Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

älteren Mitglieder der Facultät auszeichnete. Es war als wenn eine lange
mühsam darnieder gehaltene Gährung sich Luft machte. Wiggcrs sah sich
zu der Erklärung genöthigt, daß er, solchen Aggressionen gegenüber, es seiner
Würde allein entsprechend finde, auf ein weiteres Votum in der Angelegen¬
heit zu verzichten. Diese fortgesetzten Kränkungen und Reibungen, welchen
der alte Wiggers nach einer langen, bisher unter ganz anderen Verhält¬
nissen verlaufenen Wirksamkeit sich ausgesetzt sah, lasteten auf ihm sehr schwer
und ließen es ihn wiederholt bedauern, daß er durch sein damals schon den
Siebzigern nahe rückendes Lebensalter genöthigt war, auf den Gedanken an die
Aufsuchung eines neuen Wirkungskreises außerhalb Mecklenburgs zu verzichten.
Sonst mit seinen Empfindungen sehr zurückhaltend und nicht zu Klagen geneigt,
brach er doch einmal -- es war im Mai des Jahres 1843 -- unter dem Druck
der ihn umgebenden Verhältnisse gegen einen Vertrauten in die Worte aus:
"Ich preise jeden glücklich, dem es gelingt, einen Ausweg aus diesem Jammer"
lande zu finden, und wenn ich dazu nicht zu alt wäre, so möchte auch ich
noch den mecklenburgischen Dienst mit einem fremden vertauschen." Bis zu
solcher Stimmung hatte die fromme Partei in der kurzen Zeit ihrer Einwir¬
kung auf die Universität einen Mann gebracht, der ein Mecklenburger von Ge¬
burt, ein treuer Anhänger des Bestehenden in Kirche und Staat, ein mit war¬
mer Hingebung seinem Fürstenhause und seinem Berufe dienender Gelehrter,
von Friedlich Franz dem Ersten mit hohem Vertrauen und persönlichem Wohl¬
wollen beehrt, ein Mann von fleckenloser Reinheit des Charakters, jetzt, am
Ende einer vierzigjährigen akademischen Wirksamkeit an der vaterländischen
Universität seine treue und rastlose Arbeit mit Undank und Beleidigungen
belohnt sah.

Schliemann, an dessen Habilitation sich diese ärgerlichen Vorfälle knüpf¬
ten, war nur anderthalb Jahre als theologischer Privatdocent thätig. Er er¬
kannte dann, daß er an eine unrechte Stelle gerathen sei und daI ihm das
Studium der Rechte mehr zusage als das der Theologie. Drei Jahre später
habilitirte er sich als Privatdocent in der juristischen Facultät und ging darauf
in den Justizdienst über. Hofmann verließ Rostock im Jahre 1846. Es wird
ihm seitdem klar geworden sein, daß er damals an der Seite Krabbes und
KliefothS nicht den rechten Platz einnahm; wenigstens haben sich seine Wege
in kirchlicher wie in politischer Beziehung von seinen damaligen Parteigenossen
weit genug getrennt und diejenigen, für welche er zu jener Zeit kämpfte, stehen
ihm jetzt als Gegner gegenüber und verketzern seine Theologie wie seine Poli¬
tik. Etwas friedlicher gestalteten sich die Verhältnisse nach dem Eintritt von
Hofmanns Nachfolger, Franz Delitzsch, in die Facultät, welcher er von Ostern
1846 bis Michaelis 1850 angehörte, und selbst zwischen Wiggers und Krabbe
bahnte sich im weiteren Verlauf der Jahre ein anderes Verhältniß an. In


älteren Mitglieder der Facultät auszeichnete. Es war als wenn eine lange
mühsam darnieder gehaltene Gährung sich Luft machte. Wiggcrs sah sich
zu der Erklärung genöthigt, daß er, solchen Aggressionen gegenüber, es seiner
Würde allein entsprechend finde, auf ein weiteres Votum in der Angelegen¬
heit zu verzichten. Diese fortgesetzten Kränkungen und Reibungen, welchen
der alte Wiggers nach einer langen, bisher unter ganz anderen Verhält¬
nissen verlaufenen Wirksamkeit sich ausgesetzt sah, lasteten auf ihm sehr schwer
und ließen es ihn wiederholt bedauern, daß er durch sein damals schon den
Siebzigern nahe rückendes Lebensalter genöthigt war, auf den Gedanken an die
Aufsuchung eines neuen Wirkungskreises außerhalb Mecklenburgs zu verzichten.
Sonst mit seinen Empfindungen sehr zurückhaltend und nicht zu Klagen geneigt,
brach er doch einmal — es war im Mai des Jahres 1843 — unter dem Druck
der ihn umgebenden Verhältnisse gegen einen Vertrauten in die Worte aus:
„Ich preise jeden glücklich, dem es gelingt, einen Ausweg aus diesem Jammer«
lande zu finden, und wenn ich dazu nicht zu alt wäre, so möchte auch ich
noch den mecklenburgischen Dienst mit einem fremden vertauschen." Bis zu
solcher Stimmung hatte die fromme Partei in der kurzen Zeit ihrer Einwir¬
kung auf die Universität einen Mann gebracht, der ein Mecklenburger von Ge¬
burt, ein treuer Anhänger des Bestehenden in Kirche und Staat, ein mit war¬
mer Hingebung seinem Fürstenhause und seinem Berufe dienender Gelehrter,
von Friedlich Franz dem Ersten mit hohem Vertrauen und persönlichem Wohl¬
wollen beehrt, ein Mann von fleckenloser Reinheit des Charakters, jetzt, am
Ende einer vierzigjährigen akademischen Wirksamkeit an der vaterländischen
Universität seine treue und rastlose Arbeit mit Undank und Beleidigungen
belohnt sah.

