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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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wann begründet hatte und an die Spitze der Geschäfte trat, gewährte das
Schicksal Gneisenau in gleichem Alter zum ersten Mal die Gelegenheit die
Fülle seiner Eigenschaften überhaupt zur Geltung zu bringen. -- Sein leichter
Sinn allein hatte ihm, trotz all der kleinen Nöthen, die ihn bis dahin gequält
und die wir in ihrer charakteristischen Auffassung eben vermissen, die nothwen¬
dige Sprungkraft erhalten, um sich noch hervorzustbwingen. In dem ersten
Gefecht 1806 bei Saalfeld war es Gneisenau vergönnt, seine Compagnie als
ebenbürtige Gegner der knegsgewohnten Franzosen zu zeigen und persönlich
Erfolge zu erlangen; er wurde am Bein verwundet und das zu seinem Glück,
denn er kam dadurch von der Truppe los und zum Stäbe des Feldherrn,
wachte so die Schlacht bei Jena mit und bekam Aufträge, welche ihn von
all den schmachvollen Capitulationen fern hielten, die jenen unglücklichen
Schlachten folgten. Er kam nach Ostpreußen. aber statt in den Reihen der
dort sich neu bildenden, dem preußischen Namen wieder Ehre machenden kleinen
Macht einen entsprechenden Platz zu finden, wurde er zwar Major, mußte
aber an die lithauisch-russische Grenze und dort Rekruten ausbilden. Erst
'M März 1807 mit seinen Truppen zur Verstärkung von Danzig berufen,
passirte er das königliche Hoflager zu einer Zeit, wo dort im wahren Sinn
des Worts Noth an Mann war. Die brillante äußere Erscheinung, die
Sicherheit seines Urtheils und Benehmens, die von Saalfeld her noch frischen
Lorbeeren ließen rasch in ihm den Offizier erkennen, der gerade jetzt gesucht
wurde, ein neuer Commandant für das in höchster Gefahr schwebende und für
die Erhaltung von Hinterpommern so wichtige Colberg. Am 29. April über-
nahm Gneisenau die Vertheidigung dieser Festung und entwickelte vom ersten
Augenblick an eine Sicherheit des Befehls, eine Kenntniß seiner Stellung, eine
Gabe der Herrschaft über Stadt und Land, ein Erfassen der großen politischen
Verhältnisse, eine persönliche Ausdauer und Allgegenwart und dabei eine Kühn.
h"t in der Anlage und Durchführung seiner Gefechte, welche vereinten Eigen-
schasten es allein möglich machten, eine bis dahin in Bau. Ausrüstung und Ver-
proviontirung ganz vernachlässigte Festung gegen einen siegreichen, in allen Rich¬
tungen viel überlegenen Gegner glücklich zu behaupten. Die Vertheidigung von
Colberg war der einzige volle und glorreiche Sieg, den Preußen im Kriege 1806---7
w'arg und es liegt darin die große Bedeutung, welche Gneisenau 1807 für
Konig und Land gewann. Nach dem Frieden wurde Gneisenau zur Reorgani¬
sationscommission berufen und trat hier in Verbindung zu Stein indem er mit
als erstes Mittel zur Wiedererhebung des Staats die freie Entwicklung der
Persönlichkeit in Volk und Heer cttannte. Aber Gneisenau sowohl als Stein
stießen bei dem Neubau nach diesen Grundsätzen auf den Widerstand der trotz
""er Noth und Schmach noch herrschenden alten egoistischen Elemente. Stein
'uußte zuerst den Intriguen derselben weichen, Gneisenau hatte für seinen


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wann begründet hatte und an die Spitze der Geschäfte trat, gewährte das
Schicksal Gneisenau in gleichem Alter zum ersten Mal die Gelegenheit die
Fülle seiner Eigenschaften überhaupt zur Geltung zu bringen. — Sein leichter
Sinn allein hatte ihm, trotz all der kleinen Nöthen, die ihn bis dahin gequält
und die wir in ihrer charakteristischen Auffassung eben vermissen, die nothwen¬
dige Sprungkraft erhalten, um sich noch hervorzustbwingen. In dem ersten
Gefecht 1806 bei Saalfeld war es Gneisenau vergönnt, seine Compagnie als
ebenbürtige Gegner der knegsgewohnten Franzosen zu zeigen und persönlich
Erfolge zu erlangen; er wurde am Bein verwundet und das zu seinem Glück,
denn er kam dadurch von der Truppe los und zum Stäbe des Feldherrn,
wachte so die Schlacht bei Jena mit und bekam Aufträge, welche ihn von
all den schmachvollen Capitulationen fern hielten, die jenen unglücklichen
Schlachten folgten. Er kam nach Ostpreußen. aber statt in den Reihen der
dort sich neu bildenden, dem preußischen Namen wieder Ehre machenden kleinen
Macht einen entsprechenden Platz zu finden, wurde er zwar Major, mußte
aber an die lithauisch-russische Grenze und dort Rekruten ausbilden. Erst
'M März 1807 mit seinen Truppen zur Verstärkung von Danzig berufen,
passirte er das königliche Hoflager zu einer Zeit, wo dort im wahren Sinn
des Worts Noth an Mann war. Die brillante äußere Erscheinung, die
Sicherheit seines Urtheils und Benehmens, die von Saalfeld her noch frischen
Lorbeeren ließen rasch in ihm den Offizier erkennen, der gerade jetzt gesucht
wurde, ein neuer Commandant für das in höchster Gefahr schwebende und für
die Erhaltung von Hinterpommern so wichtige Colberg. Am 29. April über-
nahm Gneisenau die Vertheidigung dieser Festung und entwickelte vom ersten
Augenblick an eine Sicherheit des Befehls, eine Kenntniß seiner Stellung, eine
Gabe der Herrschaft über Stadt und Land, ein Erfassen der großen politischen
Verhältnisse, eine persönliche Ausdauer und Allgegenwart und dabei eine Kühn.
h«t in der Anlage und Durchführung seiner Gefechte, welche vereinten Eigen-
schasten es allein möglich machten, eine bis dahin in Bau. Ausrüstung und Ver-
proviontirung ganz vernachlässigte Festung gegen einen siegreichen, in allen Rich¬
tungen viel überlegenen Gegner glücklich zu behaupten. Die Vertheidigung von
Colberg war der einzige volle und glorreiche Sieg, den Preußen im Kriege 1806—-7
w'arg und es liegt darin die große Bedeutung, welche Gneisenau 1807 für
Konig und Land gewann. Nach dem Frieden wurde Gneisenau zur Reorgani¬
sationscommission berufen und trat hier in Verbindung zu Stein indem er mit
als erstes Mittel zur Wiedererhebung des Staats die freie Entwicklung der
Persönlichkeit in Volk und Heer cttannte. Aber Gneisenau sowohl als Stein
stießen bei dem Neubau nach diesen Grundsätzen auf den Widerstand der trotz
""er Noth und Schmach noch herrschenden alten egoistischen Elemente. Stein
'uußte zuerst den Intriguen derselben weichen, Gneisenau hatte für seinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/377>, abgerufen am 23.07.2024.