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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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versieht. Bei seinem funfzigjährigen Jubiläum am 28. Aug. 1860 ward er durch Ver¬
leihung der goldenen Verdienstmedaille, sowie durch den Geheimrathstitel geehrt.

Herr v. Both zeichnet sich durch ein bedeutendes Organisationstalent,
Geschäftsgewanbthcit, Arbeitskraft und durch unermüdlichen Eifer für das
seiner Sorge anvertraute Institut aus. Sein Charakter mag etwas Schwan¬
kendes haben, wie dies denn auch verschiedene Wandlungen in seinen poli¬
tischen und kirchlichen Anschauungen, sowie seine büreaukratische Unerschütter¬
lichkeit im Amt unter den entgegengesetztesten Regierungssystemen bezeugen;
er mag auch an einiger Eitelkeit leiden und z. B. mitunter von fremden Ge¬
danken in einer Weise Gebrauch gemacht haben, welche geeignet war, die
unbegründete Annahme zu erwecken, daß er eigene Gedanken vorführe; aber
Eines wird ihm stets zum Ruhme gereichen, das ist die Beharrlichkeit und
der Ernst, mit welchen er auch unter schwierigen und widerwärtigen Um¬
ständen den Interessen der Universität zu dienen bemüht war. Sein Wir¬
kungskreis als Vicekanzler besteht darin, daß er, ohne eine eigentliche Zwischen¬
instanz zwischen der Universität und der obersten Regierungsbehörde zu bilden,
ein fürsorgcndes. berathendes und begutachtendes Organ für die Universitäts-
angelegenheiten ist. In dieser Stellung hat er sich der Regierung gegenüber
stets als ein eifriger Anwalt der Hochschule benommen, namentlich wo es
sich um Erwirkung von Geldmitteln handelte. In dem Zeitraum vor dem
Jahre 1848 bestand das Negierungscollegium zum größten Theil aus Männern,
welche der höheren wissenschaftlichen Bildung entbehrten und daher die Bedeutung
einer Universität für das Land nicht zu würdigen wußten. Die Bestrebungen
der Regierungsbehörde für die Universität gingen daher wesentlich von dem
Gesichtspunkt aus, daß dieselbe ein nothwendiges Uebel sei, welchem man
zwar einstweilen noch einige Opfer bringen, dessen man sich aber bei pas¬
sender Gelegenheit zu entledigen suchen müsse. Diese Art von Regierungs¬
männern schätzte die Wissenschaft gering, weil sie nichts .neues erfinde und
keinen unmittelbaren Ertrag abwerfe, vielmehr der Regicrungskasse nur Opfer
auferlege, und bemaß hiernach den Werth der Hochschule für das Land. Diese
Geringschätzung der Wissenschaft führte denn auch zu ganz verkehrten Urtheilen
über die erforderlichen Eigenschaften eines Universitätslehrers. Man hielt es
für genügend, daß er, ohne eigene Theilnahme, an dem weiteren Ausbau der
Wissenschaft gleichsam nur als Repetent wirke und die von Anderen gewonnenen
wissenschaftlichen Ergebnisse mit seinen Zuhörern durchgehe. Einer der Haupt¬
träger solcher Anschauungen und Grundsätze war der Regierungsrath Ku aude,
ein früherer Bürgermeister, zu dessen Lieblingsgedanken die gänzliche Aufhebung
der Universität und ihr Ersatz durch eine landwirthschaftliche oder polytechnische
Lehranstalt gehörte. Später fand dieser Plan auch selbst innerhalb der Ab¬
geordnetenkammer und hier namentlich in dem jetzigen Geh. Ministerialrath


versieht. Bei seinem funfzigjährigen Jubiläum am 28. Aug. 1860 ward er durch Ver¬
leihung der goldenen Verdienstmedaille, sowie durch den Geheimrathstitel geehrt.

Herr v. Both zeichnet sich durch ein bedeutendes Organisationstalent,
Geschäftsgewanbthcit, Arbeitskraft und durch unermüdlichen Eifer für das
seiner Sorge anvertraute Institut aus. Sein Charakter mag etwas Schwan¬
kendes haben, wie dies denn auch verschiedene Wandlungen in seinen poli¬
tischen und kirchlichen Anschauungen, sowie seine büreaukratische Unerschütter¬
lichkeit im Amt unter den entgegengesetztesten Regierungssystemen bezeugen;
er mag auch an einiger Eitelkeit leiden und z. B. mitunter von fremden Ge¬
danken in einer Weise Gebrauch gemacht haben, welche geeignet war, die
unbegründete Annahme zu erwecken, daß er eigene Gedanken vorführe; aber
Eines wird ihm stets zum Ruhme gereichen, das ist die Beharrlichkeit und
der Ernst, mit welchen er auch unter schwierigen und widerwärtigen Um¬
ständen den Interessen der Universität zu dienen bemüht war. Sein Wir¬
kungskreis als Vicekanzler besteht darin, daß er, ohne eine eigentliche Zwischen¬
instanz zwischen der Universität und der obersten Regierungsbehörde zu bilden,
ein fürsorgcndes. berathendes und begutachtendes Organ für die Universitäts-
angelegenheiten ist. In dieser Stellung hat er sich der Regierung gegenüber
stets als ein eifriger Anwalt der Hochschule benommen, namentlich wo es
sich um Erwirkung von Geldmitteln handelte. In dem Zeitraum vor dem
Jahre 1848 bestand das Negierungscollegium zum größten Theil aus Männern,
welche der höheren wissenschaftlichen Bildung entbehrten und daher die Bedeutung
einer Universität für das Land nicht zu würdigen wußten. Die Bestrebungen
der Regierungsbehörde für die Universität gingen daher wesentlich von dem
Gesichtspunkt aus, daß dieselbe ein nothwendiges Uebel sei, welchem man
zwar einstweilen noch einige Opfer bringen, dessen man sich aber bei pas¬
sender Gelegenheit zu entledigen suchen müsse. Diese Art von Regierungs¬
männern schätzte die Wissenschaft gering, weil sie nichts .neues erfinde und
keinen unmittelbaren Ertrag abwerfe, vielmehr der Regicrungskasse nur Opfer
auferlege, und bemaß hiernach den Werth der Hochschule für das Land. Diese
Geringschätzung der Wissenschaft führte denn auch zu ganz verkehrten Urtheilen
über die erforderlichen Eigenschaften eines Universitätslehrers. Man hielt es
für genügend, daß er, ohne eigene Theilnahme, an dem weiteren Ausbau der
Wissenschaft gleichsam nur als Repetent wirke und die von Anderen gewonnenen
wissenschaftlichen Ergebnisse mit seinen Zuhörern durchgehe. Einer der Haupt¬
träger solcher Anschauungen und Grundsätze war der Regierungsrath Ku aude,
ein früherer Bürgermeister, zu dessen Lieblingsgedanken die gänzliche Aufhebung
der Universität und ihr Ersatz durch eine landwirthschaftliche oder polytechnische
Lehranstalt gehörte. Später fand dieser Plan auch selbst innerhalb der Ab¬
geordnetenkammer und hier namentlich in dem jetzigen Geh. Ministerialrath


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/390>, abgerufen am 23.07.2024.