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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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kann), so wird man die Ausführlichkeit, mit welcher das städtische Verwaltungs¬
recht dargestellt ist, um so höher zu schätzen wissen. Was die einzelnen Lehren
dieser Abtheilung anbetrifft, so dürften sie zu einem großen Theil nicht blos
für den Geschäftsmann, der bei den städtischen Angelegenheiten betheiligt ist,
ein Interesse haben. Nicht blos der Verwaltungsbeamte und der Jurist, sondern
auch der politische Oekonom wird diese Abtheilung mit Nutzen zu Rathe ziehen.
In dem Capitel, welches von dem städtischen Budget handelt, ist eine eingehende
Darstellung der Steuerverhältnisse gegeben, die für den volkswirtschaftlichen
Kritiker der Gemeindeökonvmie und des Stadthaushalts eine dankenswerthe
Grundlage des Raisonnements darbietet. Die Erhebungsart der wichtigeren
indirecten Steuern, z. B. der Schlacht- und Mahlsteuer, ist mit solcher Anschau¬
lichkeit beschrieben, daß man sogleich eine deutliche Vorstellung von den unend¬
lichen Belästigungen gewinnt, die mit diesen Arten, den Staatssäckel zu füllen,
verbunden sind. Manche überraschende Einzelheit, an die der politische Oekonom
kaum glauben möchte, tritt aus dieser Darstellung der Steuerverfassung zu
Tage. Der gute Glaube, die Zwangs- und Bannrechte seien eine verschollene
Mittelalterliche Ueberlieferung, wird bisweilen gar sehr enttäuscht. Man stellt
sich gewöhnlich vor, daß mit der steinschen Einführung der Gewerbefreiheit jene
Neste der ökonomischen Barbarei nun auch völlig vertilgt seien. Ein Volks-
^irthschafter, dem man heute sagte, daß der ihm zunächst wohnende Müller
noch eine Art Bannrecht gegen das Publicum besitze, d. h. ein Privilegium
habe, alles Korn in seiner Gegend zu mahlen, würde ungläubig den Kopf
schütteln; und dennoch existirt ein solches Zwangsrecht im Verwaltungswege.
Kein Korn darf zur Mühle gebracht werden, ohne von einem Mahlerlaubni߬
schein des Steueramts begleitet zu sein, und dieser Schein, so heißt es in der
gesetzlichen Bestimmung, wird der Regel nach nur auf die Mühlen des Ortes
und der Gegend ausgestellt. Nur der Finanzminister kann hiervon eine Aus¬
nahme zulassen. Aus denselben Gründen, aus welchen diese Beschränkung statt¬
hat, wird auch die Errichtung von Mühlen, die durch Thier-, Wasser- oder
Dampfkraft getrieben werden sollen, an die specielle Genehmigung des Mini¬
steriums geknüpft. -- Der eben erwähnte Zug volkswirtschaftlicher Naivetät,
welche die Ortsmühlen im Wege der Steuerverwaltung beschützt und dem Pu¬
blikum vorschreibt, wo es sein Korn mahlen lassen soll, dürfte nur noch in der
Verwaltung des Salzmonopols Seinesgleiches finden.

Die jetzt wieder wichtiger gewordene Polizeicompetenz sowie die Armen-
pflege wird eingehend erörtert. Auch findet sich ein Capitel über die städtische
Vvlkswirthschaftspflege, aus welchem man freilich nur lernen kann, wie dürftig
°s mit dem Einfluß des städtischen Regiments nach dieser Richtung hin bestellt
'se- Doch möchte auch hier selbst in den engen Grenzen, welche das bestehende
^chi zieht, manchmal eine erhebliche Einwirkung möglich sein. So ist es z. B.


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kann), so wird man die Ausführlichkeit, mit welcher das städtische Verwaltungs¬
recht dargestellt ist, um so höher zu schätzen wissen. Was die einzelnen Lehren
dieser Abtheilung anbetrifft, so dürften sie zu einem großen Theil nicht blos
für den Geschäftsmann, der bei den städtischen Angelegenheiten betheiligt ist,
ein Interesse haben. Nicht blos der Verwaltungsbeamte und der Jurist, sondern
auch der politische Oekonom wird diese Abtheilung mit Nutzen zu Rathe ziehen.
In dem Capitel, welches von dem städtischen Budget handelt, ist eine eingehende
Darstellung der Steuerverhältnisse gegeben, die für den volkswirtschaftlichen
Kritiker der Gemeindeökonvmie und des Stadthaushalts eine dankenswerthe
Grundlage des Raisonnements darbietet. Die Erhebungsart der wichtigeren
indirecten Steuern, z. B. der Schlacht- und Mahlsteuer, ist mit solcher Anschau¬
lichkeit beschrieben, daß man sogleich eine deutliche Vorstellung von den unend¬
lichen Belästigungen gewinnt, die mit diesen Arten, den Staatssäckel zu füllen,
verbunden sind. Manche überraschende Einzelheit, an die der politische Oekonom
kaum glauben möchte, tritt aus dieser Darstellung der Steuerverfassung zu
Tage. Der gute Glaube, die Zwangs- und Bannrechte seien eine verschollene
Mittelalterliche Ueberlieferung, wird bisweilen gar sehr enttäuscht. Man stellt
sich gewöhnlich vor, daß mit der steinschen Einführung der Gewerbefreiheit jene
Neste der ökonomischen Barbarei nun auch völlig vertilgt seien. Ein Volks-
^irthschafter, dem man heute sagte, daß der ihm zunächst wohnende Müller
noch eine Art Bannrecht gegen das Publicum besitze, d. h. ein Privilegium
habe, alles Korn in seiner Gegend zu mahlen, würde ungläubig den Kopf
schütteln; und dennoch existirt ein solches Zwangsrecht im Verwaltungswege.
Kein Korn darf zur Mühle gebracht werden, ohne von einem Mahlerlaubni߬
schein des Steueramts begleitet zu sein, und dieser Schein, so heißt es in der
gesetzlichen Bestimmung, wird der Regel nach nur auf die Mühlen des Ortes
und der Gegend ausgestellt. Nur der Finanzminister kann hiervon eine Aus¬
nahme zulassen. Aus denselben Gründen, aus welchen diese Beschränkung statt¬
hat, wird auch die Errichtung von Mühlen, die durch Thier-, Wasser- oder
Dampfkraft getrieben werden sollen, an die specielle Genehmigung des Mini¬
steriums geknüpft. — Der eben erwähnte Zug volkswirtschaftlicher Naivetät,
welche die Ortsmühlen im Wege der Steuerverwaltung beschützt und dem Pu¬
blikum vorschreibt, wo es sein Korn mahlen lassen soll, dürfte nur noch in der
Verwaltung des Salzmonopols Seinesgleiches finden.

Die jetzt wieder wichtiger gewordene Polizeicompetenz sowie die Armen-
pflege wird eingehend erörtert. Auch findet sich ein Capitel über die städtische
Vvlkswirthschaftspflege, aus welchem man freilich nur lernen kann, wie dürftig
°s mit dem Einfluß des städtischen Regiments nach dieser Richtung hin bestellt
'se- Doch möchte auch hier selbst in den engen Grenzen, welche das bestehende
^chi zieht, manchmal eine erhebliche Einwirkung möglich sein. So ist es z. B.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/437>, abgerufen am 23.07.2024.