Schliemann, an dessen Habilitation sich diese ärgerlichen Vorfälle knüpf¬
ten, war nur anderthalb Jahre als theologischer Privatdocent thätig. Er er¬
kannte dann, daß er an eine unrechte Stelle gerathen sei und daI ihm das
Studium der Rechte mehr zusage als das der Theologie. Drei Jahre später
habilitirte er sich als Privatdocent in der juristischen Facultät und ging darauf
in den Justizdienst über. Hofmann verließ Rostock im Jahre 1846. Es wird
ihm seitdem klar geworden sein, daß er damals an der Seite Krabbes und
KliefothS nicht den rechten Platz einnahm; wenigstens haben sich seine Wege
in kirchlicher wie in politischer Beziehung von seinen damaligen Parteigenossen
weit genug getrennt und diejenigen, für welche er zu jener Zeit kämpfte, stehen
ihm jetzt als Gegner gegenüber und verketzern seine Theologie wie seine Poli¬
tik. Etwas friedlicher gestalteten sich die Verhältnisse nach dem Eintritt von
Hofmanns Nachfolger, Franz Delitzsch, in die Facultät, welcher er von Ostern
1846 bis Michaelis 1850 angehörte, und selbst zwischen Wiggers und Krabbe
bahnte sich im weiteren Verlauf der Jahre ein anderes Verhältniß an. In


