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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Verkäufer, so ist auch etwas anderes der Kaufpreis, etwas anderes die Waare;
beim Tausche aber kann man nicht unterscheiden, wer Käufer und wer Verkäufer
sei." Während die Römer durch den vagen Begriff der Pecunia (von Pecus,
Vieh) noch an den früheren Zustand des Tauschverkehrs erinnern, in welchem
Vornehmlich die einzelnen Stücke Kleinvieh der zahlreichen Heerden. daneben
dann aber auch alle anderen Vermögensbestandtheile als allgemeine Werrhmesser
gelten konnten, 'beweisen sie gerade durch den begrenzten, bestimmten Begriff
desselben Wortes, daß der Vorzug des allgemeinen Werthmessers sich auf das
entwickeltere Verkehrsmittel übertrug, und hierdurch erst, nicht, wie willkürliche
Ausleger gegen den geschichtlichen Verlauf meinen, durch den vagen Begriff der
Pecunia bekunden sie, daß ihnen auch ein Einblick in das wirthschaftliche We¬
sen des Werthes vergönnt war.

Diese zwiefache Bedeutung des Geldes verarbeitete darnach die im Römer-
reiche erstehende christliche Kirche in ihre gewaltige systematische Sittenlehre,
Welche wir, da sie in Rechtsform auftrat und gelten sollte, das kanonische Recht
nennen. Auch hier wird auf die Sklaven, Geräthe, Bäume. Thiere, kurz alles,
Was von Menschen besessen werden kann, unter Pecunia hingewiesen, die Her¬
leitung des Wortes von dem Heerdenvieh festgehalten; aber sehr schnell knüpft
daran die Scholastik Vorwurf und Verbot gegen die Habgier der Menschen.
Welche alle Theile des Irdischen in dem Gelde begehre. Geld im engeren
Sinne waren die Geldstücke, sei es als gemünzte, sei es als Theile ungeprägtem
edlen Metalles, sei es eine bestimmte Quantität anderer Sachen.

Ueber diese Bedeutung des Geldes steht den kanonistischen Schriftstellern,
welche, da das Corpus Juris tanonici nichts über das Münzwesen enthält, die
Hauptquellen zur Erkenntniß seiner kirchlichen Gestaltung für die Zeit der
blühenden Scholastik und zum Theil bis in die Neuzeit hinein bilden, ein über-
raschend ausgedehntes Material zu Gebote. Homer rechnet noch nach der
Wertheinheit des Rindes. Drako legte dasselbe Maß seinen Geldstrafen unter,
Lykurg untersagte gar allen Geldgcbrauch, um seinen Staat sicherer durch Tausch¬
handel zu erhalten, die atheniensischen Münzen vor Solon weisen durch
den Stier ihres Gepräges noch auf die Vorzeit des ungefügen Geldes hin.
Uebereinstimmend damit sprechen die Pecunia der Römer und die Münzen
Mit Gepräge von Rindern und Schafen, sowie die alten in Heerdenvieh ge¬
messenen Vermögensstrafen von der Zeit einer rohen Werthcinheit. Deutsch¬
land kennt dieselbe von den Jahren des Tacitus und der Volksrechte her,
w denen deshalb die Pecunia mit den Thieren dieselben Grundsätze theilt
Uex ^risionum gM. say. ti. '11. "si Joao l>M oyuum guna Msti-
terit vel quamlibot alwu pecmüam.") und nicht durchweg mit unserm ge¬
münzten Gelde verglichen werden darf. Trotz der daneben längst bekannten
geprägten Münzen, welche römische Handelsleute, ja schon Phönicier und


Verkäufer, so ist auch etwas anderes der Kaufpreis, etwas anderes die Waare;
beim Tausche aber kann man nicht unterscheiden, wer Käufer und wer Verkäufer
sei." Während die Römer durch den vagen Begriff der Pecunia (von Pecus,
Vieh) noch an den früheren Zustand des Tauschverkehrs erinnern, in welchem
Vornehmlich die einzelnen Stücke Kleinvieh der zahlreichen Heerden. daneben
dann aber auch alle anderen Vermögensbestandtheile als allgemeine Werrhmesser
gelten konnten, 'beweisen sie gerade durch den begrenzten, bestimmten Begriff
desselben Wortes, daß der Vorzug des allgemeinen Werthmessers sich auf das
entwickeltere Verkehrsmittel übertrug, und hierdurch erst, nicht, wie willkürliche
Ausleger gegen den geschichtlichen Verlauf meinen, durch den vagen Begriff der
Pecunia bekunden sie, daß ihnen auch ein Einblick in das wirthschaftliche We¬
sen des Werthes vergönnt war.

Diese zwiefache Bedeutung des Geldes verarbeitete darnach die im Römer-
reiche erstehende christliche Kirche in ihre gewaltige systematische Sittenlehre,
Welche wir, da sie in Rechtsform auftrat und gelten sollte, das kanonische Recht
nennen. Auch hier wird auf die Sklaven, Geräthe, Bäume. Thiere, kurz alles,
Was von Menschen besessen werden kann, unter Pecunia hingewiesen, die Her¬
leitung des Wortes von dem Heerdenvieh festgehalten; aber sehr schnell knüpft
daran die Scholastik Vorwurf und Verbot gegen die Habgier der Menschen.
Welche alle Theile des Irdischen in dem Gelde begehre. Geld im engeren
Sinne waren die Geldstücke, sei es als gemünzte, sei es als Theile ungeprägtem
edlen Metalles, sei es eine bestimmte Quantität anderer Sachen.

Ueber diese Bedeutung des Geldes steht den kanonistischen Schriftstellern,
welche, da das Corpus Juris tanonici nichts über das Münzwesen enthält, die
Hauptquellen zur Erkenntniß seiner kirchlichen Gestaltung für die Zeit der
blühenden Scholastik und zum Theil bis in die Neuzeit hinein bilden, ein über-
raschend ausgedehntes Material zu Gebote. Homer rechnet noch nach der
Wertheinheit des Rindes. Drako legte dasselbe Maß seinen Geldstrafen unter,
Lykurg untersagte gar allen Geldgcbrauch, um seinen Staat sicherer durch Tausch¬
handel zu erhalten, die atheniensischen Münzen vor Solon weisen durch
den Stier ihres Gepräges noch auf die Vorzeit des ungefügen Geldes hin.
Uebereinstimmend damit sprechen die Pecunia der Römer und die Münzen
Mit Gepräge von Rindern und Schafen, sowie die alten in Heerdenvieh ge¬
messenen Vermögensstrafen von der Zeit einer rohen Werthcinheit. Deutsch¬
land kennt dieselbe von den Jahren des Tacitus und der Volksrechte her,
w denen deshalb die Pecunia mit den Thieren dieselben Grundsätze theilt
Uex ^risionum gM. say. ti. '11. „si Joao l>M oyuum guna Msti-
terit vel quamlibot alwu pecmüam.") und nicht durchweg mit unserm ge¬
münzten Gelde verglichen werden darf. Trotz der daneben längst bekannten
geprägten Münzen, welche römische Handelsleute, ja schon Phönicier und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/453>, abgerufen am 23.07.2024.