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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Wechselrechte wieder. Nach langem Streite verwarfen hier im sechzehnten Jahr¬
hundert die Päpste den trocknen (Sola-) Wechsel und billigten nur den gezoge¬
nen Wechsel, wo dieser bis zur nächsten Wechselmesse oder auf "angemessenen
^so" (aä IvAitimum usum eanMorum, qusiu neesssitas publica iuäuxit)
gestellt war. Denn der Wechselkäufer erwerbe den seutus (denkender Schild)
d- h. das im Wechsel enthaltene Geld. Hier aber unterlag die Regierung",
gwalt bald dem Widerstreite der Wechselpraxis, welche täglich das Unhaltbare
solches starren polizeilichen Eingriffs in den aus vielen inneren Gründen zeit¬
lich und örtlich schwankenden Wechselkurs aufdeckte, und man mußte sich be¬
quemen, diesen Curs durch die Wechsler oder Haupt,kaufleute an den vornehm-
l'chen Handels'tagen und Orten jedesmal nach Ausweis des Verhältnisses
von Angebot und Nachfrage feststellen zu lassen, eine Praxis, die neuerdings
"und für die Geschichte des deutschen Wechsclrechtes nachgewiesen ist.

Daß dieser selbe Sieg des Capitalverkehres sich auch über die obigen Grund¬
sätze der Geldtaxen geltend machte, bewirkte allmälig die Naturwidrigkeit der
Zündsätze selbst, zuvor und schneller aber thaten die Regierungen das Ihrige
^zu. Ihr anerkanntes Recht, in der Zeit der Noth die obigen drei sittlichen
Schranken der Geldprägung zu überschreiten, ließ sie zu Gunsten ihrer Kassen
bald die Noth herbeiwünschen, sie oft vorhanden sehn, ja sie selbst erzeugen,
den Fällen besonders krasser Mißtaxen erlaubte daher das kanonistische Sy-
sogar, daß der natürliche Curs der Münzen die Taxen beseitige. Die
Masse der Fehden und Wirren in dem erst halb cultivirten Continente, die
räumliche und zeitliche Zerrissenheit der Münzgebiete, der unmittelbare und mittel¬
bare gewinnsüchtige Eingriff der benachbarten Münzherren in die vielleicht an¬
gebahnte Besserung der heimischen Geldprägung machten ein Innehalten der
^monistischen Prägenormen um so weniger möglich, als diese Normen schon an
der Natur der Wirthschaft und des Rechtes entgegenstanden.

nachhaltiger noch und mit dem fortschreitend steigenden Capitalumlauf
"inner entschiedener erschütterte eben diese ihre Naturwidrigkeit die obigen
Grundsätze. -- Aus einigen der zuletzt angedeuteten Momente erhellt schon die
^"Möglichkeit, über die Grenzen der meist engen Münzgebicte hinaus der Münze
declarirten Werth zu erzwingen, ja nur innerhalb dieses Gebietes den
Werth gegen die Wirkungen der benachbarten Münzoperationen und Münz-
""ßblä'nahe zu vertheidigen. Hierzu kam der unvermeidliche schwankende Curs
Edelmetalle und das fluctuirende Verhältniß zwischen Angebot und nach¬
jage des Geldes selbst. So groß das kanonische Recht in seiner äußeren Cor-
^uenz. so kühn ist es in seinen Fictionen. Man sagte, die taxwidrigen Curse
Geldes billige die Negierung, weil sie sie nicht verbiete. Ein Wort statt
^r offenen Verwerfung jener Scheinconsequenz.

Diese Consequenz fußte aber nicht in leerem Eigensinne, sondern in der


Wechselrechte wieder. Nach langem Streite verwarfen hier im sechzehnten Jahr¬
hundert die Päpste den trocknen (Sola-) Wechsel und billigten nur den gezoge¬
nen Wechsel, wo dieser bis zur nächsten Wechselmesse oder auf „angemessenen
^so" (aä IvAitimum usum eanMorum, qusiu neesssitas publica iuäuxit)
gestellt war. Denn der Wechselkäufer erwerbe den seutus (denkender Schild)
d- h. das im Wechsel enthaltene Geld. Hier aber unterlag die Regierung«,
gwalt bald dem Widerstreite der Wechselpraxis, welche täglich das Unhaltbare
solches starren polizeilichen Eingriffs in den aus vielen inneren Gründen zeit¬
lich und örtlich schwankenden Wechselkurs aufdeckte, und man mußte sich be¬
quemen, diesen Curs durch die Wechsler oder Haupt,kaufleute an den vornehm-
l'chen Handels'tagen und Orten jedesmal nach Ausweis des Verhältnisses
von Angebot und Nachfrage feststellen zu lassen, eine Praxis, die neuerdings
"und für die Geschichte des deutschen Wechsclrechtes nachgewiesen ist.