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0396" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282637"/>
          <p xml:id="ID_1092" prev="#ID_1091"> älteren Mitglieder der Facultät auszeichnete. Es war als wenn eine lange<lb/>
mühsam darnieder gehaltene Gährung sich Luft machte. Wiggcrs sah sich<lb/>
zu der Erklärung genöthigt, daß er, solchen Aggressionen gegenüber, es seiner<lb/>
Würde allein entsprechend finde, auf ein weiteres Votum in der Angelegen¬<lb/>
heit zu verzichten. Diese fortgesetzten Kränkungen und Reibungen, welchen<lb/>
der alte Wiggers nach einer langen, bisher unter ganz anderen Verhält¬<lb/>
nissen verlaufenen Wirksamkeit sich ausgesetzt sah, lasteten auf ihm sehr schwer<lb/>
und ließen es ihn wiederholt bedauern, daß er durch sein damals schon den<lb/>
Siebzigern nahe rückendes Lebensalter genöthigt war, auf den Gedanken an die<lb/>
Aufsuchung eines neuen Wirkungskreises außerhalb Mecklenburgs zu verzichten.<lb/>
Sonst mit seinen Empfindungen sehr zurückhaltend und nicht zu Klagen geneigt,<lb/>
brach er doch einmal &#x2014; es war im Mai des Jahres 1843 &#x2014; unter dem Druck<lb/>
der ihn umgebenden Verhältnisse gegen einen Vertrauten in die Worte aus:<lb/>
&#x201E;Ich preise jeden glücklich, dem es gelingt, einen Ausweg aus diesem Jammer«<lb/>
lande zu finden, und wenn ich dazu nicht zu alt wäre, so möchte auch ich<lb/>
noch den mecklenburgischen Dienst mit einem fremden vertauschen." Bis zu<lb/>
solcher Stimmung hatte die fromme Partei in der kurzen Zeit ihrer Einwir¬<lb/>
kung auf die Universität einen Mann gebracht, der ein Mecklenburger von Ge¬<lb/>
burt, ein treuer Anhänger des Bestehenden in Kirche und Staat, ein mit war¬<lb/>
mer Hingebung seinem Fürstenhause und seinem Berufe dienender Gelehrter,<lb/>
von Friedlich Franz dem Ersten mit hohem Vertrauen und persönlichem Wohl¬<lb/>
wollen beehrt, ein Mann von fleckenloser Reinheit des Charakters, jetzt, am<lb/>
Ende einer vierzigjährigen akademischen Wirksamkeit an der vaterländischen<lb/>
Universität seine treue und rastlose Arbeit mit Undank und Beleidigungen<lb/>
belohnt sah.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1093" next="#ID_1094"> Schliemann, an dessen Habilitation sich diese ärgerlichen Vorfälle knüpf¬<lb/>
ten, war nur anderthalb Jahre als theologischer Privatdocent thätig. Er er¬<lb/>
kannte dann, daß er an eine unrechte Stelle gerathen sei und daI ihm das<lb/>
Studium der Rechte mehr zusage als das der Theologie. Drei Jahre später<lb/>
habilitirte er sich als Privatdocent in der juristischen Facultät und ging darauf<lb/>
in den Justizdienst über. Hofmann verließ Rostock im Jahre 1846. Es wird<lb/>
ihm seitdem klar geworden sein, daß er damals an der Seite Krabbes und<lb/>
KliefothS nicht den rechten Platz einnahm; wenigstens haben sich seine Wege<lb/>
in kirchlicher wie in politischer Beziehung von seinen damaligen Parteigenossen<lb/>
weit genug getrennt und diejenigen, für welche er zu jener Zeit kämpfte, stehen<lb/>
ihm jetzt als Gegner gegenüber und verketzern seine Theologie wie seine Poli¬<lb/>
tik. Etwas friedlicher gestalteten sich die Verhältnisse nach dem Eintritt von<lb/>
Hofmanns Nachfolger, Franz Delitzsch, in die Facultät, welcher er von Ostern<lb/>
1846 bis Michaelis 1850 angehörte, und selbst zwischen Wiggers und Krabbe<lb/>
bahnte sich im weiteren Verlauf der Jahre ein anderes Verhältniß an. In</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0396] älteren Mitglieder der Facultät auszeichnete. Es war als wenn eine lange mühsam darnieder gehaltene Gährung sich Luft machte. Wiggcrs sah sich zu der Erklärung genöthigt, daß er, solchen Aggressionen gegenüber, es seiner Würde allein entsprechend finde, auf ein weiteres Votum in der Angelegen¬ heit zu verzichten. Diese fortgesetzten Kränkungen und Reibungen, welchen der alte Wiggers nach einer langen, bisher unter ganz anderen Verhält¬ nissen verlaufenen Wirksamkeit sich ausgesetzt sah, lasteten auf ihm sehr schwer und ließen es ihn wiederholt bedauern, daß er durch sein damals schon den Siebzigern nahe rückendes Lebensalter genöthigt war, auf den Gedanken an die Aufsuchung eines neuen Wirkungskreises außerhalb Mecklenburgs zu verzichten. Sonst mit seinen Empfindungen sehr zurückhaltend und nicht zu Klagen geneigt, brach er doch einmal — es war im Mai des Jahres 1843 — unter dem Druck der ihn umgebenden Verhältnisse gegen einen Vertrauten in die Worte aus: „Ich preise jeden glücklich, dem es gelingt, einen Ausweg aus diesem Jammer« lande zu finden, und wenn ich dazu nicht zu alt wäre, so möchte auch ich noch den mecklenburgischen Dienst mit einem fremden vertauschen." Bis zu solcher Stimmung hatte die fromme Partei in der kurzen Zeit ihrer Einwir¬ kung auf die Universität einen Mann gebracht, der ein Mecklenburger von Ge¬ burt, ein treuer Anhänger des Bestehenden in Kirche und Staat, ein mit war¬ mer Hingebung seinem Fürstenhause und seinem Berufe dienender Gelehrter, von Friedlich Franz dem Ersten mit hohem Vertrauen und persönlichem Wohl¬ wollen beehrt, ein Mann von fleckenloser Reinheit des Charakters, jetzt, am Ende einer vierzigjährigen akademischen Wirksamkeit an der vaterländischen Universität seine treue und rastlose Arbeit mit Undank und Beleidigungen belohnt sah. Schliemann, an dessen Habilitation sich diese ärgerlichen Vorfälle knüpf¬ ten, war nur anderthalb Jahre als theologischer Privatdocent thätig. Er er¬ kannte dann, daß er an eine unrechte Stelle gerathen sei und daI ihm das Studium der Rechte mehr zusage als das der Theologie. Drei Jahre später habilitirte er sich als Privatdocent in der juristischen Facultät und ging darauf in den Justizdienst über. Hofmann verließ Rostock im Jahre 1846. Es wird ihm seitdem klar geworden sein, daß er damals an der Seite Krabbes und KliefothS nicht den rechten Platz einnahm; wenigstens haben sich seine Wege in kirchlicher wie in politischer Beziehung von seinen damaligen Parteigenossen weit genug getrennt und diejenigen, für welche er zu jener Zeit kämpfte, stehen ihm jetzt als Gegner gegenüber und verketzern seine Theologie wie seine Poli¬ tik. Etwas friedlicher gestalteten sich die Verhältnisse nach dem Eintritt von Hofmanns Nachfolger, Franz Delitzsch, in die Facultät, welcher er von Ostern 1846 bis Michaelis 1850 angehörte, und selbst zwischen Wiggers und Krabbe bahnte sich im weiteren Verlauf der Jahre ein anderes Verhältniß an. In

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/396
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/396>, abgerufen am 23.07.2024.