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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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nadiermarsch, ja das Avancement genommen, indem bei vacanten Stellen
immer Andere eingeschoben worden. Bei der vorletzten Revue hatte er zwar
ausgesprochen, daß alles Vergangene vergeben sein solle, das Regiment
hatte auch das bisher Genommene wieder erhalten; aber heute hatte der
König alles wieder vergessen und das Bild bei Zorndorf regte allen Zorn in
seiner lebhaften Phantasie wieder auf. --

Ein Corps von 20.000 Mann zu besichtigen und dann defiliren zu lassen,
erfordert mehr Zeit, als Mancher vielleicht meinen mag. So ist denn der
Mittag darüber herangekommen. Der König nimmt die Generale und etliche
andere höhere Offiziere zusammen, ertheilt nach der mehr oder minder guten
Laune einige kurze Kritiken und reitet dann, nachdem dieser und jener der Ober¬
generale noch zur Tafel befohlen, mit seiner Suite wieder ab.

Das Heutige war im Vergleich des Morgenden nur ein kleines Vorspiel.
Auf den nächsten Tag ist das Manövriren bestellt. Da heißt es aufpassen.
Die Cavalene kam zuerst an die Reihe, dann die Infanterie, die gewöhnlich
etwas später ausrückte. Es wurden zunächst die gewöhnlichen Schulmanöver
durchgemacht-Mancirt, retirirt, ein- und ausgeschwenkt, Malen gemacht, und
dergleichen nichr. Wehe dem Führer und dem Truppentheil, welche etwas ver¬
sahen oder beim König nicht in Gnaden standen.

Die Schwadron des Rittmeisters von W. ist im scharfen Galopp etwas
auseinandergekommen, weniger durch eigene Schuld, als die der Nebenescadrons,
die sich gezogen, dabei mußte ein ungünstiges Terrain passirt werden, Sturz¬
äcker, Gräben und Anderes. Dem scharfen Auge des Königs ist das wohl
nicht entgangen, allein er hatte eine Abneigung gegen den Rittmeister, der
zudem einen polnischen Namen mit der Endung ky trug, was der hohe Herr
durchaus nicht leiden mochte. Wie ein Pfeil jagt der König von der haltenden
Suite weg und spornstreichs auf den unglücklichen Schwadronchef mit erhobenem
Krückstock los. "Monsieur, was macht Er da für Teufelszeug, das ist ja nicht
Zum Ansehen! Und Seine Schlingels da soll der Teufel holen! Wie kömmt
zu dieser Coujonerie?" Der Rittmeister glaubt auf die Frage antworten zu
müssen und will eine Entschuldigung wagen. "Will Er wohl das Maul halten!"
^ ruft ihn der König mit rollenden Auge und gehobenem Krückstock an, als
wolle er jeden Augenblick zuschlagen -- "Stecke Er seinen Degen ein und schere
sich zum Teufel!" -- Das war nicht nur der Befehl zum Abgange vom
Exercierplatz, es war der Abschied. -- Wohl verwenden sich später die Vor¬
letzten für den so hart Betroffenen, sie!heben seine gute Führung hervor,
Zimmern daran, daß er mit Auszeichnung im letzten Kriege gefochten, daß er
Familienvater und ohne Vermögen sei. Alles umsonst. Nur selten fruchtet
"ne solche Fürsprache; höchstens läßt sich der Monarch zu einer Pension be¬
wegen, von der kaum der Einzelne dürftig leben kann. --


nadiermarsch, ja das Avancement genommen, indem bei vacanten Stellen
immer Andere eingeschoben worden. Bei der vorletzten Revue hatte er zwar
ausgesprochen, daß alles Vergangene vergeben sein solle, das Regiment
hatte auch das bisher Genommene wieder erhalten; aber heute hatte der
König alles wieder vergessen und das Bild bei Zorndorf regte allen Zorn in
seiner lebhaften Phantasie wieder auf. —

Ein Corps von 20.000 Mann zu besichtigen und dann defiliren zu lassen,
erfordert mehr Zeit, als Mancher vielleicht meinen mag. So ist denn der
Mittag darüber herangekommen. Der König nimmt die Generale und etliche
andere höhere Offiziere zusammen, ertheilt nach der mehr oder minder guten
Laune einige kurze Kritiken und reitet dann, nachdem dieser und jener der Ober¬
generale noch zur Tafel befohlen, mit seiner Suite wieder ab.

Das Heutige war im Vergleich des Morgenden nur ein kleines Vorspiel.
Auf den nächsten Tag ist das Manövriren bestellt. Da heißt es aufpassen.
Die Cavalene kam zuerst an die Reihe, dann die Infanterie, die gewöhnlich
etwas später ausrückte. Es wurden zunächst die gewöhnlichen Schulmanöver
durchgemacht-Mancirt, retirirt, ein- und ausgeschwenkt, Malen gemacht, und
dergleichen nichr. Wehe dem Führer und dem Truppentheil, welche etwas ver¬
sahen oder beim König nicht in Gnaden standen.

Die Schwadron des Rittmeisters von W. ist im scharfen Galopp etwas
auseinandergekommen, weniger durch eigene Schuld, als die der Nebenescadrons,
die sich gezogen, dabei mußte ein ungünstiges Terrain passirt werden, Sturz¬
äcker, Gräben und Anderes. Dem scharfen Auge des Königs ist das wohl
nicht entgangen, allein er hatte eine Abneigung gegen den Rittmeister, der
zudem einen polnischen Namen mit der Endung ky trug, was der hohe Herr
durchaus nicht leiden mochte. Wie ein Pfeil jagt der König von der haltenden
Suite weg und spornstreichs auf den unglücklichen Schwadronchef mit erhobenem
Krückstock los. „Monsieur, was macht Er da für Teufelszeug, das ist ja nicht
Zum Ansehen! Und Seine Schlingels da soll der Teufel holen! Wie kömmt
zu dieser Coujonerie?" Der Rittmeister glaubt auf die Frage antworten zu
müssen und will eine Entschuldigung wagen. „Will Er wohl das Maul halten!"
^ ruft ihn der König mit rollenden Auge und gehobenem Krückstock an, als
wolle er jeden Augenblick zuschlagen — „Stecke Er seinen Degen ein und schere
sich zum Teufel!" — Das war nicht nur der Befehl zum Abgange vom
Exercierplatz, es war der Abschied. — Wohl verwenden sich später die Vor¬
letzten für den so hart Betroffenen, sie!heben seine gute Führung hervor,
Zimmern daran, daß er mit Auszeichnung im letzten Kriege gefochten, daß er
Familienvater und ohne Vermögen sei. Alles umsonst. Nur selten fruchtet
"ne solche Fürsprache; höchstens läßt sich der Monarch zu einer Pension be¬
wegen, von der kaum der Einzelne dürftig leben kann. —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/347>, abgerufen am 23.07.2024.