Daß dieser selbe Sieg des Capitalverkehres sich auch über die obigen Grund¬
sätze der Geldtaxen geltend machte, bewirkte allmälig die Naturwidrigkeit der
Zündsätze selbst, zuvor und schneller aber thaten die Regierungen das Ihrige
^zu. Ihr anerkanntes Recht, in der Zeit der Noth die obigen drei sittlichen
Schranken der Geldprägung zu überschreiten, ließ sie zu Gunsten ihrer Kassen
bald die Noth herbeiwünschen, sie oft vorhanden sehn, ja sie selbst erzeugen,
den Fällen besonders krasser Mißtaxen erlaubte daher das kanonistische Sy-
sogar, daß der natürliche Curs der Münzen die Taxen beseitige. Die
Masse der Fehden und Wirren in dem erst halb cultivirten Continente, die
räumliche und zeitliche Zerrissenheit der Münzgebiete, der unmittelbare und mittel¬
bare gewinnsüchtige Eingriff der benachbarten Münzherren in die vielleicht an¬
gebahnte Besserung der heimischen Geldprägung machten ein Innehalten der
^monistischen Prägenormen um so weniger möglich, als diese Normen schon an
der Natur der Wirthschaft und des Rechtes entgegenstanden.

nachhaltiger noch und mit dem fortschreitend steigenden Capitalumlauf
»inner entschiedener erschütterte eben diese ihre Naturwidrigkeit die obigen
Grundsätze. — Aus einigen der zuletzt angedeuteten Momente erhellt schon die
^"Möglichkeit, über die Grenzen der meist engen Münzgebicte hinaus der Münze
declarirten Werth zu erzwingen, ja nur innerhalb dieses Gebietes den
Werth gegen die Wirkungen der benachbarten Münzoperationen und Münz-
""ßblä'nahe zu vertheidigen. Hierzu kam der unvermeidliche schwankende Curs
Edelmetalle und das fluctuirende Verhältniß zwischen Angebot und nach¬
jage des Geldes selbst. So groß das kanonische Recht in seiner äußeren Cor-
^uenz. so kühn ist es in seinen Fictionen. Man sagte, die taxwidrigen Curse
Geldes billige die Negierung, weil sie sie nicht verbiete. Ein Wort statt
^r offenen Verwerfung jener Scheinconsequenz.

Diese Consequenz fußte aber nicht in leerem Eigensinne, sondern in der


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[0457] Wechselrechte wieder. Nach langem Streite verwarfen hier im sechzehnten Jahr¬ hundert die Päpste den trocknen (Sola-) Wechsel und billigten nur den gezoge¬ nen Wechsel, wo dieser bis zur nächsten Wechselmesse oder auf „angemessenen ^so" (aä IvAitimum usum eanMorum, qusiu neesssitas publica iuäuxit) gestellt war. Denn der Wechselkäufer erwerbe den seutus (denkender Schild) d- h. das im Wechsel enthaltene Geld. Hier aber unterlag die Regierung«, gwalt bald dem Widerstreite der Wechselpraxis, welche täglich das Unhaltbare solches starren polizeilichen Eingriffs in den aus vielen inneren Gründen zeit¬ lich und örtlich schwankenden Wechselkurs aufdeckte, und man mußte sich be¬ quemen, diesen Curs durch die Wechsler oder Haupt,kaufleute an den vornehm- l'chen Handels'tagen und Orten jedesmal nach Ausweis des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage feststellen zu lassen, eine Praxis, die neuerdings "und für die Geschichte des deutschen Wechsclrechtes nachgewiesen ist. Daß dieser selbe Sieg des Capitalverkehres sich auch über die obigen Grund¬ sätze der Geldtaxen geltend machte, bewirkte allmälig die Naturwidrigkeit der Zündsätze selbst, zuvor und schneller aber thaten die Regierungen das Ihrige ^zu. Ihr anerkanntes Recht, in der Zeit der Noth die obigen drei sittlichen Schranken der Geldprägung zu überschreiten, ließ sie zu Gunsten ihrer Kassen bald die Noth herbeiwünschen, sie oft vorhanden sehn, ja sie selbst erzeugen, den Fällen besonders krasser Mißtaxen erlaubte daher das kanonistische Sy- sogar, daß der natürliche Curs der Münzen die Taxen beseitige. Die Masse der Fehden und Wirren in dem erst halb cultivirten Continente, die räumliche und zeitliche Zerrissenheit der Münzgebiete, der unmittelbare und mittel¬ bare gewinnsüchtige Eingriff der benachbarten Münzherren in die vielleicht an¬ gebahnte Besserung der heimischen Geldprägung machten ein Innehalten der ^monistischen Prägenormen um so weniger möglich, als diese Normen schon an der Natur der Wirthschaft und des Rechtes entgegenstanden. nachhaltiger noch und mit dem fortschreitend steigenden Capitalumlauf »inner entschiedener erschütterte eben diese ihre Naturwidrigkeit die obigen Grundsätze. — Aus einigen der zuletzt angedeuteten Momente erhellt schon die ^"Möglichkeit, über die Grenzen der meist engen Münzgebicte hinaus der Münze declarirten Werth zu erzwingen, ja nur innerhalb dieses Gebietes den Werth gegen die Wirkungen der benachbarten Münzoperationen und Münz- ""ßblä'nahe zu vertheidigen. Hierzu kam der unvermeidliche schwankende Curs Edelmetalle und das fluctuirende Verhältniß zwischen Angebot und nach¬ jage des Geldes selbst. So groß das kanonische Recht in seiner äußeren Cor- ^uenz. so kühn ist es in seinen Fictionen. Man sagte, die taxwidrigen Curse Geldes billige die Negierung, weil sie sie nicht verbiete. Ein Wort statt ^r offenen Verwerfung jener Scheinconsequenz. Diese Consequenz fußte aber nicht in leerem Eigensinne, sondern in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/457>, abgerufen am 23.07.2024.