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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Werken durch eine gewisse bunte Mischung der Gesetzesworte und des eigenen
Stiles der Verfasser nicht grade ästhetisch berührt wird, erfreut hier die fließende
Stetigkeit des Tons und Sinnes. Gewohnt, das eigentliche Ergebniß sonst
erst selbst aus den Anführungen der Gesetzesstellen und aus den Andeutungen
der Schriftsteller combiniren und construiren zu müssen und wohl gar das
eigentliche Urtheil zu Hilfe zu rufen, wo es den Darstellern rathsam erschienen
ist, sich die Mühe des Urtheilens durch mufivische Komposition von Gesetzes-
stellcn zu ersparen, -- wird man in der That sehr erfreulich überrascht, in der
vorliegenden Schrift eine durchweg selbständige Fassung der Gedanken anzutreffen.
Diese Eigenschaft ist nicht nur ein großer Vorzug für die Gemeinverständlich¬
keit und allgemeine Brauchbarkeit eines nicht blos für den Juristen bestimmten
Buches, sondern ist auch an sich selbst betrachtet ein wissenschaftlicher Fortschritt,
weicher Nachahmung verdient. Nur auf diese Weise kann eine gewisse Naive¬
tät und klare Durchsichtigkeit der Darstellung erreicht und der Leser in den
Stand gesetzt werden, stets die eigentliche Meinung des Schreibenden aufzufassen.

Auch hinsichtlich der materiellen Ausführung der Hauptabtheilungen des Ge-
sammtstoffs ist eine höchst sorgfältige Oekonomie anzuerkennen. Die ganze Schrift
zerfällt in vier Theile, von denen der erste sehr gedrängt eine geschichtliche Einlei¬
tung und die allgemeinen Lehren (literarischen Apparat und dergleichen), der zweite
ebenfalls in möglichst knapper Darstellung das Verfassungsrecht, der dritte mit
einer alle übrigen Theile der Schrift überwiegenden Ausführlichkeit das bisher so
sehr vernachlässigte Verwaltungsrecht, und endlich der vierte die äußern Verhältnisse
der Städte zum Staate und seinen verschiedenen Hoheitsrechten mit einer eben¬
falls dem Gegenstande sehr angemessenen Kürze abhandelt. Der Schwerpunkt
der ganzen Darstellung fällt, wie gesagt, nicht in das Vcrfassungs-, sondern in
das Verwaltungsrecht, und in diesem ist wiederum das Capitel vom Stadt¬
haushalt mit dem der praktischen Erheblichkeit des Gegenstandes gebührenden
Raume bedacht. Wie das Staatsbudget den Mittelpunkt der constitutionellen
Functionen abgiebt, so bietet der Stadthaushalt die meisten Anknüpfungs¬
punkte für ein regsames Gcmeindeleben dar. In ihm concentriren sich die
verschiedenartigsten Interessen, und grade in seiner Behandlung werden auch
die principiellen Fragen am merklichsten. Die Politik hängt sich gegenwärtig
mit Recht gern an wirthschaftliche Punkte und setzt sich, wie ja für das allge¬
meine Staatsrecht seit Jahrhunderten üblich ist, auf dem Wege ihres indirecten
Einflusses auf die Finanzen nach allen Richtungen durch.

Für die Genauigkeit und Gemeinverständlichkeit, mit welcher in der übrigens
juristisch ziemlich verwickelten Lehre von der Stadtverfassung die wichtigsten
Punkte ausgeführt werden, mag hier ein charakteristisches Beispiel Platz finden.
Ich erinnere mich nicht, in irgendeiner Darstellung des allgemein staatlichen
Dreiclassenwahlrechts eine solche Deutlichkeit angetroffen zu haben, wie sie sich


Werken durch eine gewisse bunte Mischung der Gesetzesworte und des eigenen
Stiles der Verfasser nicht grade ästhetisch berührt wird, erfreut hier die fließende
Stetigkeit des Tons und Sinnes. Gewohnt, das eigentliche Ergebniß sonst
erst selbst aus den Anführungen der Gesetzesstellen und aus den Andeutungen
der Schriftsteller combiniren und construiren zu müssen und wohl gar das
eigentliche Urtheil zu Hilfe zu rufen, wo es den Darstellern rathsam erschienen
ist, sich die Mühe des Urtheilens durch mufivische Komposition von Gesetzes-
stellcn zu ersparen, — wird man in der That sehr erfreulich überrascht, in der
vorliegenden Schrift eine durchweg selbständige Fassung der Gedanken anzutreffen.
Diese Eigenschaft ist nicht nur ein großer Vorzug für die Gemeinverständlich¬
keit und allgemeine Brauchbarkeit eines nicht blos für den Juristen bestimmten
Buches, sondern ist auch an sich selbst betrachtet ein wissenschaftlicher Fortschritt,
weicher Nachahmung verdient. Nur auf diese Weise kann eine gewisse Naive¬
tät und klare Durchsichtigkeit der Darstellung erreicht und der Leser in den
Stand gesetzt werden, stets die eigentliche Meinung des Schreibenden aufzufassen.

