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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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gekommenen nahmen sich im ersten Anfall der Scham, des Aergers und der
Verzweiflung das Leben. Und zu einer andern Zeit, vielleicht schon am nächsten
Tage konnte der König wieder leutselig, ja heiter sein und mit der größten
Geduld Fehler bessern und Jnstructionen ertheilen.

So sagte er z. B. einstmals bei Abhaltung der Schulmanöver zu einem
Offizier, der bei der Nähe des Monarchen befangen war und sich übereilte, wo¬
durch auch seine Leute angesteckt wurden: "Uebereile Er sich nur nicht, dann
wirds schon besser gehen; lasse Er den Leuten nur Zeit!" Und nach einer
Weile: "So, so, Bursche! So ists recht!"

So war der große König in seinen Launen, die mit dem Alter mehr und
mehr zunahmen, bald gefürchtet wie der Böse, bald verehrt wie ein Abgott.
Große Lichter werfen eben auch große Schatten! --

War Friedrich ein Feind aller .Lustlager und überhaupt unnöthigen Ge¬
pränges, so liebten dergleichen viele seiner gekrönten Herren Collegen um so
mehr. Wie man vorher dem Pracht- und machtliebenden vierzehnten Ludwig
auf Frankreichs Thron nachahmte, öfter nachäffte, so gab jetzt in Vielem,
namentlich was das Armeewesen anlangte, der Preußenkönig den Ton an.
Da man aber nicht mit dessen Geiste begabt war, so ließ man das Gute
und Nützliche bei Seite liegen und hielt sich mehr an das Kleinliche, Flache
und Bestechende. Nach Lust und Genuß jagend, suchte man auch im Gebiete
des ernsten Mars Ergötzen mit dem kriegerisch Jmponirenden zu vereinigen
und so dem großen Sybariten Ludwig und dem großen Feldherrn Friedrich
zugleich zu huldigen. So entstanden denn aus den Uebungsiagern, die als
Schule für einen kommenden Krieg und als Uebung und Abhärtung der
Führer gelten sollten, die sogenannten Lustlager, mit denen man so ziemlich
das Gegentheil erzielte.

Wie alles bei Hofe einen festlichen und pomphaften Anstrich haben mußte
so auch hier. Wie man mit wilder Lust auf den Parforcejagden die Thiere
matt oder zu Tode hetzte, so in diesen Lagern die Menschen, denn ein Mensch
hatte sür einen Herrscher ost weniger Werth, als ein stattliches Roß oder
ein guter Leithund, -- für die Thiere wurde bei der Erwerbung meist doppelt
und dreifach mehr bezahlt, als für einen angeworbenen Mann.

Die Blüthe der Lustlager war in der Mitte des vorigen Jahrhunderts
namentlich in Sachsen, Hessen und Würtemberg zu suchen. Der galante und
splendide König und Kurfürst, der mehr körperlich als geistig starke August, war
Meister in allen großartigen festlichen Arrangements und so übertrafen auch
seine Lustlagcr an Ueppigkeit und Glanz alles bisher Erlebte.

In einer sonst wenig belebten aber freundlichen Gegend entstand plötzlich wie
mit einem Zauberschlage ein buntes, rühriges Leben. Eine kleine Stadt von
Wohnungen,'Theatern, Sälen, Küchen, Stallungen und anderen Bauten wuchs


gekommenen nahmen sich im ersten Anfall der Scham, des Aergers und der
Verzweiflung das Leben. Und zu einer andern Zeit, vielleicht schon am nächsten
Tage konnte der König wieder leutselig, ja heiter sein und mit der größten
Geduld Fehler bessern und Jnstructionen ertheilen.

So sagte er z. B. einstmals bei Abhaltung der Schulmanöver zu einem
Offizier, der bei der Nähe des Monarchen befangen war und sich übereilte, wo¬
durch auch seine Leute angesteckt wurden: „Uebereile Er sich nur nicht, dann
wirds schon besser gehen; lasse Er den Leuten nur Zeit!" Und nach einer
Weile: „So, so, Bursche! So ists recht!"

So war der große König in seinen Launen, die mit dem Alter mehr und
mehr zunahmen, bald gefürchtet wie der Böse, bald verehrt wie ein Abgott.
Große Lichter werfen eben auch große Schatten! —

War Friedrich ein Feind aller .Lustlager und überhaupt unnöthigen Ge¬
pränges, so liebten dergleichen viele seiner gekrönten Herren Collegen um so
mehr. Wie man vorher dem Pracht- und machtliebenden vierzehnten Ludwig
auf Frankreichs Thron nachahmte, öfter nachäffte, so gab jetzt in Vielem,
namentlich was das Armeewesen anlangte, der Preußenkönig den Ton an.
Da man aber nicht mit dessen Geiste begabt war, so ließ man das Gute
und Nützliche bei Seite liegen und hielt sich mehr an das Kleinliche, Flache
und Bestechende. Nach Lust und Genuß jagend, suchte man auch im Gebiete
des ernsten Mars Ergötzen mit dem kriegerisch Jmponirenden zu vereinigen
und so dem großen Sybariten Ludwig und dem großen Feldherrn Friedrich
zugleich zu huldigen. So entstanden denn aus den Uebungsiagern, die als
Schule für einen kommenden Krieg und als Uebung und Abhärtung der
Führer gelten sollten, die sogenannten Lustlager, mit denen man so ziemlich
das Gegentheil erzielte.

