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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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ihnen durch eine Reglemcntation zu begegnen. Es hat sich gezeigt, daß da.
wo ein Katalog der Bibliothek gedruckt ist. die Leselust zunahm. Aus diesen
Katalogen erfahren wir zugleich die Zusammensetzung der Bibliotheken, die im
Allgemeinen nur gelobt werden kann. Das Französische und Deutsche findet
ziemlich gleiche Berücksichtigung. Die Hälfte ist belehrenden Inhalts: Geschichte.
Reisen. Geographie. Industrie. Ackerbau. Natmkuudc u. s. w. Aber die andere
Hälfte, die erzählende" Literatur. scheint allgemein weit mehr begehrt zu sein.
Der Abbe Arnold, der Bibliothekar von Lutterbach. klagt, daß trotz seiner drin¬
genden Empfehlung die Bücher über Landwirthschaft. Industrie u. s. w. unbe¬
nutzt im Kasten stehen, und das die Leser fast ausnahmlos in Erzählungen und
Romanen Erholung von ihren Fabrikgeschäftcn suchen. In der Bibliothek zu
Dvrnach, deren Katalog uns vorliegt, finden wir die deutsche erzählende Litera¬
tur vertreten durch Werke von Chr. Schmid (dieser scheint namentlich auf dem
Lande besonders beliebt zu sein). B. Auerbach, W. Hanfs. L. Pichler. Jer. Gott-
helf, O. Wildermuth, v. Horn, G. Schubert, Nieritz. Stöber. Hebel u. f. w.

Es wäre für uns besonders interessant zu wissen, in welchem Verhältniß
die französische Lectüre zur deutschen stehl. Hierüber finden wir nur in dem
Berichte drs Bibliothekars von Cernay eine Andeutung. Wärend des ersten
Halbjahres, Vom April bis October 1864, wurden in Eernay an 88 Leser
423 Bücher ausgeliehen, davon waren 337 französische, 86 deutsche. Diese
88 Leser, nach Geschlecht und Lebensalter vertheilt, lasen 13 Männer 45 fran¬
zösische. 25 deutsche Bücher. 9 Frauen 47 französische. 4 deutsche Bücher. 47
junge Leute 146 französische. 48 deutsche Bücher, endlich 19 Mädchen 98 fran¬
zösische. 19 deutsche Bücher. Aus diesen Daten ergiebt sich, daß die Jugend
ungleich mehr liest als das Alter, daß aber die Jugend weit mehr französische
Bücher liest als deutsche, und daß endlich die Weiblichkeit fast nur französisch'
liest. Im Ganzen kommen 4 französische Bücher auf 1 deutsches Buch. Aller¬
dings ist nun hier in Rechnung zu ziehen, daß die Bibliothek aus 488 fran¬
zösischen und 113 deutschen Büchern besteht, und der Berichterstatter spricht den
dringenden Wunsch aus. daß die Bibliothek, die sehr arm an deutschen Büchern
sei. namentlich mit leichteren Erzählungen in dieser Sprache bereichert werde.
So viel wir wissen, sind die elsässischen Gemeindebibliothekcn bereits von einigen
deutschen Verlagsbuchhandlungen beschenkt worden. Es liegt auf der Hand,
daß es zugleich ein patriotisches Werk wäre, wenn dieses Beispiel Nachahmung
fände. Für die Weihnachtskrebse fände sich hier eine sehr passende Verwendung.
'

Das Beispiel d^s Oberrheins Kat auch im übrigen Frankreich gezündet.
Von überallher erhielt die Gesellschaft Zuschriften, wurde sie um Rath ange¬
gangen; aus dem fernsten Süden kamen Freunde der Volksbildung, um sich
die Einrichtungen in der Nähe anzusehen und das Gesehene in ihrer Heimath
anzuwenden. Welche Früchte daraus hervorgehen werden, bleibt abzuwarten.


