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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Schos von Schwerin. Zur Dotation überwiesen die Herzöge dem rostocker Rath
ein Capital, welches jährlich 800 Goldgulden Rente trug, und die Stadt Ro¬
stock versprach, jährlich eine ebenso große Summe hinzuzufügen.

Die Studirenden stürmten gleich im ersten Jahre aus Mecklenburg und
aus dem ganzen übrigen Norddeutschland, später auch aus den skandinavi¬
schen Reichen, in großer Anzahl herbei. Der erste Rector, Peter Stenbete,
immatriculirte im ersten Halbjahre 160, im zweiten wurden von seinem Nach¬
folger 209 immatriculirt. Die Durchschnittszahl der Studirenden stieg bald
aus 600.

Im Jahre 1431 ertheilte Papst Eugenius der Vierte seine Einwilligung
zur Errichtung einer theologischen Facultät -- "zur Befestigung des orthodoxen
Glaubens" --, so daß von dieser Zeit an alle Zweige der Wissenschaft ein'der
jungen Lehranstalt vertreten waren.

Die Einrichtung der Universität war unter dem vermittelnden Einflüsse von
Prag, Köln und Erfurt der pariser Universität nachgebildet; doch fehlte die
Eintheilung in Nationen. Die Universität war eine einheitliche Corporation,
welche die allseitige Gerichtsbarkeit über ihre Mitglieder, das Recht der Statuten-
gebung in vollster Selbständigkeit und das unbeschränkte Recht der Berufung
der Lehrer besaß. Erst anderthalb Jahrhunderte nach der Stiftung nahm unter
veränderten Verhältnissen dieses Selbstergänzungsrecht ein Ende, indem die Be¬
setzung der Lehrstühle auf die Herzöge und den Rath überging.

Das zu Basel versammelte Kirchenconcil belegte im Jahre 1436 die
Stadt Rostock, weil sie sich dem Ausspruche des Concils wegen Wiederein¬
setzung der geächteten Bürgermeister nicht unterwerfen wollte, sondern an
den Papst appellirte, mit Bann und Interdict, und befahl der Universität,
die Stadt zu verlassen. Diese zögerte anfangs; erst als sie selbst vom
Concil mit dem Banne bedroht wurde, entschloß sie sich zur Auswande¬
rung und verlegte (im März 1437) ihren Sitz nach Greifswald. Nachdem im
Jahre 1439 die Ruhe in Rostock hergestellt und der Bann zurückgenommen war,
suchte sie ihre Rückkehr sogleich zu bewirken, stieß aber jetzt bei dem rostocker
Rath auf unerwartete Schwierigkeiten und vermochte erst Ende April 1443,
unter Verzicht auf die städtische Dotation, sich wieder in Rostock zu installiren.
Einige in Greifswald zurückgebliebene Professoren bildeten demnächst einen
Theil des Lehrerpersonals der dort gegründeten und am 17. Oct. 1456 eröffne¬
ten Hochschule.

Ein halbes Jahrhundert später führte die von den mecklenburgischen Her¬
zögen Magnus und Balthasar beabsichtigte Errichtung eines Domherrnstifts zu
Rostock, dessen Präbenden zur Besoldung in den Ruhestand tretender Professoren
dienen sollten, zu mehrjährigen bürgerlichen Unruhen, in deren Folge die Stadt
Von Neuem dem Kirchenbann verfiel (1487). Die Universität mußte zum zweiten


Schos von Schwerin. Zur Dotation überwiesen die Herzöge dem rostocker Rath
ein Capital, welches jährlich 800 Goldgulden Rente trug, und die Stadt Ro¬
stock versprach, jährlich eine ebenso große Summe hinzuzufügen.

Die Studirenden stürmten gleich im ersten Jahre aus Mecklenburg und
aus dem ganzen übrigen Norddeutschland, später auch aus den skandinavi¬
schen Reichen, in großer Anzahl herbei. Der erste Rector, Peter Stenbete,
immatriculirte im ersten Halbjahre 160, im zweiten wurden von seinem Nach¬
folger 209 immatriculirt. Die Durchschnittszahl der Studirenden stieg bald
aus 600.

Im Jahre 1431 ertheilte Papst Eugenius der Vierte seine Einwilligung
zur Errichtung einer theologischen Facultät — „zur Befestigung des orthodoxen
Glaubens" —, so daß von dieser Zeit an alle Zweige der Wissenschaft ein'der
jungen Lehranstalt vertreten waren.

Die Einrichtung der Universität war unter dem vermittelnden Einflüsse von
Prag, Köln und Erfurt der pariser Universität nachgebildet; doch fehlte die
Eintheilung in Nationen. Die Universität war eine einheitliche Corporation,
welche die allseitige Gerichtsbarkeit über ihre Mitglieder, das Recht der Statuten-
gebung in vollster Selbständigkeit und das unbeschränkte Recht der Berufung
der Lehrer besaß. Erst anderthalb Jahrhunderte nach der Stiftung nahm unter
veränderten Verhältnissen dieses Selbstergänzungsrecht ein Ende, indem die Be¬
setzung der Lehrstühle auf die Herzöge und den Rath überging.

