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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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chergesetzes, nicht die neue Geldtheorie. In dieser Folge erhalten die Sähe des
eifernden Chrysostomus eine modificirte Bedeutung. Daß diese die richtige,
erweist die Ncchnungsprobe. Die Scholastiker bauten diese sogenannten Grund¬
züge der kirchlichen Geldlehre (oder gar Wucherlehre) kaum aus; wir haben aus
der frühen und aus der Hauptzeit des Mittelalters mehre ihrer geläufigen Geld¬
geschäfte, in denen von fast allen das Geld als fruchtbares Capital verdeckt
und offen anerkannt ist. Wir erinnern an die bestimmten Fälle des Kauf¬
gewinnes. an das Seedarlchn, an die Verzugszinsen und vornehmlich an das
statt der Convcntionalzinscn eintretende kanonistische Interesse, an den Renten-
kauf, an den Wechselvertrag, an die Zinsgeschäfte der Juden, der Wechsler, an
die Nontes pietatis, die alle vom kanonischen Rechte gebilligt worden sind.
Und sagten nicht da, wo eine Münzveränderung während einer schwebenden
Geldschuld eintrat, selbst fanatische Kanonisten. wie Andrea und Tellez. die
Münzen seien zu zahlen nach dem Werthe, welchen sie zur Zeit des Con-
tractschlusses hatten?! Gegen die Reihe dieser geschichtlichen Beweise besteht
die scharfsinnige, aber einseitige und qucllcnwidrige Entdeckung der ganz beson¬
deren kanonistischen Geldtheorie nicht.

Auch ohne diese wirken eine Reihe der oben dargelegten kanonistischen Irr¬
lehren über das Wesen des Geldes noch in den heutigen Nechtssystemen und
verschärfen bei der schnell fortschreitenden wirthschaftlichen Entwicklung den
Gegensatz zwischen dieser und den Rechtssätzen vom Gelde, vom Werthe, vom
Schadensersatz, von Uebertragung, Zahlung einer Forderung, von Wechsel,
Papier auf den Inhaber, Banknoten u. a. Darum ist es wichtig, ja noth¬
wendig, diese Reste früherer einseitiger Doctrinen in Recht und Wirthschaft ge¬
schichtlich zurück und wieder bis auf die Gegenwart hin streng quellenmäßig zu
verfolgen; dadurch erweisen sich dann die Neste als solche, und es löst sich der
Bann, mit welchem sie das Recht von seiner Hauptaufgabe fernhalten, gesetz¬
licher Ausdruck der wirthschaftlichen Institute und Grundsätze zu sein.




chergesetzes, nicht die neue Geldtheorie. In dieser Folge erhalten die Sähe des
eifernden Chrysostomus eine modificirte Bedeutung. Daß diese die richtige,
erweist die Ncchnungsprobe. Die Scholastiker bauten diese sogenannten Grund¬
züge der kirchlichen Geldlehre (oder gar Wucherlehre) kaum aus; wir haben aus
der frühen und aus der Hauptzeit des Mittelalters mehre ihrer geläufigen Geld¬
geschäfte, in denen von fast allen das Geld als fruchtbares Capital verdeckt
und offen anerkannt ist. Wir erinnern an die bestimmten Fälle des Kauf¬
gewinnes. an das Seedarlchn, an die Verzugszinsen und vornehmlich an das
statt der Convcntionalzinscn eintretende kanonistische Interesse, an den Renten-
kauf, an den Wechselvertrag, an die Zinsgeschäfte der Juden, der Wechsler, an
die Nontes pietatis, die alle vom kanonischen Rechte gebilligt worden sind.
Und sagten nicht da, wo eine Münzveränderung während einer schwebenden
Geldschuld eintrat, selbst fanatische Kanonisten. wie Andrea und Tellez. die
Münzen seien zu zahlen nach dem Werthe, welchen sie zur Zeit des Con-
tractschlusses hatten?! Gegen die Reihe dieser geschichtlichen Beweise besteht
die scharfsinnige, aber einseitige und qucllcnwidrige Entdeckung der ganz beson¬
deren kanonistischen Geldtheorie nicht.

Auch ohne diese wirken eine Reihe der oben dargelegten kanonistischen Irr¬
lehren über das Wesen des Geldes noch in den heutigen Nechtssystemen und
verschärfen bei der schnell fortschreitenden wirthschaftlichen Entwicklung den
Gegensatz zwischen dieser und den Rechtssätzen vom Gelde, vom Werthe, vom
Schadensersatz, von Uebertragung, Zahlung einer Forderung, von Wechsel,
Papier auf den Inhaber, Banknoten u. a. Darum ist es wichtig, ja noth¬
wendig, diese Reste früherer einseitiger Doctrinen in Recht und Wirthschaft ge¬
schichtlich zurück und wieder bis auf die Gegenwart hin streng quellenmäßig zu
verfolgen; dadurch erweisen sich dann die Neste als solche, und es löst sich der
Bann, mit welchem sie das Recht von seiner Hauptaufgabe fernhalten, gesetz¬
licher Ausdruck der wirthschaftlichen Institute und Grundsätze zu sein.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/460>, abgerufen am 23.07.2024.