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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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zu entledigen. Er ließ dieselben mit einer Disciplinaruntersuchung bedrohen,
falls sie sich nicht etwa gegen Gewährung einer Pension zu freiwilligem
Rücktritt vom Amte entschließen wollten. Der Vicekanzler v. Both er¬
hielt den Auftrag, zunächst mit Wilbrandt und Türk wegen ihrer Pen-
sionirung in Verhandlung zu treten. Er eröffnete nun dem Professor Wil-
brand t in einer mündlichen Unterredung im Namen des Ministers v. Schröter,
daß Gründe genug vorhanden seien, um dessen Amtsentsejzung auf gerichtlichem
Wege herbeizuführen. Es befänden sich Acten in den Händen der Regierung,
Welche dazu völlig ausreichen würden. Herr v. Both stellte sodann sür den
Fall des freiwilligen! Rücktritts eine Pension von 700 Thlrn. (etwas über
die Hälfte des von Wilbrandt bezogenen Gehaltes) in Aussicht und for¬
derte ihn auf, sich über dieses Anerbieten zu erklären. Wilbrandt wei¬
gerte sich entschieden, auf den Antrag einzugehen und wiederholte auf Ver¬
langen des Vicekanzlers diese Erklärung schriftlich. In gleicher Weise und mit
demselben Mangel an Erfolg verhandelte Herr v. Both mit Türk. Die Folge
dieser Beharrlichkeit war aber nicht die angedrohte Disciplinaruntersuchung,
sondern die Amtsentlassung mit vollem Gehalt als Pension, welche der Minister
über die drei ihm mißliebigen Professoren verhängte. Es geschah dies durch
drei im Wesentlichen gleichlautende großherzogliche Entlassungsrescripte vom
7- Juli 18S2, von welchen das an den Professor Julius Wiggers er-
SMgene später in dessen Schrift: "Vierundvierzig Monate Untersuchungshaft"
(zweite Auflage S. 232 f.) der Oeffentlichkeit überliefert ist. Dennoch ward
dessen Amtsentlassung in folgender Weise motivirt: Derselbe habe sich "an den
Bewegungen der neueren Zeit in ihren revolutionären Beziehungen lebhaft
betheiligt", indem er dieselben durch die ihm zu Gebote stehenden Mittel zu
fördern bemüht gewesen sei; er habe insbesondere auch mit allen denen, welche
"diese strafbare Richtung" verfolgt, zusammengehalten und gemeinschaftliche
Sache gemacht, davon auch nicht abgelassen, als der Großherzog ihn im Herbste
^848 zum außerordentlichen Professor ernannt habe; er habe durch dieses sein
Verhalten nicht allein die Pflichten der Treue gegen den Landesherrn, sondern
"und die Rücksichten, welche er auf seine Stellung als akademischer Lehrer zu
Nehmen hatte, mißachtet, der ihm anvertrauten akademischen Jugend, welcher
^' in aller Weise ein gutes Vorbild zu sein verbunden gewesen, das verderb¬
lichste Beispiel gegeben, und somit in diesen Richtungen die ihm obliegenden
Pflichten, insbesondere auch die in der Bestallung übernommenen Verpflichtungen
schwer verletzt.

Also eine Fülle härtester Anklagen und Vorwürfe, auf welche jedoch schon
Thatsache, daß der Minister dieselben nicht für ausreichend gehalten haben
^um, um daraus hin eine Disciplinaruntersuchung einzuleiten, mit welcher er
durch den Vicekanzler hatte drohen lassen, ein seltsames Licht wirft, welche


zu entledigen. Er ließ dieselben mit einer Disciplinaruntersuchung bedrohen,
falls sie sich nicht etwa gegen Gewährung einer Pension zu freiwilligem
Rücktritt vom Amte entschließen wollten. Der Vicekanzler v. Both er¬
hielt den Auftrag, zunächst mit Wilbrandt und Türk wegen ihrer Pen-
sionirung in Verhandlung zu treten. Er eröffnete nun dem Professor Wil-
brand t in einer mündlichen Unterredung im Namen des Ministers v. Schröter,
daß Gründe genug vorhanden seien, um dessen Amtsentsejzung auf gerichtlichem
Wege herbeizuführen. Es befänden sich Acten in den Händen der Regierung,
Welche dazu völlig ausreichen würden. Herr v. Both stellte sodann sür den
Fall des freiwilligen! Rücktritts eine Pension von 700 Thlrn. (etwas über
die Hälfte des von Wilbrandt bezogenen Gehaltes) in Aussicht und for¬
derte ihn auf, sich über dieses Anerbieten zu erklären. Wilbrandt wei¬
gerte sich entschieden, auf den Antrag einzugehen und wiederholte auf Ver¬
langen des Vicekanzlers diese Erklärung schriftlich. In gleicher Weise und mit
demselben Mangel an Erfolg verhandelte Herr v. Both mit Türk. Die Folge
dieser Beharrlichkeit war aber nicht die angedrohte Disciplinaruntersuchung,
sondern die Amtsentlassung mit vollem Gehalt als Pension, welche der Minister
über die drei ihm mißliebigen Professoren verhängte. Es geschah dies durch
drei im Wesentlichen gleichlautende großherzogliche Entlassungsrescripte vom
7- Juli 18S2, von welchen das an den Professor Julius Wiggers er-
SMgene später in dessen Schrift: „Vierundvierzig Monate Untersuchungshaft"
(zweite Auflage S. 232 f.) der Oeffentlichkeit überliefert ist. Dennoch ward
dessen Amtsentlassung in folgender Weise motivirt: Derselbe habe sich „an den
Bewegungen der neueren Zeit in ihren revolutionären Beziehungen lebhaft
betheiligt", indem er dieselben durch die ihm zu Gebote stehenden Mittel zu
fördern bemüht gewesen sei; er habe insbesondere auch mit allen denen, welche
"diese strafbare Richtung" verfolgt, zusammengehalten und gemeinschaftliche
Sache gemacht, davon auch nicht abgelassen, als der Großherzog ihn im Herbste
^848 zum außerordentlichen Professor ernannt habe; er habe durch dieses sein
Verhalten nicht allein die Pflichten der Treue gegen den Landesherrn, sondern
"und die Rücksichten, welche er auf seine Stellung als akademischer Lehrer zu
Nehmen hatte, mißachtet, der ihm anvertrauten akademischen Jugend, welcher
^' in aller Weise ein gutes Vorbild zu sein verbunden gewesen, das verderb¬
lichste Beispiel gegeben, und somit in diesen Richtungen die ihm obliegenden
Pflichten, insbesondere auch die in der Bestallung übernommenen Verpflichtungen
schwer verletzt.

