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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Griechen unsern Voreltern brachten, trotz der vielen geschlichen Strafen und
Schätzungen (z. B. im Wergelde), welche in Münzen bemessen sind, trotz des
Einflusses der Geistlichen und Juden auf den Geldverkehr, welcher sich über¬
raschend früh und schnell steigend in einer Zahl von hierher gehörenden Rechts¬
geschäften wie Kauf. Verrenkung, Darlehn, Schenkungen u. a. offenbart, endlich
trotz des aufblühenden Gewerbes und Handels in Süd-, dans in Norddeutsch'
land überwiegt in Deutschland der Tauschverkehr, die Schätzung nach Rinder¬
zahl bis tief in das Mittelalter hinein. Noch unter Otto dem Großen legt
man Strafen in Rindern auf, gerade die maßgebendsten Rechtsquellen des
dreizehnten Jahrhunderts kennen einige der vornehmlichsten Geldgeschäfte kaum
noch. Wo sich der Gebrauch der Münzen nachweisen läßt, ist ihre Prägung
beschränkt, ihr Curs schwankend, ihr Geltungskreis sehr klein, oft nur eine
einzige Stadt, ihr Umlauf unscheinbar wegen des regen Tauschverkehrs, der
allgemeinen Naturalwirtschaft, des mangelnden Credits, der vielfach gesetzlich
nur Zug um Zug den Kauf gestaltete. So darf in dem durch Handel blühenden
Prag im vierzehnten Jahrhundert ein Creditkauf nur auf vier Wochen Frist
bei Verlust des Klagerechts daraus abgeschlossen werden; kaufte aber ein prager
Bürger von einem Fremden Waaren auf Credit, so mußte er dieses zur
Genehmigung dem städtischen Rathe anzeigen. Größere Mengen geprägter
Münzen brachten auf den Markt wohl erst die seit dem fünfzehnten Jahrhundert
eröffneten Bergwerke von Meißen, wie Hüllmann nachweist: dies alles Zeichen
des unbedeutenden Geldverkehrs, des überwiegenden Tauschhandels in den
Schriften der Kanonisten. -- Wir können heute ihr Alterthumsmuseum erheblich
bereichern, müssen darin aber auch Zahlen und Thatsachen aufstellen, welche
den Charakter ihrer Sammlung wesentlich verändern. Denn wir wissen, daß
zum Theil heute noch z. V. Salzbarren in Mittelasien und Afrika. Thonziegel
in Hochasien, Datteln in Persien und der Sahara, Cakaobohnen und Baum-
wolle in Mittelamerika, Wachs in Südamerika, Zucker in Westindien, Taback
in Virginien, Stockfisch in Neufundland, gewebte Stoffe, Korallen, messingene
Ringe und Gürtel bei den Kaffern, serner bei den Völkern des hohen Nordens,
in Nußland, in Ländern der Hudsonsbaigesellschaft Pelze der Füchse. Marder,
Biber, Zobel nach einer festen, dem Curse unterworfenen Skala die Stelle des
Geldes vertreten, daß aus solchen Pelzen allmälig kleines von der Regierung
gestempeltes Pelzgeld, aus diesem das Metallgeld in. der Geschichte Nordasiens
und Rußlands sich gestaltete; wir wissen, daß heute noch der Isländer, im
Anklange an das alte schwedische sa (Vieh) -vermögen, seine Schätze unter dem
gleichen Worte und Begriffe zusammenfaßt. Daraus folgt für uns der allge¬
meine Satz, daß das wechselnde Mittel zur Befriedigung des Hauptbedürfnisses
aus den verschiedensten Culturstufen stets als Geld galt, wechselnd je nach der
Cultur im Stoffe, immer dasselbe aber als allgemein anerkannter Werthmesser


Griechen unsern Voreltern brachten, trotz der vielen geschlichen Strafen und
Schätzungen (z. B. im Wergelde), welche in Münzen bemessen sind, trotz des
Einflusses der Geistlichen und Juden auf den Geldverkehr, welcher sich über¬
raschend früh und schnell steigend in einer Zahl von hierher gehörenden Rechts¬
geschäften wie Kauf. Verrenkung, Darlehn, Schenkungen u. a. offenbart, endlich
trotz des aufblühenden Gewerbes und Handels in Süd-, dans in Norddeutsch'
land überwiegt in Deutschland der Tauschverkehr, die Schätzung nach Rinder¬
zahl bis tief in das Mittelalter hinein. Noch unter Otto dem Großen legt
man Strafen in Rindern auf, gerade die maßgebendsten Rechtsquellen des
dreizehnten Jahrhunderts kennen einige der vornehmlichsten Geldgeschäfte kaum
noch. Wo sich der Gebrauch der Münzen nachweisen läßt, ist ihre Prägung
beschränkt, ihr Curs schwankend, ihr Geltungskreis sehr klein, oft nur eine
einzige Stadt, ihr Umlauf unscheinbar wegen des regen Tauschverkehrs, der
allgemeinen Naturalwirtschaft, des mangelnden Credits, der vielfach gesetzlich
nur Zug um Zug den Kauf gestaltete. So darf in dem durch Handel blühenden
Prag im vierzehnten Jahrhundert ein Creditkauf nur auf vier Wochen Frist
bei Verlust des Klagerechts daraus abgeschlossen werden; kaufte aber ein prager
Bürger von einem Fremden Waaren auf Credit, so mußte er dieses zur
Genehmigung dem städtischen Rathe anzeigen. Größere Mengen geprägter
Münzen brachten auf den Markt wohl erst die seit dem fünfzehnten Jahrhundert