ihnen durch eine Reglemcntation zu begegnen. Es hat sich gezeigt, daß da.
wo ein Katalog der Bibliothek gedruckt ist. die Leselust zunahm. Aus diesen
Katalogen erfahren wir zugleich die Zusammensetzung der Bibliotheken, die im
Allgemeinen nur gelobt werden kann. Das Französische und Deutsche findet
ziemlich gleiche Berücksichtigung. Die Hälfte ist belehrenden Inhalts: Geschichte.
Reisen. Geographie. Industrie. Ackerbau. Natmkuudc u. s. w. Aber die andere
Hälfte, die erzählende" Literatur. scheint allgemein weit mehr begehrt zu sein.
Der Abbe Arnold, der Bibliothekar von Lutterbach. klagt, daß trotz seiner drin¬
genden Empfehlung die Bücher über Landwirthschaft. Industrie u. s. w. unbe¬
nutzt im Kasten stehen, und das die Leser fast ausnahmlos in Erzählungen und
Romanen Erholung von ihren Fabrikgeschäftcn suchen. In der Bibliothek zu
Dvrnach, deren Katalog uns vorliegt, finden wir die deutsche erzählende Litera¬
tur vertreten durch Werke von Chr. Schmid (dieser scheint namentlich auf dem
Lande besonders beliebt zu sein). B. Auerbach, W. Hanfs. L. Pichler. Jer. Gott-
helf, O. Wildermuth, v. Horn, G. Schubert, Nieritz. Stöber. Hebel u. f. w.

Es wäre für uns besonders interessant zu wissen, in welchem Verhältniß
die französische Lectüre zur deutschen stehl. Hierüber finden wir nur in dem
Berichte drs Bibliothekars von Cernay eine Andeutung. Wärend des ersten
Halbjahres, Vom April bis October 1864, wurden in Eernay an 88 Leser
423 Bücher ausgeliehen, davon waren 337 französische, 86 deutsche. Diese
88 Leser, nach Geschlecht und Lebensalter vertheilt, lasen 13 Männer 45 fran¬
zösische. 25 deutsche Bücher. 9 Frauen 47 französische. 4 deutsche Bücher. 47
junge Leute 146 französische. 48 deutsche Bücher, endlich 19 Mädchen 98 fran¬
zösische. 19 deutsche Bücher. Aus diesen Daten ergiebt sich, daß die Jugend
ungleich mehr liest als das Alter, daß aber die Jugend weit mehr französische
Bücher liest als deutsche, und daß endlich die Weiblichkeit fast nur französisch'
liest. Im Ganzen kommen 4 französische Bücher auf 1 deutsches Buch. Aller¬
dings ist nun hier in Rechnung zu ziehen, daß die Bibliothek aus 488 fran¬
zösischen und 113 deutschen Büchern besteht, und der Berichterstatter spricht den
dringenden Wunsch aus. daß die Bibliothek, die sehr arm an deutschen Büchern
sei. namentlich mit leichteren Erzählungen in dieser Sprache bereichert werde.
So viel wir wissen, sind die elsässischen Gemeindebibliothekcn bereits von einigen
deutschen Verlagsbuchhandlungen beschenkt worden. Es liegt auf der Hand,
daß es zugleich ein patriotisches Werk wäre, wenn dieses Beispiel Nachahmung
fände. Für die Weihnachtskrebse fände sich hier eine sehr passende Verwendung.
'

Das Beispiel d^s Oberrheins Kat auch im übrigen Frankreich gezündet.
Von überallher erhielt die Gesellschaft Zuschriften, wurde sie um Rath ange¬
gangen; aus dem fernsten Süden kamen Freunde der Volksbildung, um sich
die Einrichtungen in der Nähe anzusehen und das Gesehene in ihrer Heimath
anzuwenden. Welche Früchte daraus hervorgehen werden, bleibt abzuwarten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/35>, abgerufen am 23.07.2024.