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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Der bekannte Herr der Wanzen und der Mäuse, Mephistopheles, spricht irgendwo
die finstre Wahrheit aus: was besteht, verdient daß es zu Grunde geht. Wenn der
Leser geneigt sein sollte, dieser Art von Triaspocsie und Politik ein schnelles ruhm¬
loses Ende zu prophezeien, so hoffen wir, daß eine andere Probe deutscher Gelcgen-
hcitspvefic ihm anmuthiger erscheinen wird. Auch sie stammt aus dem Gebiete der
Trias, auch sie enthält eine politische Anspielung auf das übergreifende Preußen;
aber es ist ein gelehrter Sachse, dem wir sie verdanken, und kaum ist ein größerer
Gegensatz denkbar als zwischen ihrer milden, höflichen Ergebenheit und dem wilden
Welsentrotzc des erwähnten Müllers. Die Probe, ebenfalls sehr charakteristisch, ist
nämlich einem Hochzeitsgedichte entnommen, welches der Rector eines leipziger Gym¬
nasiums, Robbe, Ritter A, wohlbekannt durch ähnliche Leistungen in Vers und
Prosa, neulich zur Vermählung einer liebenswürdigen Prinzessin des sächsischen
Königshauses gefertigt hat Die Worte des gelehrten Dichters lauten:
'

In Sachsen, traun, ists schön zu weilen --
Ob oben oder unten -- gleich.
Drum wollen alle mit uns theilen
Und lieber nehmen ganz das Reich. --
Da kommt von Bayern hergegangen
Ein schöner Prinz, Dein Theodor:
Dich sehn, Dich lieben. Dich verlangen,
Ist eins -- er zieht Dich allen vor.
Hörst Du? er bauet Dir ein Eden,
Gelobet Dir ein Paradies;
Die Herzen lassen sich bereden,
Und weg ist unser goldnes Blies.
Nun ja! wir viel den Bayern schulden.
Max gab uns ja ein Töchterpaar!
So gilts zu schweigen und zu dulden, --
Sie geht, die unsre Perle war. u. s. w.

Nicht in jeder Periode unserer historischen Entwickelung ist der Poesie vergönnt,
das Höchste groß zu sagen. Aber geschmackvoll, patriotisch, gefällig und erheiternd
vermag sie, wie dieses Fragment beweist, doch auch in trüber Zeit zu unserem
Herzen zu sprechen.

In dem mitgetheilten poetischen Bruchstück des sächsischen Dichters ist der Sinn
der beiden ersten Vcrszcilen unzweifelhaft, die Behauptung entschieden, die aus¬
gesprochene Wahrheit auch für dieses Blatt unanfechtbar. Dagegen verrathen die
Agenten Zeilen allerdings den Parteistandpunkt des Verfassers; die Anspielung auf
^ Theilung Sachsens und auf den Wunsch gewisser Mächte, gar das Ganze zu
Nehmen, zittert wie ein elegischer Trnucrklang durch die freudige Erregung des
Hywnus. Aber wie sehr unterscheidet sich auch hierin der gebildete Dichter von dem
^UlM Verfasser des Welfcngesanges. Es ist eine leichte, zwar traurige, aber doch


Der bekannte Herr der Wanzen und der Mäuse, Mephistopheles, spricht irgendwo
die finstre Wahrheit aus: was besteht, verdient daß es zu Grunde geht. Wenn der
Leser geneigt sein sollte, dieser Art von Triaspocsie und Politik ein schnelles ruhm¬
loses Ende zu prophezeien, so hoffen wir, daß eine andere Probe deutscher Gelcgen-
hcitspvefic ihm anmuthiger erscheinen wird. Auch sie stammt aus dem Gebiete der
Trias, auch sie enthält eine politische Anspielung auf das übergreifende Preußen;
aber es ist ein gelehrter Sachse, dem wir sie verdanken, und kaum ist ein größerer
Gegensatz denkbar als zwischen ihrer milden, höflichen Ergebenheit und dem wilden
Welsentrotzc des erwähnten Müllers. Die Probe, ebenfalls sehr charakteristisch, ist
nämlich einem Hochzeitsgedichte entnommen, welches der Rector eines leipziger Gym¬
nasiums, Robbe, Ritter A, wohlbekannt durch ähnliche Leistungen in Vers und
Prosa, neulich zur Vermählung einer liebenswürdigen Prinzessin des sächsischen
Königshauses gefertigt hat Die Worte des gelehrten Dichters lauten:
'

In Sachsen, traun, ists schön zu weilen —
Ob oben oder unten — gleich.
Drum wollen alle mit uns theilen
Und lieber nehmen ganz das Reich. —
Da kommt von Bayern hergegangen
Ein schöner Prinz, Dein Theodor:
Dich sehn, Dich lieben. Dich verlangen,
Ist eins — er zieht Dich allen vor.
Hörst Du? er bauet Dir ein Eden,
Gelobet Dir ein Paradies;
Die Herzen lassen sich bereden,
Und weg ist unser goldnes Blies.
Nun ja! wir viel den Bayern schulden.
Max gab uns ja ein Töchterpaar!
So gilts zu schweigen und zu dulden, —
Sie geht, die unsre Perle war. u. s. w.

