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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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die wirthschaftliche Befreiung von der übermächtigen Anziehungskraft der
großen Mittelpunkte mit sich.

Die bisherige Betrachtung läßt uns ebenso die Berechtigung als die
Schwierigkeit einer Ausgabe begreifen, wie sie durch das Werk, auf das
wir oben hingewiesen haben, wirklich gelöst worden ist. Wie man sich auch
zu dem bestehenden Rechte verhalten möge, eine einfache und klare Darstellung
desselben muß in jedem Falle erwünscht sein. Auch möchte die Wichtig'
keit der Leistung durch die voraussichtlichen Chancen der bestehenden Zu¬
stände nicht beeinträchtigt werden. Müssen wir uns noch lange unter den
gegenwärtigen Rechtsverhältnissen hinschleppen, so werden wir einen besonnenen
Führer in dem Labyrinth der Detailbestimmungen, an dem es bis jetzt fehlte,
willkommen zu heißen haben. Sollten dagegen die Aussichten einer gründlichen
Reform wachsen, so muß eine unparteiische Darstellung zu einem höchst
schätzbaren Anhaltspunkt der dann um so dringender gebotenen Orienti-
rungen werden. Das Möllersche Buch vereinigt in einem mäßigen Bande
alles, was für den bei den Angelegenheiten der preußischen Städte direct oder
indirect Betheiligten an Nechtsvestimmung en erheblich werden kann. Sein
nächster Zweck ist ein praknscher; es will offenbar jedermann in den Stand
setzen, die rechtlichen Verhältnisse der Städte in einer solchen Genauigkeit zu
übersehen, daß er, falls er bctheiligter Beamter ist, für die einzelnen Functionen
durchgängig mit Gesetzeskenntniß ausgestattet wird. Man würde jedoch fehl¬
greifen, wenn man die uns vorliegende Schrift zu jenen Elaboraten rechnen
wollte, die einzig und allein dazu bestimmt sind, einem praktischen Bedürfniß
abzuhelfen. Allerdings füllt das Buch des Herrn v. Möller eine Lücke der
praktischen Nechtsliteratur aus; aber es thut noch viel mehr. Es stellt durch
seine eigenthümliche Art der Darstellung für die fragliche Literaturgattnng einen
edleren Typus auf; es trägt das Gepräge einer Kunst, die bei uns bis jetzt
noch nicht sonderlich geübt wird. Mit dem Charakter des praktischen Hand¬
buchs vereinigt es den einer echt wissenschaftlichen Arbeit. Schon der Titel,
der, wie wir hervorheben müssen, nicht "Städterecht" sondern "Stadtrecht"
lautet, verräth dem Sachkenner, daß es hier auf eine wissenschaftliche Ein¬
heit der verschiedenen Städteordnungen abgesehen ist. Die übliche Aus¬
fassung erlaubt bis jetzt noch nicht, im politischen Sinne von einem Stadt¬
recht zu reden. Der Gedanke des Juristen richtet sich bei diesem Worte un¬
willkürlich auf die alten Reste privatrechtlicher Ueberlieferungen. Man denkt,
wenn gegenwärtig von einem Stadtrecht die Rede ist, etwa an ganz particuläre
Erbordnungen, die sich aus den städtischen Gewohnheiten oder sogenannten
Willküren herschreiben, und bedient sich zur Bezeichnung des Inbegriffs der
Verfassungs- und Vcrwaltungsnormen noch mit gutem Grunde des Ausdrucks
"Städterecht". Der Verfasser eines preußischen Stadtrechtes mußte beinahe


die wirthschaftliche Befreiung von der übermächtigen Anziehungskraft der
großen Mittelpunkte mit sich.

Die bisherige Betrachtung läßt uns ebenso die Berechtigung als die
Schwierigkeit einer Ausgabe begreifen, wie sie durch das Werk, auf das
wir oben hingewiesen haben, wirklich gelöst worden ist. Wie man sich auch
zu dem bestehenden Rechte verhalten möge, eine einfache und klare Darstellung
desselben muß in jedem Falle erwünscht sein. Auch möchte die Wichtig'
keit der Leistung durch die voraussichtlichen Chancen der bestehenden Zu¬
stände nicht beeinträchtigt werden. Müssen wir uns noch lange unter den
gegenwärtigen Rechtsverhältnissen hinschleppen, so werden wir einen besonnenen
Führer in dem Labyrinth der Detailbestimmungen, an dem es bis jetzt fehlte,
willkommen zu heißen haben. Sollten dagegen die Aussichten einer gründlichen
Reform wachsen, so muß eine unparteiische Darstellung zu einem höchst
schätzbaren Anhaltspunkt der dann um so dringender gebotenen Orienti-
rungen werden. Das Möllersche Buch vereinigt in einem mäßigen Bande
alles, was für den bei den Angelegenheiten der preußischen Städte direct oder
indirect Betheiligten an Nechtsvestimmung en erheblich werden kann. Sein
nächster Zweck ist ein praknscher; es will offenbar jedermann in den Stand
setzen, die rechtlichen Verhältnisse der Städte in einer solchen Genauigkeit zu
übersehen, daß er, falls er bctheiligter Beamter ist, für die einzelnen Functionen
durchgängig mit Gesetzeskenntniß ausgestattet wird. Man würde jedoch fehl¬
greifen, wenn man die uns vorliegende Schrift zu jenen Elaboraten rechnen
wollte, die einzig und allein dazu bestimmt sind, einem praktischen Bedürfniß
abzuhelfen. Allerdings füllt das Buch des Herrn v. Möller eine Lücke der
praktischen Nechtsliteratur aus; aber es thut noch viel mehr. Es stellt durch
seine eigenthümliche Art der Darstellung für die fragliche Literaturgattnng einen
edleren Typus auf; es trägt das Gepräge einer Kunst, die bei uns bis jetzt
noch nicht sonderlich geübt wird. Mit dem Charakter des praktischen Hand¬
buchs vereinigt es den einer echt wissenschaftlichen Arbeit. Schon der Titel,
der, wie wir hervorheben müssen, nicht „Städterecht" sondern „Stadtrecht"
lautet, verräth dem Sachkenner, daß es hier auf eine wissenschaftliche Ein¬
heit der verschiedenen Städteordnungen abgesehen ist. Die übliche Aus¬
fassung erlaubt bis jetzt noch nicht, im politischen Sinne von einem Stadt¬
recht zu reden. Der Gedanke des Juristen richtet sich bei diesem Worte un¬
willkürlich auf die alten Reste privatrechtlicher Ueberlieferungen. Man denkt,
wenn gegenwärtig von einem Stadtrecht die Rede ist, etwa an ganz particuläre
Erbordnungen, die sich aus den städtischen Gewohnheiten oder sogenannten
Willküren herschreiben, und bedient sich zur Bezeichnung des Inbegriffs der
Verfassungs- und Vcrwaltungsnormen noch mit gutem Grunde des Ausdrucks
„Städterecht". Der Verfasser eines preußischen Stadtrechtes mußte beinahe


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/430>, abgerufen am 23.07.2024.