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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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kamen die Kürassiere nicht so gut und flink hinüber, wie die leichteren Husaren.
Der König hat es bemerkt und ist wie der alte Ziethen aus dem Busche, bald
am Platze. Wieder will das Unglück, daß el" Regiment dabei war, das bei
Maxen mit gefangen wurde, das damals bei dem unglücklichen sinkschen Corps
sich befand, welches eigentlich der König selbst geopfert hatte. Seit der Zeit
mochte er weder die Truppen noch die Offiziere mehr leiden, die jenes traurige
Geschick betroffen. Der General v. Vasold, der hier befehligte, war auch einer
davon und da er das erwähnte Kürassterregiment damals geführt, so ergoß sich
jetzt der ganze königliche Zorn über den alten General, der sich sonst im sieben¬
jährigen Kriege einen Namen gemacht.

Es war längst herkömmlich, daß am ersten Tage der größeren Manöver
sämmtliche Generale mit an des Königs Tafel speisten, weshalb sie nicht be¬
sonders dazu geladen wurden. Der so tief gekränkte General Vasold, der nicht
den geringsten Appetit verspürte und gern vom erzürnten König und seiner
Umgebung fern geblieben wäre, glaubte sich der Tafel nicht entziehen zu kön¬
nen und ging dahin. Es hatten bereits alle Platz genommen, als der König
sein Auge umherschweifen ließ und nun den General Vasold bemerkte. Mit
erzürnter Stimme rief er ihm zu: "Herr, was will Er hier? Für Ihn ist kein
Platz an meinem Tische!" Das war fast zu viel, nicht nur für den alten
General, sondern für alle Anwesenden, die im ersten Moment wie erstarrt
dasaßen. Der alte Vasold hatte kaum die Kraft sich von seinem Sitze zu er¬
heben, er wankte zum Saale hinaus.

Es blieb ihm nun nach dieser Blanc nichts anderes übrig, als den König
sofort schriftlich um seine Entlassung zu bitten, was ihm denn auch ohne wei¬
teres gewährt wurde, aber ohne einen Heller Pension, ohne "in Wort der
Anerkennung der vieljährigen treu geleisteten Dienste, wofür er den Orden
pour ig nwrite auf der Brust trug. Da der General ganz ohne Vermögen
"ud zu alt war, um einen andern Dienst zu suchen oder sich sonst was zu er¬
werben, so geriet!) er in die bitterste Verlegenheit. Trotz seiner und seiner
Gönner Verwendung beim Monarchen erhielt er ein Jahr lang gar nichts und
später eine jährliche Pension von 500 Thalern. -- Jagte der König einen ihm
Mißliebigen nicht geradezu weg, so versetzte er ihn zu einem Garnisonsregiment,
Was mit Exil so ziemlich einerlei war, denn der Verwiesene kam so aus allem
Verband und von einem.weiteren Avancement war keine Rede mehr. Wer
"Kenv konnte, nahm daher lieber den Abschied.

So mußten denn diese Revuen nicht nur von allen dabei Betheiligten
"icht wenig gefürchtet sein, sondern auch von allen Angehörigen derselben, die
Während der Abwesenheit des Gatten oder Vaters für ihre fernere Existenz zu
Meru hatten, denn man wußte ja nicht, ob der Erhalter und Ernährer nicht
Brodloser wieder zurückkam. Manche der so übel und unschuldig Weg.


kamen die Kürassiere nicht so gut und flink hinüber, wie die leichteren Husaren.
Der König hat es bemerkt und ist wie der alte Ziethen aus dem Busche, bald
am Platze. Wieder will das Unglück, daß el» Regiment dabei war, das bei
Maxen mit gefangen wurde, das damals bei dem unglücklichen sinkschen Corps
sich befand, welches eigentlich der König selbst geopfert hatte. Seit der Zeit
mochte er weder die Truppen noch die Offiziere mehr leiden, die jenes traurige
Geschick betroffen. Der General v. Vasold, der hier befehligte, war auch einer
davon und da er das erwähnte Kürassterregiment damals geführt, so ergoß sich
jetzt der ganze königliche Zorn über den alten General, der sich sonst im sieben¬
jährigen Kriege einen Namen gemacht.

Es war längst herkömmlich, daß am ersten Tage der größeren Manöver
sämmtliche Generale mit an des Königs Tafel speisten, weshalb sie nicht be¬
sonders dazu geladen wurden. Der so tief gekränkte General Vasold, der nicht
den geringsten Appetit verspürte und gern vom erzürnten König und seiner
Umgebung fern geblieben wäre, glaubte sich der Tafel nicht entziehen zu kön¬
nen und ging dahin. Es hatten bereits alle Platz genommen, als der König
sein Auge umherschweifen ließ und nun den General Vasold bemerkte. Mit
erzürnter Stimme rief er ihm zu: „Herr, was will Er hier? Für Ihn ist kein
Platz an meinem Tische!" Das war fast zu viel, nicht nur für den alten
General, sondern für alle Anwesenden, die im ersten Moment wie erstarrt
dasaßen. Der alte Vasold hatte kaum die Kraft sich von seinem Sitze zu er¬
heben, er wankte zum Saale hinaus.

Es blieb ihm nun nach dieser Blanc nichts anderes übrig, als den König
sofort schriftlich um seine Entlassung zu bitten, was ihm denn auch ohne wei¬
teres gewährt wurde, aber ohne einen Heller Pension, ohne «in Wort der
Anerkennung der vieljährigen treu geleisteten Dienste, wofür er den Orden
pour ig nwrite auf der Brust trug. Da der General ganz ohne Vermögen
"ud zu alt war, um einen andern Dienst zu suchen oder sich sonst was zu er¬
werben, so geriet!) er in die bitterste Verlegenheit. Trotz seiner und seiner
Gönner Verwendung beim Monarchen erhielt er ein Jahr lang gar nichts und
später eine jährliche Pension von 500 Thalern. — Jagte der König einen ihm
Mißliebigen nicht geradezu weg, so versetzte er ihn zu einem Garnisonsregiment,
Was mit Exil so ziemlich einerlei war, denn der Verwiesene kam so aus allem
Verband und von einem.weiteren Avancement war keine Rede mehr. Wer
"Kenv konnte, nahm daher lieber den Abschied.

So mußten denn diese Revuen nicht nur von allen dabei Betheiligten
"icht wenig gefürchtet sein, sondern auch von allen Angehörigen derselben, die
Während der Abwesenheit des Gatten oder Vaters für ihre fernere Existenz zu
Meru hatten, denn man wußte ja nicht, ob der Erhalter und Ernährer nicht
Brodloser wieder zurückkam. Manche der so übel und unschuldig Weg.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/349>, abgerufen am 23.07.2024.