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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Habitus. demnächst in symbolisch-orthodoxer Rüstung auftretende kirchliche Partei
bei der Universität sich einführte. Die in dem strempelschen Votum aufgehäuften
Beleidigungen bewogen die Facultät, bei der Landesregierung Ms Ertheilung
eines Verweises an dessen Verfasser anzutragen. Ein Negierungsrcscript suchte
die aufgeregten Gemüther zu beruhigen und den Frieden wieder herzustellen.
Die Acten wurden später versiegelt im Universitätsarchiv niedergelegt, um die
Sache möglichst der Vergessenheit zu übergeben. Da aber hierdurch der Streit
mehr gewaltsam erstickt als gründlich ciusgetragcn ward, so half diese Ver¬
siegelung nicht viel. Der Funke glimmte Weiler und entzündete sich im Laufe
der folgenden Jahre bei jedem Anlaß zu neuer Flamme. Um Michaelis 1840
erschien, von der Regierung berufen, ohne von der Facultät vorgeschlagen zu
sein, der Professor Otto Carsten Krabbe, bis dahin Professor der biblischen
Philologie am akademischen Gymnasium in Hamburg, nicht sowohl um die er¬
ledigte Professur der alttestamentlichen Exegese auszufüllen, als um die noch
nicht erledigte der Kirchengeschichte und der praktischen Theologie besser zu ver¬
sehen. als dies nach Ansicht der zur Herrschaft strebenden Partei durch Wiggers
geschah. Krabbe wurde zugleich als Universitätsprediger und neben Wiggers
als Mitdircctor des homiletisch-katechetischen Seminars angestellt. Er führte
sich dadurch in Rostock ein, daß er im Lectionsvcrzeichniß dieselbe Vorlesung
mit Wiggers (den ersten Theil der Kirchengeschichte) zu derselben Tagesstunde
ankündigte.

Im Jahre 1841 folgte Hävernick einem Rufe nach Königsberg und
Fritzsche ging nach Gießen. Fritzsches Nachfolger, den aber wiederum die
Facultät nicht vorgeschlagen hatte, war J..CHr. K. Hofmann, welcher um
Michaelis 1842 von Erlangen kam und drei Jahre später dorthin zurückging.
Inzwischen hatte Krabbe ein Antrittsprogramm "ac tLwxoiÄli ex nilrilo
ereationv" herausgegeben, welches von Julius Wiggers, einem Sohne von
Gustav Friedrich Wiggers, der seit dem Jahre 1837 Privatdocent und seit dem
Jahre 1840 titulärer außerordentlicher Professor in der theologischen Facultät
war, in einer besondern Schrift einer scharfen Kritik unterzogen ward, welche
den Nachweis zu führen suchte, daß die in Krabbe reprcisentirte theologische
Richtung weder den Forderungen der Wissenschaft noch den Interessen der Kirche
Genüge leiste. Es entspann sich hieraus ein Streitschriftenwechsel zwischen
Julius Wiggers und Krabbe, an welchem sich im weiteren Verlauf auch
Hofmann als Vertheidiger Krabbes betheiligte. Die Verhältnisse innerhalb
der Facultät gestalteten sich durch dies alles nur noch trüber. Neuen Anlaß
zu Mißhelligkeiten boten die Verhandlungen über die an den Candidaten der
Theologie Schliemann, der sich als Privatdocent niederlassen und zu diesem
Zwecke die Würde eines Licentiaten erwerben wollte, zu stellenden Forderungen,
Wobei sich namentlich Hofmann durch unprovocirte Beleidigungen der beiden


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Habitus. demnächst in symbolisch-orthodoxer Rüstung auftretende kirchliche Partei
bei der Universität sich einführte. Die in dem strempelschen Votum aufgehäuften
Beleidigungen bewogen die Facultät, bei der Landesregierung Ms Ertheilung
eines Verweises an dessen Verfasser anzutragen. Ein Negierungsrcscript suchte
die aufgeregten Gemüther zu beruhigen und den Frieden wieder herzustellen.
Die Acten wurden später versiegelt im Universitätsarchiv niedergelegt, um die
Sache möglichst der Vergessenheit zu übergeben. Da aber hierdurch der Streit
mehr gewaltsam erstickt als gründlich ciusgetragcn ward, so half diese Ver¬
siegelung nicht viel. Der Funke glimmte Weiler und entzündete sich im Laufe
der folgenden Jahre bei jedem Anlaß zu neuer Flamme. Um Michaelis 1840
erschien, von der Regierung berufen, ohne von der Facultät vorgeschlagen zu
sein, der Professor Otto Carsten Krabbe, bis dahin Professor der biblischen
Philologie am akademischen Gymnasium in Hamburg, nicht sowohl um die er¬
ledigte Professur der alttestamentlichen Exegese auszufüllen, als um die noch
nicht erledigte der Kirchengeschichte und der praktischen Theologie besser zu ver¬
sehen. als dies nach Ansicht der zur Herrschaft strebenden Partei durch Wiggers
geschah. Krabbe wurde zugleich als Universitätsprediger und neben Wiggers
als Mitdircctor des homiletisch-katechetischen Seminars angestellt. Er führte
sich dadurch in Rostock ein, daß er im Lectionsvcrzeichniß dieselbe Vorlesung
mit Wiggers (den ersten Theil der Kirchengeschichte) zu derselben Tagesstunde
ankündigte.

Im Jahre 1841 folgte Hävernick einem Rufe nach Königsberg und
Fritzsche ging nach Gießen. Fritzsches Nachfolger, den aber wiederum die
Facultät nicht vorgeschlagen hatte, war J..CHr. K. Hofmann, welcher um
Michaelis 1842 von Erlangen kam und drei Jahre später dorthin zurückging.
Inzwischen hatte Krabbe ein Antrittsprogramm „ac tLwxoiÄli ex nilrilo
ereationv" herausgegeben, welches von Julius Wiggers, einem Sohne von
Gustav Friedrich Wiggers, der seit dem Jahre 1837 Privatdocent und seit dem
Jahre 1840 titulärer außerordentlicher Professor in der theologischen Facultät
war, in einer besondern Schrift einer scharfen Kritik unterzogen ward, welche
den Nachweis zu führen suchte, daß die in Krabbe reprcisentirte theologische
Richtung weder den Forderungen der Wissenschaft noch den Interessen der Kirche
Genüge leiste. Es entspann sich hieraus ein Streitschriftenwechsel zwischen
Julius Wiggers und Krabbe, an welchem sich im weiteren Verlauf auch
Hofmann als Vertheidiger Krabbes betheiligte. Die Verhältnisse innerhalb
der Facultät gestalteten sich durch dies alles nur noch trüber. Neuen Anlaß
zu Mißhelligkeiten boten die Verhandlungen über die an den Candidaten der
Theologie Schliemann, der sich als Privatdocent niederlassen und zu diesem
Zwecke die Würde eines Licentiaten erwerben wollte, zu stellenden Forderungen,
Wobei sich namentlich Hofmann durch unprovocirte Beleidigungen der beiden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/395>, abgerufen am 23.07.2024.