Wie alles bei Hofe einen festlichen und pomphaften Anstrich haben mußte
so auch hier. Wie man mit wilder Lust auf den Parforcejagden die Thiere
matt oder zu Tode hetzte, so in diesen Lagern die Menschen, denn ein Mensch
hatte sür einen Herrscher ost weniger Werth, als ein stattliches Roß oder
ein guter Leithund, — für die Thiere wurde bei der Erwerbung meist doppelt
und dreifach mehr bezahlt, als für einen angeworbenen Mann.

Die Blüthe der Lustlager war in der Mitte des vorigen Jahrhunderts
namentlich in Sachsen, Hessen und Würtemberg zu suchen. Der galante und
splendide König und Kurfürst, der mehr körperlich als geistig starke August, war
Meister in allen großartigen festlichen Arrangements und so übertrafen auch
seine Lustlagcr an Ueppigkeit und Glanz alles bisher Erlebte.

In einer sonst wenig belebten aber freundlichen Gegend entstand plötzlich wie
mit einem Zauberschlage ein buntes, rühriges Leben. Eine kleine Stadt von
Wohnungen,'Theatern, Sälen, Küchen, Stallungen und anderen Bauten wuchs


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[0350] gekommenen nahmen sich im ersten Anfall der Scham, des Aergers und der Verzweiflung das Leben. Und zu einer andern Zeit, vielleicht schon am nächsten Tage konnte der König wieder leutselig, ja heiter sein und mit der größten Geduld Fehler bessern und Jnstructionen ertheilen. So sagte er z. B. einstmals bei Abhaltung der Schulmanöver zu einem Offizier, der bei der Nähe des Monarchen befangen war und sich übereilte, wo¬ durch auch seine Leute angesteckt wurden: „Uebereile Er sich nur nicht, dann wirds schon besser gehen; lasse Er den Leuten nur Zeit!" Und nach einer Weile: „So, so, Bursche! So ists recht!" So war der große König in seinen Launen, die mit dem Alter mehr und mehr zunahmen, bald gefürchtet wie der Böse, bald verehrt wie ein Abgott. Große Lichter werfen eben auch große Schatten! — War Friedrich ein Feind aller .Lustlager und überhaupt unnöthigen Ge¬ pränges, so liebten dergleichen viele seiner gekrönten Herren Collegen um so mehr. Wie man vorher dem Pracht- und machtliebenden vierzehnten Ludwig auf Frankreichs Thron nachahmte, öfter nachäffte, so gab jetzt in Vielem, namentlich was das Armeewesen anlangte, der Preußenkönig den Ton an. Da man aber nicht mit dessen Geiste begabt war, so ließ man das Gute und Nützliche bei Seite liegen und hielt sich mehr an das Kleinliche, Flache und Bestechende. Nach Lust und Genuß jagend, suchte man auch im Gebiete des ernsten Mars Ergötzen mit dem kriegerisch Jmponirenden zu vereinigen und so dem großen Sybariten Ludwig und dem großen Feldherrn Friedrich zugleich zu huldigen. So entstanden denn aus den Uebungsiagern, die als Schule für einen kommenden Krieg und als Uebung und Abhärtung der Führer gelten sollten, die sogenannten Lustlager, mit denen man so ziemlich das Gegentheil erzielte. Wie alles bei Hofe einen festlichen und pomphaften Anstrich haben mußte so auch hier. Wie man mit wilder Lust auf den Parforcejagden die Thiere matt oder zu Tode hetzte, so in diesen Lagern die Menschen, denn ein Mensch hatte sür einen Herrscher ost weniger Werth, als ein stattliches Roß oder ein guter Leithund, — für die Thiere wurde bei der Erwerbung meist doppelt und dreifach mehr bezahlt, als für einen angeworbenen Mann. Die Blüthe der Lustlager war in der Mitte des vorigen Jahrhunderts namentlich in Sachsen, Hessen und Würtemberg zu suchen. Der galante und splendide König und Kurfürst, der mehr körperlich als geistig starke August, war Meister in allen großartigen festlichen Arrangements und so übertrafen auch seine Lustlagcr an Ueppigkeit und Glanz alles bisher Erlebte. In einer sonst wenig belebten aber freundlichen Gegend entstand plötzlich wie mit einem Zauberschlage ein buntes, rühriges Leben. Eine kleine Stadt von Wohnungen,'Theatern, Sälen, Küchen, Stallungen und anderen Bauten wuchs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/350>, abgerufen am 23.07.2024.