Nicht in jeder Periode unserer historischen Entwickelung ist der Poesie vergönnt,
das Höchste groß zu sagen. Aber geschmackvoll, patriotisch, gefällig und erheiternd
vermag sie, wie dieses Fragment beweist, doch auch in trüber Zeit zu unserem
Herzen zu sprechen.

In dem mitgetheilten poetischen Bruchstück des sächsischen Dichters ist der Sinn
der beiden ersten Vcrszcilen unzweifelhaft, die Behauptung entschieden, die aus¬
gesprochene Wahrheit auch für dieses Blatt unanfechtbar. Dagegen verrathen die
Agenten Zeilen allerdings den Parteistandpunkt des Verfassers; die Anspielung auf
^ Theilung Sachsens und auf den Wunsch gewisser Mächte, gar das Ganze zu
Nehmen, zittert wie ein elegischer Trnucrklang durch die freudige Erregung des
Hywnus. Aber wie sehr unterscheidet sich auch hierin der gebildete Dichter von dem
^UlM Verfasser des Welfcngesanges. Es ist eine leichte, zwar traurige, aber doch


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[0463] Der bekannte Herr der Wanzen und der Mäuse, Mephistopheles, spricht irgendwo die finstre Wahrheit aus: was besteht, verdient daß es zu Grunde geht. Wenn der Leser geneigt sein sollte, dieser Art von Triaspocsie und Politik ein schnelles ruhm¬ loses Ende zu prophezeien, so hoffen wir, daß eine andere Probe deutscher Gelcgen- hcitspvefic ihm anmuthiger erscheinen wird. Auch sie stammt aus dem Gebiete der Trias, auch sie enthält eine politische Anspielung auf das übergreifende Preußen; aber es ist ein gelehrter Sachse, dem wir sie verdanken, und kaum ist ein größerer Gegensatz denkbar als zwischen ihrer milden, höflichen Ergebenheit und dem wilden Welsentrotzc des erwähnten Müllers. Die Probe, ebenfalls sehr charakteristisch, ist nämlich einem Hochzeitsgedichte entnommen, welches der Rector eines leipziger Gym¬ nasiums, Robbe, Ritter A, wohlbekannt durch ähnliche Leistungen in Vers und Prosa, neulich zur Vermählung einer liebenswürdigen Prinzessin des sächsischen Königshauses gefertigt hat Die Worte des gelehrten Dichters lauten: ' In Sachsen, traun, ists schön zu weilen — Ob oben oder unten — gleich. Drum wollen alle mit uns theilen Und lieber nehmen ganz das Reich. — Da kommt von Bayern hergegangen Ein schöner Prinz, Dein Theodor: Dich sehn, Dich lieben. Dich verlangen, Ist eins — er zieht Dich allen vor. Hörst Du? er bauet Dir ein Eden, Gelobet Dir ein Paradies; Die Herzen lassen sich bereden, Und weg ist unser goldnes Blies. Nun ja! wir viel den Bayern schulden. Max gab uns ja ein Töchterpaar! So gilts zu schweigen und zu dulden, — Sie geht, die unsre Perle war. u. s. w. Nicht in jeder Periode unserer historischen Entwickelung ist der Poesie vergönnt, das Höchste groß zu sagen. Aber geschmackvoll, patriotisch, gefällig und erheiternd vermag sie, wie dieses Fragment beweist, doch auch in trüber Zeit zu unserem Herzen zu sprechen. In dem mitgetheilten poetischen Bruchstück des sächsischen Dichters ist der Sinn der beiden ersten Vcrszcilen unzweifelhaft, die Behauptung entschieden, die aus¬ gesprochene Wahrheit auch für dieses Blatt unanfechtbar. Dagegen verrathen die Agenten Zeilen allerdings den Parteistandpunkt des Verfassers; die Anspielung auf ^ Theilung Sachsens und auf den Wunsch gewisser Mächte, gar das Ganze zu Nehmen, zittert wie ein elegischer Trnucrklang durch die freudige Erregung des Hywnus. Aber wie sehr unterscheidet sich auch hierin der gebildete Dichter von dem ^UlM Verfasser des Welfcngesanges. Es ist eine leichte, zwar traurige, aber doch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/463>, abgerufen am 23.07.2024.