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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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aufmunternd. Nun kommt es zum Vorbeimarsch. Jetzt heißt es aufgepaßt!
Die Cavalerie eröffnet' den Reigen. Jeder weiß, wie viel es beim Defiliren ge¬
schlagen, wenn auch der König kein Wort spricht. Grüßt er den Chef des
Regiments und sieht dieses beim Marsch genau an, so ist das ein Zeichen seines
Wohlwollens oder der Zufriedenheit. Aber beim nächstfolgenden Regiment thut
er, als wenn das gar nicht da wäre, er seht seinen kleinen Feldstecher vors
Auge und sucht mir diesem das nächste. In trefflicher Haltung marschirt das
schöne Husarenregiment vorüber, das bei allen Gelegenheiten im Kriege sich
einen guten Namen gemacht, aber der König würdigt es keines Blickes.
Und warum? Weil er den Commandeur von jeher nicht leiden mag. Er ist
als ein tüchtiger und braver Offizier in der ganzen Armee bekannt; aber der
König kann dessen Gesicht nicht ausstehen und dabei ist er von ganz jungem
Adel, den der königliche Philosoph noch weniger leiden mag. Der Chef und
sein Regiment mögens eben machen wie sie wollen, sie machens nicht recht und
das macht das ganze Regiment verstimmt und bitter. --

Es naht jetzt ein Regiment Küraßreiter. Es sind kräftige, schöne Leute,
getragen von tüchtigen Rossen. Vor der Front reitet ein zierlicher Oberst, dessen
Jugend auffällig gegen die anderen alten Graubärte absticht, denen die Führung
der Regimenter anvertraut ist. Der junge Oberst hat etwas Feines, Geschnie¬
geltes, das auf den ersten Blick mehr den Salonmann als den Soldaten ver¬
räth; aber er zählt zu den Bevorzugten des Monarchen, er gehört einer ange¬
sehenen altadeligen Familie an, die der König hoch schätzt und sein Protegö
ist außer der Tour avancirt. Zwar ist das Regiment nicht so gut geschult
als die andern, die bereits defilirt sind, es machen sich hier und da einige
Schlangenlinien in der Front bemerklich; aber der König übersieht es, oder will
es übersehen, er grüßt den Oberst, als dieser salutirt, freundlich und das ganze
Regiment wird von diesem Gnadenstrahl freudig wie von einem elektrischen
Schlage durchzuckt.

Die Cavalerie ist vorüber; es naht die Infanterie. Beim ersten Regiment
wendet der König sein Pferd, so daß er dem Regiment den Rücken zukehrt. Die
eben noch freundlichen Züge legen sich in tiefe Falten und die heruntergezogenen
Mundwinkel drücken Spott und Verachtung aus. Laut ruft er seiner Suite zu:
"Das Herz im Leibe dreht sich mir um, wenn ich diese verfluchte Montirung
sehe!" Was hat dies Regiment verbrochen, daß ihm solche Geringschätzung
widerfährt? Es ist eins von denen, die in der heißen Schlacht bei Zorndorf
(1758) gegen den linken russischen Flügel, der wie eine eiserne Mauer stand,
nach des Königs Meinung nicht ganz ihre Schuldigkeit gethan haben. E6
waren seitdem nahe an zwanzig Jahre verflossen, die Reihen waren großen-
theils durch andere rekrutirt; aber der König hatte seine Abneigung noch immer
nicht überwinden können. Er hatte diesen Regimentern die Tressen, den Gre-


aufmunternd. Nun kommt es zum Vorbeimarsch. Jetzt heißt es aufgepaßt!
Die Cavalerie eröffnet' den Reigen. Jeder weiß, wie viel es beim Defiliren ge¬
schlagen, wenn auch der König kein Wort spricht. Grüßt er den Chef des
Regiments und sieht dieses beim Marsch genau an, so ist das ein Zeichen seines
Wohlwollens oder der Zufriedenheit. Aber beim nächstfolgenden Regiment thut
er, als wenn das gar nicht da wäre, er seht seinen kleinen Feldstecher vors
Auge und sucht mir diesem das nächste. In trefflicher Haltung marschirt das
schöne Husarenregiment vorüber, das bei allen Gelegenheiten im Kriege sich
einen guten Namen gemacht, aber der König würdigt es keines Blickes.
Und warum? Weil er den Commandeur von jeher nicht leiden mag. Er ist
als ein tüchtiger und braver Offizier in der ganzen Armee bekannt; aber der
König kann dessen Gesicht nicht ausstehen und dabei ist er von ganz jungem
Adel, den der königliche Philosoph noch weniger leiden mag. Der Chef und
sein Regiment mögens eben machen wie sie wollen, sie machens nicht recht und
das macht das ganze Regiment verstimmt und bitter. —

Es naht jetzt ein Regiment Küraßreiter. Es sind kräftige, schöne Leute,
getragen von tüchtigen Rossen. Vor der Front reitet ein zierlicher Oberst, dessen
Jugend auffällig gegen die anderen alten Graubärte absticht, denen die Führung
der Regimenter anvertraut ist. Der junge Oberst hat etwas Feines, Geschnie¬
geltes, das auf den ersten Blick mehr den Salonmann als den Soldaten ver¬
räth; aber er zählt zu den Bevorzugten des Monarchen, er gehört einer ange¬
sehenen altadeligen Familie an, die der König hoch schätzt und sein Protegö
ist außer der Tour avancirt. Zwar ist das Regiment nicht so gut geschult
als die andern, die bereits defilirt sind, es machen sich hier und da einige
Schlangenlinien in der Front bemerklich; aber der König übersieht es, oder will
es übersehen, er grüßt den Oberst, als dieser salutirt, freundlich und das ganze
Regiment wird von diesem Gnadenstrahl freudig wie von einem elektrischen
Schlage durchzuckt.

Die Cavalerie ist vorüber; es naht die Infanterie. Beim ersten Regiment
wendet der König sein Pferd, so daß er dem Regiment den Rücken zukehrt. Die
eben noch freundlichen Züge legen sich in tiefe Falten und die heruntergezogenen
Mundwinkel drücken Spott und Verachtung aus. Laut ruft er seiner Suite zu:
„Das Herz im Leibe dreht sich mir um, wenn ich diese verfluchte Montirung
sehe!" Was hat dies Regiment verbrochen, daß ihm solche Geringschätzung
widerfährt? Es ist eins von denen, die in der heißen Schlacht bei Zorndorf
(1758) gegen den linken russischen Flügel, der wie eine eiserne Mauer stand,
nach des Königs Meinung nicht ganz ihre Schuldigkeit gethan haben. E6
waren seitdem nahe an zwanzig Jahre verflossen, die Reihen waren großen-
theils durch andere rekrutirt; aber der König hatte seine Abneigung noch immer
nicht überwinden können. Er hatte diesen Regimentern die Tressen, den Gre-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/346>, abgerufen am 23.07.2024.