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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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das Gleichgewicht Europas das Dasein einer starken Macht im Südoste" des
Continents erfordert, als daß man die Auflösung der Monarchie wünschen
könnte; nur Rücksichten der Selbsterhaltung würden Preußen zu einer Politik
bestimmen können, die dem Bestände des Kaiserstaates gefährlich wäre.

Auch in den leitenden Kreisen des östreichischen Staates kann man sich
noch nicht dazu entschließen, das zu thun, was die Lage der Dinge gebieterisch
fordert. Wohl scheint man von den Vortheilen, von der verhältnißmäßigen
Sicherheit, die das preußische Bündniß gewährt, überzeugt zu sein. Man möchte
aber diese Vortheile genießen, ohne ein Opfer dafür zu bringen, ohne sich den
Bedingungen zu unterwerfen, deren offene Annahme allein ein derartiges Bünd-
niß möglich macht. Hält Oestreich an seiner alten Maxime fest, in jeder Erwei¬
terung des preußischen Machtbereiches (wir sprechen nicht von einer eigentlichen
Gebietsvergrößerung) eine Schmälerung der östreichischen Macht zu sehen, so
bleibt ihm allerdings nichts übrig, als die Wiederaufnahme seiner alten deut¬
schen Politik. Daß durch diese Wendung aber das Bündniß mit Preußen so
gut wie gesprengt ist, kann man sich doch in Wien nicht verhehlen. Ebenso
wenig darf man daran zweifeln, daß in diesem Falle die Rivalität mit Preußen
einen weit bitterem Charakter, als sie je vorher gehabt hat. annehmen würde,
und daß dieselbe auf lange Zeit alle Kräfte des Staates absorbiren, ihn von
der Heilung seiner inneren Schäden ablenken und bei jeder entscheidenden Wen¬
dung in den südeuropäischen Angelegenheiten den allerernstesten Gefahren aus¬
setzen müßte. Eine entschiedene Wiederaufnahme der traditionellen deutschen
Politik wäre ein ebenso entschiedener Bruch mit den inneren Regcnerations-
besirebungen, deren Erfolge wesentlich von der äußeren Sicherheit des Staates
abhängig sind, wie diese wiederum ihre beste Bürgschaft in dem guten Einver¬
nehmen mit Preußen findet.

Wenn man nun aber hofft, in Frankreich einen Stützpunkt für die alte
antipreußische Bundespolitik zu finden, so ist allerdings zuzugestehen, daß Frank¬
reich ein natürliches Interesse hat, der vordringenden Politik Preußens, die bei
weiteren Erfolgen zu einer außerordentlichen Stärkung der deutschen Macht führen
wüßte, entgegenzuarbeiten und also für den Augenblick Oestreich und die Würz¬
burger zu begünstigen. Daß es aber dessenungeachtet mit der Solidität einer
östreichisch-französischen Allianz sehr schlecht bestellt sein würde, davon muß ein
B Z. lick auf die italienischen Verhältnisse Jeden überzeugen.




Grenzboten I. 18ö5.49

das Gleichgewicht Europas das Dasein einer starken Macht im Südoste» des
Continents erfordert, als daß man die Auflösung der Monarchie wünschen
könnte; nur Rücksichten der Selbsterhaltung würden Preußen zu einer Politik
bestimmen können, die dem Bestände des Kaiserstaates gefährlich wäre.

Auch in den leitenden Kreisen des östreichischen Staates kann man sich
noch nicht dazu entschließen, das zu thun, was die Lage der Dinge gebieterisch
fordert. Wohl scheint man von den Vortheilen, von der verhältnißmäßigen
Sicherheit, die das preußische Bündniß gewährt, überzeugt zu sein. Man möchte
aber diese Vortheile genießen, ohne ein Opfer dafür zu bringen, ohne sich den
Bedingungen zu unterwerfen, deren offene Annahme allein ein derartiges Bünd-
niß möglich macht. Hält Oestreich an seiner alten Maxime fest, in jeder Erwei¬
terung des preußischen Machtbereiches (wir sprechen nicht von einer eigentlichen
Gebietsvergrößerung) eine Schmälerung der östreichischen Macht zu sehen, so
bleibt ihm allerdings nichts übrig, als die Wiederaufnahme seiner alten deut¬
schen Politik. Daß durch diese Wendung aber das Bündniß mit Preußen so
gut wie gesprengt ist, kann man sich doch in Wien nicht verhehlen. Ebenso
wenig darf man daran zweifeln, daß in diesem Falle die Rivalität mit Preußen
einen weit bitterem Charakter, als sie je vorher gehabt hat. annehmen würde,
und daß dieselbe auf lange Zeit alle Kräfte des Staates absorbiren, ihn von
der Heilung seiner inneren Schäden ablenken und bei jeder entscheidenden Wen¬
dung in den südeuropäischen Angelegenheiten den allerernstesten Gefahren aus¬
setzen müßte. Eine entschiedene Wiederaufnahme der traditionellen deutschen
Politik wäre ein ebenso entschiedener Bruch mit den inneren Regcnerations-
besirebungen, deren Erfolge wesentlich von der äußeren Sicherheit des Staates
abhängig sind, wie diese wiederum ihre beste Bürgschaft in dem guten Einver¬
nehmen mit Preußen findet.

