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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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So erging es aber bei diesen Revuen nicht nur einen mißliebigen Rittmeister;
selbst der Verdientesie General war vor dergleichen vernichtenden Wechsel nicht
sicher.

Bei der Infanterie hält sich der König gewöhnlich länger auf. Nament¬
lich achtet er auf die Richtungen, worin er selbst ein Meister ist. Auf seine
Anordnung werden die pointg as vus ausgestellt, in welche die einzelnen Ba¬
taillone einrücken müssen. Sein scharfes Auge sieht alles. Wehe, wenn nicht
das Ganze nach dem Lineal steht. Zuweilen übernimmt er das Nichten selbst
und ist er bei besserer Laune, dann giebt er auch wohl ruhig eine Instruction.
Näckstdem wird auf das Feuern, namentlich im Avanciren und Retiriren. be¬
sonders geachtet. Auch dabei haben nicht wenig Offiziere Verweise, Arrest oder
gar den Laufpaß erhalten und so und so viel Abtheilungen, dabei ganze Re¬
gimenter oder Brigaden, müssen den Nachmittag, wo die andern ruhen, nach-
exerciren. Beobachtete man den König bei diesen Schulmanövern, wie er sich
um das und jenes speciell kümmerte, wie er auch Kleinliches so unendlich ge¬
nau nahm, so glaubte man nicht den Sieger so vieler Schlachten, den größten
Feldherrn der Zeit vor sich zu haben, sondern einen kamaschenknöpsigen und
im Frieden ergrauten und erstarrten Stabsoffizier.

Die beiden nächsten Tage sind zu den größern Mannövern mit gemischten
Waffen bestimmt. Der König hat gewöhnlich die Disposition selbst ent¬
worfen, er ist mithin in allem an kg.it und wehe dem, der nicht in seinen Sinn
einzugehen weiß. Diejenigen Führer, die er von vornherein auf dem Zuge
hat, können ohnedies nichts recht machen. Hier wird mehr das Bild einer
Schlacht geboten; alles wogt wie im ernsten Kampf durcheinander, der Boden
erdröhnt unter den Hufen der jagenden Reiterei -- dem Rasseln der Geschütze.
Adjutanten fliegen hin und her. So verworren auch das Ganze scheint, der
König blickt in alles. Er wendet sich mit seinem kleinen Fernglase bald
da, bald dorthin. Nicht selten jagt er wohl in das Gewühl hinein, wo er eine
Unordnung bemerkt und ist da nicht geizig mit Scheltworten. Eben ist bei
einigen Fußregimentern während des Retirirens ein Durcheinander entstanden.
Der König sprengt dahin. Das Unglück will, daß es dieselben sind, die des
Königs Unwillen in so hohem Grade erregt haben und wovon bereits eins am
ersten Tage die königliche Ungnade durch Zuwenden des Rückens so hart empfin¬
den mußte. Der Brigadier Barykowskh ist eben bemüht, die Regimenter
wieder zu ordnen, als der König dazu kommt. Er ruft dem Brigadier, dem er
ebenfalls nicht sehr hold ist, weil das verhängnißvolle ky an seinem Namen
hängt, halb höhnisch halb ärgerlich zu: "Laß Er doch die Schlingels zum
Teufel gehen! Sie laufen hier noch gerade so, wie ehedem bei Zorndorf vor
den Russen."

Die Cavalerie bekam aber auch ihr Theil. Beim Uebersetzen eines Grabens


So erging es aber bei diesen Revuen nicht nur einen mißliebigen Rittmeister;
selbst der Verdientesie General war vor dergleichen vernichtenden Wechsel nicht
sicher.

Bei der Infanterie hält sich der König gewöhnlich länger auf. Nament¬
lich achtet er auf die Richtungen, worin er selbst ein Meister ist. Auf seine
Anordnung werden die pointg as vus ausgestellt, in welche die einzelnen Ba¬
taillone einrücken müssen. Sein scharfes Auge sieht alles. Wehe, wenn nicht
das Ganze nach dem Lineal steht. Zuweilen übernimmt er das Nichten selbst
und ist er bei besserer Laune, dann giebt er auch wohl ruhig eine Instruction.
Näckstdem wird auf das Feuern, namentlich im Avanciren und Retiriren. be¬
sonders geachtet. Auch dabei haben nicht wenig Offiziere Verweise, Arrest oder
gar den Laufpaß erhalten und so und so viel Abtheilungen, dabei ganze Re¬
gimenter oder Brigaden, müssen den Nachmittag, wo die andern ruhen, nach-
exerciren. Beobachtete man den König bei diesen Schulmanövern, wie er sich
um das und jenes speciell kümmerte, wie er auch Kleinliches so unendlich ge¬
nau nahm, so glaubte man nicht den Sieger so vieler Schlachten, den größten
Feldherrn der Zeit vor sich zu haben, sondern einen kamaschenknöpsigen und
im Frieden ergrauten und erstarrten Stabsoffizier.

Die beiden nächsten Tage sind zu den größern Mannövern mit gemischten
Waffen bestimmt. Der König hat gewöhnlich die Disposition selbst ent¬
worfen, er ist mithin in allem an kg.it und wehe dem, der nicht in seinen Sinn
einzugehen weiß. Diejenigen Führer, die er von vornherein auf dem Zuge
hat, können ohnedies nichts recht machen. Hier wird mehr das Bild einer
Schlacht geboten; alles wogt wie im ernsten Kampf durcheinander, der Boden
erdröhnt unter den Hufen der jagenden Reiterei — dem Rasseln der Geschütze.
Adjutanten fliegen hin und her. So verworren auch das Ganze scheint, der
König blickt in alles. Er wendet sich mit seinem kleinen Fernglase bald
da, bald dorthin. Nicht selten jagt er wohl in das Gewühl hinein, wo er eine
Unordnung bemerkt und ist da nicht geizig mit Scheltworten. Eben ist bei
einigen Fußregimentern während des Retirirens ein Durcheinander entstanden.
Der König sprengt dahin. Das Unglück will, daß es dieselben sind, die des
Königs Unwillen in so hohem Grade erregt haben und wovon bereits eins am
ersten Tage die königliche Ungnade durch Zuwenden des Rückens so hart empfin¬
den mußte. Der Brigadier Barykowskh ist eben bemüht, die Regimenter
wieder zu ordnen, als der König dazu kommt. Er ruft dem Brigadier, dem er
ebenfalls nicht sehr hold ist, weil das verhängnißvolle ky an seinem Namen
hängt, halb höhnisch halb ärgerlich zu: „Laß Er doch die Schlingels zum
Teufel gehen! Sie laufen hier noch gerade so, wie ehedem bei Zorndorf vor
den Russen."

Die Cavalerie bekam aber auch ihr Theil. Beim Uebersetzen eines Grabens


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/348>, abgerufen am 23.07.2024.