Also eine Fülle härtester Anklagen und Vorwürfe, auf welche jedoch schon
Thatsache, daß der Minister dieselben nicht für ausreichend gehalten haben
^um, um daraus hin eine Disciplinaruntersuchung einzuleiten, mit welcher er
durch den Vicekanzler hatte drohen lassen, ein seltsames Licht wirft, welche


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[0447] zu entledigen. Er ließ dieselben mit einer Disciplinaruntersuchung bedrohen, falls sie sich nicht etwa gegen Gewährung einer Pension zu freiwilligem Rücktritt vom Amte entschließen wollten. Der Vicekanzler v. Both er¬ hielt den Auftrag, zunächst mit Wilbrandt und Türk wegen ihrer Pen- sionirung in Verhandlung zu treten. Er eröffnete nun dem Professor Wil- brand t in einer mündlichen Unterredung im Namen des Ministers v. Schröter, daß Gründe genug vorhanden seien, um dessen Amtsentsejzung auf gerichtlichem Wege herbeizuführen. Es befänden sich Acten in den Händen der Regierung, Welche dazu völlig ausreichen würden. Herr v. Both stellte sodann sür den Fall des freiwilligen! Rücktritts eine Pension von 700 Thlrn. (etwas über die Hälfte des von Wilbrandt bezogenen Gehaltes) in Aussicht und for¬ derte ihn auf, sich über dieses Anerbieten zu erklären. Wilbrandt wei¬ gerte sich entschieden, auf den Antrag einzugehen und wiederholte auf Ver¬ langen des Vicekanzlers diese Erklärung schriftlich. In gleicher Weise und mit demselben Mangel an Erfolg verhandelte Herr v. Both mit Türk. Die Folge dieser Beharrlichkeit war aber nicht die angedrohte Disciplinaruntersuchung, sondern die Amtsentlassung mit vollem Gehalt als Pension, welche der Minister über die drei ihm mißliebigen Professoren verhängte. Es geschah dies durch drei im Wesentlichen gleichlautende großherzogliche Entlassungsrescripte vom 7- Juli 18S2, von welchen das an den Professor Julius Wiggers er- SMgene später in dessen Schrift: „Vierundvierzig Monate Untersuchungshaft" (zweite Auflage S. 232 f.) der Oeffentlichkeit überliefert ist. Dennoch ward dessen Amtsentlassung in folgender Weise motivirt: Derselbe habe sich „an den Bewegungen der neueren Zeit in ihren revolutionären Beziehungen lebhaft betheiligt", indem er dieselben durch die ihm zu Gebote stehenden Mittel zu fördern bemüht gewesen sei; er habe insbesondere auch mit allen denen, welche "diese strafbare Richtung" verfolgt, zusammengehalten und gemeinschaftliche Sache gemacht, davon auch nicht abgelassen, als der Großherzog ihn im Herbste ^848 zum außerordentlichen Professor ernannt habe; er habe durch dieses sein Verhalten nicht allein die Pflichten der Treue gegen den Landesherrn, sondern "und die Rücksichten, welche er auf seine Stellung als akademischer Lehrer zu Nehmen hatte, mißachtet, der ihm anvertrauten akademischen Jugend, welcher ^' in aller Weise ein gutes Vorbild zu sein verbunden gewesen, das verderb¬ lichste Beispiel gegeben, und somit in diesen Richtungen die ihm obliegenden Pflichten, insbesondere auch die in der Bestallung übernommenen Verpflichtungen schwer verletzt. Also eine Fülle härtester Anklagen und Vorwürfe, auf welche jedoch schon Thatsache, daß der Minister dieselben nicht für ausreichend gehalten haben ^um, um daraus hin eine Disciplinaruntersuchung einzuleiten, mit welcher er durch den Vicekanzler hatte drohen lassen, ein seltsames Licht wirft, welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/447>, abgerufen am 23.07.2024.