sehr uneinig:
Brömel bezeichnete eine von Plaß, dem bekannten Erfinder des Dogmas
von Teufel Vater. Teufel Sohn und Teufel Geist, geäußerte Ansicht als heid¬
nisch; Diedrich bezichtigte eine Lehre Philippis. daß sie der kirchlichen
Lehre von der Erbsünde und von der Rechtfertigung widerspreche; und wenn
Dieckhoff auch gewissermaßen eine äußerste Linke in der Versammlung bildete,
so scheint er doch wenigstens vor fundamentalen Häresien mit Erfolg sich ge¬
hütet zu haben. -- Seit einigen Jahren führt Dieckhoff mit Kliefoth ge¬
meinschaftlich die Redaction einer theologischen Zeitschrift. Er gehört auch
Ma Vorstand des "mecklenburgischen Gotteskasten für bedrängte Glaubens¬
genossen", eines Nachbildes der Gustav-Adolf-Stiftung.

Von Zeit zu Zeit ehrt die Facultät irgendeinen bis dahin wenig bekannten
rechtgläubigen Theologen durch Verleihung des Doctortitels honoris es-usa.
Die neuesten Empfänger solcher Ehrenbezeigung sind außer dem Professor
Bachmann der Pastor Münkel zu Oyste in Hannover (1861), der sich durch
eine Vertheidigung des Consistorialerachtens gegen Baumgarten ausgezeichnet
hatte, und der Professor Szeberinyi zu Wien (1864).

Die juristische Facultät hat seit Jahrzehnten das eigenthümliche Geschick
Schabe, daß sie gleichsam als Wartesaal für durchreisende Rechtsgelehrte gedient hat,
welche nach kurzem Aufenthalt entweder auf eine auswärtige Universität zurück¬
gingen oder in ein höheres Richteramt übertraten. Die alten einheimischen
Juristen in der Facultät sind allmäliz ausgestorben und da es an einem Nach¬
wuchs von Privatdocenten fehlte, so mußte das particuläre Recht des Landes
sich mit der Rücksicht behelfen, die ihm von der Mehrzahl der Facultäts-
nntglieder nur im Vorübergehen gewidmet werden konnte. Die zum Theil
unter die Notabilitäten gehörigen Männer, welche seit dem Abgange von Elvers
"ach Marburg (1841) und Georg Beselers nach Greifswald (1842) und seit
^in am 14. November 1842 erfolgten Tode Ferdinand Kämmerers durch die
wstocker Juristenfacultät hindurchgingen, sind: Kierulff (1842--1844). Wun-
derlich (1842-1847). Thöl (1842--1849). Jhering (1846--1849). seist
(1847--1853), Bruns (1849--1831), Butte (18S0--1863), Wetzell
(18S2--1863), Roth (1864--1867). Von diesen hat Wohl Wetzell die nach¬
haltigste Wirksamkeit geübt, die er auch noch in Tübingen, wohin er von
Rostock gjng, unter den dort studirenden Mecklenburgern zu Gunsten ihrer feu¬
dalen Landesverfassung nach Kräften fortzusetzen bemüht ist. Er erblickt, wie
er dies in einer öffentlichen Rede als Rector erklärte, in Mecklenburg, weil es
^>n constitutionellen Wesen keinen dauernden Zugang verstattet und die alte
^ndständische Verfassung nach kurzer Abirrung wiederhergestellt hat. den Fels
"n Meere der Revolution, den conservativen Musterstaat, an dessen er-


deckte in einem von Dieckhoff aufgestellten Satze ein socinianisches Erkenntniß-
Princip. Indessen war man auch auf der Gegenseite untereinander sehr uneinig:
Brömel bezeichnete eine von Plaß, dem bekannten Erfinder des Dogmas
von Teufel Vater. Teufel Sohn und Teufel Geist, geäußerte Ansicht als heid¬
nisch; Diedrich bezichtigte eine Lehre Philippis. daß sie der kirchlichen
Lehre von der Erbsünde und von der Rechtfertigung widerspreche; und wenn
Dieckhoff auch gewissermaßen eine äußerste Linke in der Versammlung bildete,
so scheint er doch wenigstens vor fundamentalen Häresien mit Erfolg sich ge¬
hütet zu haben. — Seit einigen Jahren führt Dieckhoff mit Kliefoth ge¬
meinschaftlich die Redaction einer theologischen Zeitschrift. Er gehört auch
Ma Vorstand des „mecklenburgischen Gotteskasten für bedrängte Glaubens¬
genossen", eines Nachbildes der Gustav-Adolf-Stiftung.

Von Zeit zu Zeit ehrt die Facultät irgendeinen bis dahin wenig bekannten
rechtgläubigen Theologen durch Verleihung des Doctortitels honoris es-usa.
Die neuesten Empfänger solcher Ehrenbezeigung sind außer dem Professor
Bachmann der Pastor Münkel zu Oyste in Hannover (1861), der sich durch
eine Vertheidigung des Consistorialerachtens gegen Baumgarten ausgezeichnet
hatte, und der Professor Szeberinyi zu Wien (1864).