Das zu Basel versammelte Kirchenconcil belegte im Jahre 1436 die
Stadt Rostock, weil sie sich dem Ausspruche des Concils wegen Wiederein¬
setzung der geächteten Bürgermeister nicht unterwerfen wollte, sondern an
den Papst appellirte, mit Bann und Interdict, und befahl der Universität,
die Stadt zu verlassen. Diese zögerte anfangs; erst als sie selbst vom
Concil mit dem Banne bedroht wurde, entschloß sie sich zur Auswande¬
rung und verlegte (im März 1437) ihren Sitz nach Greifswald. Nachdem im
Jahre 1439 die Ruhe in Rostock hergestellt und der Bann zurückgenommen war,
suchte sie ihre Rückkehr sogleich zu bewirken, stieß aber jetzt bei dem rostocker
Rath auf unerwartete Schwierigkeiten und vermochte erst Ende April 1443,
unter Verzicht auf die städtische Dotation, sich wieder in Rostock zu installiren.
Einige in Greifswald zurückgebliebene Professoren bildeten demnächst einen
Theil des Lehrerpersonals der dort gegründeten und am 17. Oct. 1456 eröffne¬
ten Hochschule.

Ein halbes Jahrhundert später führte die von den mecklenburgischen Her¬
zögen Magnus und Balthasar beabsichtigte Errichtung eines Domherrnstifts zu
Rostock, dessen Präbenden zur Besoldung in den Ruhestand tretender Professoren
dienen sollten, zu mehrjährigen bürgerlichen Unruhen, in deren Folge die Stadt
Von Neuem dem Kirchenbann verfiel (1487). Die Universität mußte zum zweiten


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[0386] Schos von Schwerin. Zur Dotation überwiesen die Herzöge dem rostocker Rath ein Capital, welches jährlich 800 Goldgulden Rente trug, und die Stadt Ro¬ stock versprach, jährlich eine ebenso große Summe hinzuzufügen. Die Studirenden stürmten gleich im ersten Jahre aus Mecklenburg und aus dem ganzen übrigen Norddeutschland, später auch aus den skandinavi¬ schen Reichen, in großer Anzahl herbei. Der erste Rector, Peter Stenbete, immatriculirte im ersten Halbjahre 160, im zweiten wurden von seinem Nach¬ folger 209 immatriculirt. Die Durchschnittszahl der Studirenden stieg bald aus 600. Im Jahre 1431 ertheilte Papst Eugenius der Vierte seine Einwilligung zur Errichtung einer theologischen Facultät — „zur Befestigung des orthodoxen Glaubens" —, so daß von dieser Zeit an alle Zweige der Wissenschaft ein'der jungen Lehranstalt vertreten waren. Die Einrichtung der Universität war unter dem vermittelnden Einflüsse von Prag, Köln und Erfurt der pariser Universität nachgebildet; doch fehlte die Eintheilung in Nationen. Die Universität war eine einheitliche Corporation, welche die allseitige Gerichtsbarkeit über ihre Mitglieder, das Recht der Statuten- gebung in vollster Selbständigkeit und das unbeschränkte Recht der Berufung der Lehrer besaß. Erst anderthalb Jahrhunderte nach der Stiftung nahm unter veränderten Verhältnissen dieses Selbstergänzungsrecht ein Ende, indem die Be¬ setzung der Lehrstühle auf die Herzöge und den Rath überging. Das zu Basel versammelte Kirchenconcil belegte im Jahre 1436 die Stadt Rostock, weil sie sich dem Ausspruche des Concils wegen Wiederein¬ setzung der geächteten Bürgermeister nicht unterwerfen wollte, sondern an den Papst appellirte, mit Bann und Interdict, und befahl der Universität, die Stadt zu verlassen. Diese zögerte anfangs; erst als sie selbst vom Concil mit dem Banne bedroht wurde, entschloß sie sich zur Auswande¬ rung und verlegte (im März 1437) ihren Sitz nach Greifswald. Nachdem im Jahre 1439 die Ruhe in Rostock hergestellt und der Bann zurückgenommen war, suchte sie ihre Rückkehr sogleich zu bewirken, stieß aber jetzt bei dem rostocker Rath auf unerwartete Schwierigkeiten und vermochte erst Ende April 1443, unter Verzicht auf die städtische Dotation, sich wieder in Rostock zu installiren. Einige in Greifswald zurückgebliebene Professoren bildeten demnächst einen Theil des Lehrerpersonals der dort gegründeten und am 17. Oct. 1456 eröffne¬ ten Hochschule. Ein halbes Jahrhundert später führte die von den mecklenburgischen Her¬ zögen Magnus und Balthasar beabsichtigte Errichtung eines Domherrnstifts zu Rostock, dessen Präbenden zur Besoldung in den Ruhestand tretender Professoren dienen sollten, zu mehrjährigen bürgerlichen Unruhen, in deren Folge die Stadt Von Neuem dem Kirchenbann verfiel (1487). Die Universität mußte zum zweiten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/386>, abgerufen am 23.07.2024.