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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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aber durch ein späteres actenmäßiges Geständniß desselben Herrn v. Schröter,
der das Entlassungsrcscript mit den darin enthaltenen Motiven verfaßt und
unterzeichnet hatte, in die Classe reiner, vom Parteigeist eingegebener Phantasie¬
gebilde eingereiht werden. Dieses Geständnis; findet sich in einem Rescript des
Ministers v. Schröter vom 29. Juni 1863, mit welchem er dem Criminal-
cvllegium zu den Acten des damals eingeleiteten rostocker Hochverrathsprocesses
die Abschriften der Entlassungsrescripte der drei mit vielen anderen in diesen
Proceß verwickelten Professoren übersandte. Das Rescript bemerkt bei Ueber-
sendung dieser Abschriften wörtlich: "Daß über die Motive ihrer Ent¬
lassung sonst nichts bei den Aust ellungsacten der gedachten Pro¬
fessoren vorliegt." Dieser Thatsache gegenüber haben die Drohungen,
welche der Vicekanzler, wie erzählt, im Auftrage des Ministers anwandte, um
die Professoren Türk und Wilbrandt zur freiwilligen Niederlegung ihres
Amtes unter Annahme einer geringfügigen Pension zu bestimmen, und nament¬
lich dessen Behauptung, daß sich Acten in den Händen der Regierung befänden,
welche eine Remotion vom Amte ausreichend begründen würden, lediglich den
Charakter rabulistischer Vorspiegelungen, welche bei der unzweifelhaften Ehren¬
haftigkeit des Vicekanzlers v. Both nur darauf zurückgeführt werden können,
daß er selbst in dieser Beziehung das 'Opfer einer Täuschung geworden war.

Die Universität hatte schon am j12. März 1848, in der Petition um
Reform der Landesverfassung und um Preßfreiheit ihr politisches Pulver voll¬
ständig verschossen. Sie rührte sich nicht bei diesen Amtsentlassungen, denen
nach Beendigung des Hochverrathsprocesses für Türk und I. Wiggers
auch noch die Entziehung der Pension sich anreihte und gab überhaupt während
der ganzen Aera der Restauration des Feudalismus, von 1850 bis aus diesen
Tag, nie wieder einen politischen Laut von sich. Sowohl die Verfassungsreform
als die Preßfreiheit, welche sie doch im Jahre 1848 als so nothwendig dar-
gethan und so warm empfohlen hatte, wurde von ihr vollständig im Stich
gelassen. Statt dessen that die Universität bei jeder Gelegenheit das Ihrige,
um die Gewalthaber davon zu überzeugen, daß sie mit dem reactivirten Feudal¬
staat und mit dem herrschenden Regierungssystem vollkommen zufrieden und
weit davon entfernt sei, sich in politische Fragen zu mischen, mochte unter der
zur Herrschaft gelangten Partei die Stellung der Professoren auch noch so un¬
sicher, die Freiheit der Wissenschaft auch noch so bedroht, der politische und
sociale Zustand des Landes auch noch so erbarmungswürdig sein.

Durch das schon erwähnte Rescript vom 4. April 1849 war unter anderem
die Vorschrift, welche die Habilitirung eines Privatdocenten von der vorgängigen
Genehmigung der Landesregierung abhängig machte, außer Kraft gesetzt worden.
Es gehörte zu den Amtshandlungen des Ministers v. Schröter, daß er (durch
Rescript vom 18. Januar 1851) die frühere Einrichtung wiederherstellte, in der


aber durch ein späteres actenmäßiges Geständniß desselben Herrn v. Schröter,
der das Entlassungsrcscript mit den darin enthaltenen Motiven verfaßt und
unterzeichnet hatte, in die Classe reiner, vom Parteigeist eingegebener Phantasie¬
gebilde eingereiht werden. Dieses Geständnis; findet sich in einem Rescript des
Ministers v. Schröter vom 29. Juni 1863, mit welchem er dem Criminal-
cvllegium zu den Acten des damals eingeleiteten rostocker Hochverrathsprocesses
die Abschriften der Entlassungsrescripte der drei mit vielen anderen in diesen
Proceß verwickelten Professoren übersandte. Das Rescript bemerkt bei Ueber-
sendung dieser Abschriften wörtlich: „Daß über die Motive ihrer Ent¬
lassung sonst nichts bei den Aust ellungsacten der gedachten Pro¬
fessoren vorliegt." Dieser Thatsache gegenüber haben die Drohungen,
welche der Vicekanzler, wie erzählt, im Auftrage des Ministers anwandte, um
die Professoren Türk und Wilbrandt zur freiwilligen Niederlegung ihres
Amtes unter Annahme einer geringfügigen Pension zu bestimmen, und nament¬
lich dessen Behauptung, daß sich Acten in den Händen der Regierung befänden,
welche eine Remotion vom Amte ausreichend begründen würden, lediglich den
Charakter rabulistischer Vorspiegelungen, welche bei der unzweifelhaften Ehren¬
haftigkeit des Vicekanzlers v. Both nur darauf zurückgeführt werden können,
daß er selbst in dieser Beziehung das 'Opfer einer Täuschung geworden war.

Die Universität hatte schon am j12. März 1848, in der Petition um
Reform der Landesverfassung und um Preßfreiheit ihr politisches Pulver voll¬
ständig verschossen. Sie rührte sich nicht bei diesen Amtsentlassungen, denen
nach Beendigung des Hochverrathsprocesses für Türk und I. Wiggers
auch noch die Entziehung der Pension sich anreihte und gab überhaupt während
der ganzen Aera der Restauration des Feudalismus, von 1850 bis aus diesen
Tag, nie wieder einen politischen Laut von sich. Sowohl die Verfassungsreform
als die Preßfreiheit, welche sie doch im Jahre 1848 als so nothwendig dar-
gethan und so warm empfohlen hatte, wurde von ihr vollständig im Stich
gelassen. Statt dessen that die Universität bei jeder Gelegenheit das Ihrige,
um die Gewalthaber davon zu überzeugen, daß sie mit dem reactivirten Feudal¬
staat und mit dem herrschenden Regierungssystem vollkommen zufrieden und
weit davon entfernt sei, sich in politische Fragen zu mischen, mochte unter der
zur Herrschaft gelangten Partei die Stellung der Professoren auch noch so un¬
sicher, die Freiheit der Wissenschaft auch noch so bedroht, der politische und
sociale Zustand des Landes auch noch so erbarmungswürdig sein.

Durch das schon erwähnte Rescript vom 4. April 1849 war unter anderem
die Vorschrift, welche die Habilitirung eines Privatdocenten von der vorgängigen
Genehmigung der Landesregierung abhängig machte, außer Kraft gesetzt worden.
Es gehörte zu den Amtshandlungen des Ministers v. Schröter, daß er (durch
Rescript vom 18. Januar 1851) die frühere Einrichtung wiederherstellte, in der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/448>, abgerufen am 23.07.2024.