Die juristische Facultät hat seit Jahrzehnten das eigenthümliche Geschick
Schabe, daß sie gleichsam als Wartesaal für durchreisende Rechtsgelehrte gedient hat,
welche nach kurzem Aufenthalt entweder auf eine auswärtige Universität zurück¬
gingen oder in ein höheres Richteramt übertraten. Die alten einheimischen
Juristen in der Facultät sind allmäliz ausgestorben und da es an einem Nach¬
wuchs von Privatdocenten fehlte, so mußte das particuläre Recht des Landes
sich mit der Rücksicht behelfen, die ihm von der Mehrzahl der Facultäts-
nntglieder nur im Vorübergehen gewidmet werden konnte. Die zum Theil
unter die Notabilitäten gehörigen Männer, welche seit dem Abgange von Elvers
"ach Marburg (1841) und Georg Beselers nach Greifswald (1842) und seit
^in am 14. November 1842 erfolgten Tode Ferdinand Kämmerers durch die
wstocker Juristenfacultät hindurchgingen, sind: Kierulff (1842—1844). Wun-
derlich (1842-1847). Thöl (1842—1849). Jhering (1846—1849). seist
(1847—1853), Bruns (1849—1831), Butte (18S0—1863), Wetzell
(18S2—1863), Roth (1864—1867). Von diesen hat Wohl Wetzell die nach¬
haltigste Wirksamkeit geübt, die er auch noch in Tübingen, wohin er von
Rostock gjng, unter den dort studirenden Mecklenburgern zu Gunsten ihrer feu¬
dalen Landesverfassung nach Kräften fortzusetzen bemüht ist. Er erblickt, wie
er dies in einer öffentlichen Rede als Rector erklärte, in Mecklenburg, weil es
^>n constitutionellen Wesen keinen dauernden Zugang verstattet und die alte
^ndständische Verfassung nach kurzer Abirrung wiederhergestellt hat. den Fels
"n Meere der Revolution, den conservativen Musterstaat, an dessen er-


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[0481] deckte in einem von Dieckhoff aufgestellten Satze ein socinianisches Erkenntniß- Princip. Indessen war man auch auf der Gegenseite untereinander sehr uneinig: Brömel bezeichnete eine von Plaß, dem bekannten Erfinder des Dogmas von Teufel Vater. Teufel Sohn und Teufel Geist, geäußerte Ansicht als heid¬ nisch; Diedrich bezichtigte eine Lehre Philippis. daß sie der kirchlichen Lehre von der Erbsünde und von der Rechtfertigung widerspreche; und wenn Dieckhoff auch gewissermaßen eine äußerste Linke in der Versammlung bildete, so scheint er doch wenigstens vor fundamentalen Häresien mit Erfolg sich ge¬ hütet zu haben. — Seit einigen Jahren führt Dieckhoff mit Kliefoth ge¬ meinschaftlich die Redaction einer theologischen Zeitschrift. Er gehört auch Ma Vorstand des „mecklenburgischen Gotteskasten für bedrängte Glaubens¬ genossen", eines Nachbildes der Gustav-Adolf-Stiftung. Von Zeit zu Zeit ehrt die Facultät irgendeinen bis dahin wenig bekannten rechtgläubigen Theologen durch Verleihung des Doctortitels honoris es-usa. Die neuesten Empfänger solcher Ehrenbezeigung sind außer dem Professor Bachmann der Pastor Münkel zu Oyste in Hannover (1861), der sich durch eine Vertheidigung des Consistorialerachtens gegen Baumgarten ausgezeichnet hatte, und der Professor Szeberinyi zu Wien (1864). Die juristische Facultät hat seit Jahrzehnten das eigenthümliche Geschick Schabe, daß sie gleichsam als Wartesaal für durchreisende Rechtsgelehrte gedient hat, welche nach kurzem Aufenthalt entweder auf eine auswärtige Universität zurück¬ gingen oder in ein höheres Richteramt übertraten. Die alten einheimischen Juristen in der Facultät sind allmäliz ausgestorben und da es an einem Nach¬ wuchs von Privatdocenten fehlte, so mußte das particuläre Recht des Landes sich mit der Rücksicht behelfen, die ihm von der Mehrzahl der Facultäts- nntglieder nur im Vorübergehen gewidmet werden konnte. Die zum Theil unter die Notabilitäten gehörigen Männer, welche seit dem Abgange von Elvers "ach Marburg (1841) und Georg Beselers nach Greifswald (1842) und seit ^in am 14. November 1842 erfolgten Tode Ferdinand Kämmerers durch die wstocker Juristenfacultät hindurchgingen, sind: Kierulff (1842—1844). Wun- derlich (1842-1847). Thöl (1842—1849). Jhering (1846—1849). seist (1847—1853), Bruns (1849—1831), Butte (18S0—1863), Wetzell (18S2—1863), Roth (1864—1867). Von diesen hat Wohl Wetzell die nach¬ haltigste Wirksamkeit geübt, die er auch noch in Tübingen, wohin er von Rostock gjng, unter den dort studirenden Mecklenburgern zu Gunsten ihrer feu¬ dalen Landesverfassung nach Kräften fortzusetzen bemüht ist. Er erblickt, wie er dies in einer öffentlichen Rede als Rector erklärte, in Mecklenburg, weil es ^>n constitutionellen Wesen keinen dauernden Zugang verstattet und die alte ^ndständische Verfassung nach kurzer Abirrung wiederhergestellt hat. den Fels "n Meere der Revolution, den conservativen Musterstaat, an dessen er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/481>, abgerufen am 23.07.2024.