Wenn man nun aber hofft, in Frankreich einen Stützpunkt für die alte
antipreußische Bundespolitik zu finden, so ist allerdings zuzugestehen, daß Frank¬
reich ein natürliches Interesse hat, der vordringenden Politik Preußens, die bei
weiteren Erfolgen zu einer außerordentlichen Stärkung der deutschen Macht führen
wüßte, entgegenzuarbeiten und also für den Augenblick Oestreich und die Würz¬
burger zu begünstigen. Daß es aber dessenungeachtet mit der Solidität einer
östreichisch-französischen Allianz sehr schlecht bestellt sein würde, davon muß ein
B Z. lick auf die italienischen Verhältnisse Jeden überzeugen.




Grenzboten I. 18ö5.49
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[0409] das Gleichgewicht Europas das Dasein einer starken Macht im Südoste» des Continents erfordert, als daß man die Auflösung der Monarchie wünschen könnte; nur Rücksichten der Selbsterhaltung würden Preußen zu einer Politik bestimmen können, die dem Bestände des Kaiserstaates gefährlich wäre. Auch in den leitenden Kreisen des östreichischen Staates kann man sich noch nicht dazu entschließen, das zu thun, was die Lage der Dinge gebieterisch fordert. Wohl scheint man von den Vortheilen, von der verhältnißmäßigen Sicherheit, die das preußische Bündniß gewährt, überzeugt zu sein. Man möchte aber diese Vortheile genießen, ohne ein Opfer dafür zu bringen, ohne sich den Bedingungen zu unterwerfen, deren offene Annahme allein ein derartiges Bünd- niß möglich macht. Hält Oestreich an seiner alten Maxime fest, in jeder Erwei¬ terung des preußischen Machtbereiches (wir sprechen nicht von einer eigentlichen Gebietsvergrößerung) eine Schmälerung der östreichischen Macht zu sehen, so bleibt ihm allerdings nichts übrig, als die Wiederaufnahme seiner alten deut¬ schen Politik. Daß durch diese Wendung aber das Bündniß mit Preußen so gut wie gesprengt ist, kann man sich doch in Wien nicht verhehlen. Ebenso wenig darf man daran zweifeln, daß in diesem Falle die Rivalität mit Preußen einen weit bitterem Charakter, als sie je vorher gehabt hat. annehmen würde, und daß dieselbe auf lange Zeit alle Kräfte des Staates absorbiren, ihn von der Heilung seiner inneren Schäden ablenken und bei jeder entscheidenden Wen¬ dung in den südeuropäischen Angelegenheiten den allerernstesten Gefahren aus¬ setzen müßte. Eine entschiedene Wiederaufnahme der traditionellen deutschen Politik wäre ein ebenso entschiedener Bruch mit den inneren Regcnerations- besirebungen, deren Erfolge wesentlich von der äußeren Sicherheit des Staates abhängig sind, wie diese wiederum ihre beste Bürgschaft in dem guten Einver¬ nehmen mit Preußen findet. Wenn man nun aber hofft, in Frankreich einen Stützpunkt für die alte antipreußische Bundespolitik zu finden, so ist allerdings zuzugestehen, daß Frank¬ reich ein natürliches Interesse hat, der vordringenden Politik Preußens, die bei weiteren Erfolgen zu einer außerordentlichen Stärkung der deutschen Macht führen wüßte, entgegenzuarbeiten und also für den Augenblick Oestreich und die Würz¬ burger zu begünstigen. Daß es aber dessenungeachtet mit der Solidität einer östreichisch-französischen Allianz sehr schlecht bestellt sein würde, davon muß ein B Z. lick auf die italienischen Verhältnisse Jeden überzeugen. Grenzboten I. 18ö5.49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/409>, abgerufen am 23.07.2024.