Auch hinsichtlich der materiellen Ausführung der Hauptabtheilungen des Ge-
sammtstoffs ist eine höchst sorgfältige Oekonomie anzuerkennen. Die ganze Schrift
zerfällt in vier Theile, von denen der erste sehr gedrängt eine geschichtliche Einlei¬
tung und die allgemeinen Lehren (literarischen Apparat und dergleichen), der zweite
ebenfalls in möglichst knapper Darstellung das Verfassungsrecht, der dritte mit
einer alle übrigen Theile der Schrift überwiegenden Ausführlichkeit das bisher so
sehr vernachlässigte Verwaltungsrecht, und endlich der vierte die äußern Verhältnisse
der Städte zum Staate und seinen verschiedenen Hoheitsrechten mit einer eben¬
falls dem Gegenstande sehr angemessenen Kürze abhandelt. Der Schwerpunkt
der ganzen Darstellung fällt, wie gesagt, nicht in das Vcrfassungs-, sondern in
das Verwaltungsrecht, und in diesem ist wiederum das Capitel vom Stadt¬
haushalt mit dem der praktischen Erheblichkeit des Gegenstandes gebührenden
Raume bedacht. Wie das Staatsbudget den Mittelpunkt der constitutionellen
Functionen abgiebt, so bietet der Stadthaushalt die meisten Anknüpfungs¬
punkte für ein regsames Gcmeindeleben dar. In ihm concentriren sich die
verschiedenartigsten Interessen, und grade in seiner Behandlung werden auch
die principiellen Fragen am merklichsten. Die Politik hängt sich gegenwärtig
mit Recht gern an wirthschaftliche Punkte und setzt sich, wie ja für das allge¬
meine Staatsrecht seit Jahrhunderten üblich ist, auf dem Wege ihres indirecten
Einflusses auf die Finanzen nach allen Richtungen durch.

Für die Genauigkeit und Gemeinverständlichkeit, mit welcher in der übrigens
juristisch ziemlich verwickelten Lehre von der Stadtverfassung die wichtigsten
Punkte ausgeführt werden, mag hier ein charakteristisches Beispiel Platz finden.
Ich erinnere mich nicht, in irgendeiner Darstellung des allgemein staatlichen
Dreiclassenwahlrechts eine solche Deutlichkeit angetroffen zu haben, wie sie sich


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[0434] Werken durch eine gewisse bunte Mischung der Gesetzesworte und des eigenen Stiles der Verfasser nicht grade ästhetisch berührt wird, erfreut hier die fließende Stetigkeit des Tons und Sinnes. Gewohnt, das eigentliche Ergebniß sonst erst selbst aus den Anführungen der Gesetzesstellen und aus den Andeutungen der Schriftsteller combiniren und construiren zu müssen und wohl gar das eigentliche Urtheil zu Hilfe zu rufen, wo es den Darstellern rathsam erschienen ist, sich die Mühe des Urtheilens durch mufivische Komposition von Gesetzes- stellcn zu ersparen, — wird man in der That sehr erfreulich überrascht, in der vorliegenden Schrift eine durchweg selbständige Fassung der Gedanken anzutreffen. Diese Eigenschaft ist nicht nur ein großer Vorzug für die Gemeinverständlich¬ keit und allgemeine Brauchbarkeit eines nicht blos für den Juristen bestimmten Buches, sondern ist auch an sich selbst betrachtet ein wissenschaftlicher Fortschritt, weicher Nachahmung verdient. Nur auf diese Weise kann eine gewisse Naive¬ tät und klare Durchsichtigkeit der Darstellung erreicht und der Leser in den Stand gesetzt werden, stets die eigentliche Meinung des Schreibenden aufzufassen. Auch hinsichtlich der materiellen Ausführung der Hauptabtheilungen des Ge- sammtstoffs ist eine höchst sorgfältige Oekonomie anzuerkennen. Die ganze Schrift zerfällt in vier Theile, von denen der erste sehr gedrängt eine geschichtliche Einlei¬ tung und die allgemeinen Lehren (literarischen Apparat und dergleichen), der zweite ebenfalls in möglichst knapper Darstellung das Verfassungsrecht, der dritte mit einer alle übrigen Theile der Schrift überwiegenden Ausführlichkeit das bisher so sehr vernachlässigte Verwaltungsrecht, und endlich der vierte die äußern Verhältnisse der Städte zum Staate und seinen verschiedenen Hoheitsrechten mit einer eben¬ falls dem Gegenstande sehr angemessenen Kürze abhandelt. Der Schwerpunkt der ganzen Darstellung fällt, wie gesagt, nicht in das Vcrfassungs-, sondern in das Verwaltungsrecht, und in diesem ist wiederum das Capitel vom Stadt¬ haushalt mit dem der praktischen Erheblichkeit des Gegenstandes gebührenden Raume bedacht. Wie das Staatsbudget den Mittelpunkt der constitutionellen Functionen abgiebt, so bietet der Stadthaushalt die meisten Anknüpfungs¬ punkte für ein regsames Gcmeindeleben dar. In ihm concentriren sich die verschiedenartigsten Interessen, und grade in seiner Behandlung werden auch die principiellen Fragen am merklichsten. Die Politik hängt sich gegenwärtig mit Recht gern an wirthschaftliche Punkte und setzt sich, wie ja für das allge¬ meine Staatsrecht seit Jahrhunderten üblich ist, auf dem Wege ihres indirecten Einflusses auf die Finanzen nach allen Richtungen durch. Für die Genauigkeit und Gemeinverständlichkeit, mit welcher in der übrigens juristisch ziemlich verwickelten Lehre von der Stadtverfassung die wichtigsten Punkte ausgeführt werden, mag hier ein charakteristisches Beispiel Platz finden. Ich erinnere mich nicht, in irgendeiner Darstellung des allgemein staatlichen Dreiclassenwahlrechts eine solche Deutlichkeit angetroffen zu haben, wie sie sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/434>, abgerufen am 23.07.2024.