eröffneten Bergwerke von Meißen, wie Hüllmann nachweist: dies alles Zeichen
des unbedeutenden Geldverkehrs, des überwiegenden Tauschhandels in den
Schriften der Kanonisten. — Wir können heute ihr Alterthumsmuseum erheblich
bereichern, müssen darin aber auch Zahlen und Thatsachen aufstellen, welche
den Charakter ihrer Sammlung wesentlich verändern. Denn wir wissen, daß
zum Theil heute noch z. V. Salzbarren in Mittelasien und Afrika. Thonziegel
in Hochasien, Datteln in Persien und der Sahara, Cakaobohnen und Baum-
wolle in Mittelamerika, Wachs in Südamerika, Zucker in Westindien, Taback
in Virginien, Stockfisch in Neufundland, gewebte Stoffe, Korallen, messingene
Ringe und Gürtel bei den Kaffern, serner bei den Völkern des hohen Nordens,
in Nußland, in Ländern der Hudsonsbaigesellschaft Pelze der Füchse. Marder,
Biber, Zobel nach einer festen, dem Curse unterworfenen Skala die Stelle des
Geldes vertreten, daß aus solchen Pelzen allmälig kleines von der Regierung
gestempeltes Pelzgeld, aus diesem das Metallgeld in. der Geschichte Nordasiens
und Rußlands sich gestaltete; wir wissen, daß heute noch der Isländer, im
Anklange an das alte schwedische sa (Vieh) -vermögen, seine Schätze unter dem
gleichen Worte und Begriffe zusammenfaßt. Daraus folgt für uns der allge¬
meine Satz, daß das wechselnde Mittel zur Befriedigung des Hauptbedürfnisses
aus den verschiedensten Culturstufen stets als Geld galt, wechselnd je nach der
Cultur im Stoffe, immer dasselbe aber als allgemein anerkannter Werthmesser


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[0454] Griechen unsern Voreltern brachten, trotz der vielen geschlichen Strafen und Schätzungen (z. B. im Wergelde), welche in Münzen bemessen sind, trotz des Einflusses der Geistlichen und Juden auf den Geldverkehr, welcher sich über¬ raschend früh und schnell steigend in einer Zahl von hierher gehörenden Rechts¬ geschäften wie Kauf. Verrenkung, Darlehn, Schenkungen u. a. offenbart, endlich trotz des aufblühenden Gewerbes und Handels in Süd-, dans in Norddeutsch' land überwiegt in Deutschland der Tauschverkehr, die Schätzung nach Rinder¬ zahl bis tief in das Mittelalter hinein. Noch unter Otto dem Großen legt man Strafen in Rindern auf, gerade die maßgebendsten Rechtsquellen des dreizehnten Jahrhunderts kennen einige der vornehmlichsten Geldgeschäfte kaum noch. Wo sich der Gebrauch der Münzen nachweisen läßt, ist ihre Prägung beschränkt, ihr Curs schwankend, ihr Geltungskreis sehr klein, oft nur eine einzige Stadt, ihr Umlauf unscheinbar wegen des regen Tauschverkehrs, der allgemeinen Naturalwirtschaft, des mangelnden Credits, der vielfach gesetzlich nur Zug um Zug den Kauf gestaltete. So darf in dem durch Handel blühenden Prag im vierzehnten Jahrhundert ein Creditkauf nur auf vier Wochen Frist bei Verlust des Klagerechts daraus abgeschlossen werden; kaufte aber ein prager Bürger von einem Fremden Waaren auf Credit, so mußte er dieses zur Genehmigung dem städtischen Rathe anzeigen. Größere Mengen geprägter Münzen brachten auf den Markt wohl erst die seit dem fünfzehnten Jahrhundert eröffneten Bergwerke von Meißen, wie Hüllmann nachweist: dies alles Zeichen des unbedeutenden Geldverkehrs, des überwiegenden Tauschhandels in den Schriften der Kanonisten. — Wir können heute ihr Alterthumsmuseum erheblich bereichern, müssen darin aber auch Zahlen und Thatsachen aufstellen, welche den Charakter ihrer Sammlung wesentlich verändern. Denn wir wissen, daß zum Theil heute noch z. V. Salzbarren in Mittelasien und Afrika. Thonziegel in Hochasien, Datteln in Persien und der Sahara, Cakaobohnen und Baum- wolle in Mittelamerika, Wachs in Südamerika, Zucker in Westindien, Taback in Virginien, Stockfisch in Neufundland, gewebte Stoffe, Korallen, messingene Ringe und Gürtel bei den Kaffern, serner bei den Völkern des hohen Nordens, in Nußland, in Ländern der Hudsonsbaigesellschaft Pelze der Füchse. Marder, Biber, Zobel nach einer festen, dem Curse unterworfenen Skala die Stelle des Geldes vertreten, daß aus solchen Pelzen allmälig kleines von der Regierung gestempeltes Pelzgeld, aus diesem das Metallgeld in. der Geschichte Nordasiens und Rußlands sich gestaltete; wir wissen, daß heute noch der Isländer, im Anklange an das alte schwedische sa (Vieh) -vermögen, seine Schätze unter dem gleichen Worte und Begriffe zusammenfaßt. Daraus folgt für uns der allge¬ meine Satz, daß das wechselnde Mittel zur Befriedigung des Hauptbedürfnisses aus den verschiedensten Culturstufen stets als Geld galt, wechselnd je nach der Cultur im Stoffe, immer dasselbe aber als allgemein anerkannter Werthmesser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/454>, abgerufen am 23.07.2024.