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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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ziemt es zu gedenken. Er ist aus den letzten Negierungsjahren Friedrichs des
Zweiten.

Wir haben den ersten Feldherrn, die tapferste, geschulteste Armee der
Zeit vor uns. Was erwarten wir alles davon! Leider finden wir uns in
Manchem getäuscht und statt des erwarteten Großartigen werden wir nicht selten
durch eine Kleinlichkeit überrascht, die wir anderwärts auch in so reichlichem
Maße finden. Der große König wird gar oft zum Pedanten und der Weise
Von Sanssouci, der in seinen Schriften so schön von Gleichheit, Gerechtigkeit
und Menschenwürde spricht, zeigt sich als ein rücksichtsloser Machthaber.

Wir wollen den Gang einer sogenannten Revue etwas genauer ver¬
folgen.

Das gegen 20.000 Mann starke Corps steht in der sandigen Ebene bei
Potsdam zur großen Revue bereit, rechts die Cavallerie, links die Infanterie
in Negimentscolonnen. Es ist ein schöner, klarer Ociobermorgen, die blanken
Waffen blitzen im Sonnenlichte und die bunte, wohlgeordnete Masse gewährt
einen schönen, großartigen Anblick. Alles ist im besten Staate und die Rich¬
tungen sind wie nach dem Lineal.

Lautlose Stille herrscht in den Massen; aber nicht etwa, weil das Plau¬
dern während des Wartens untersagt worden wäre, nein, etwas anderes hält
die Zungen gelähmt: ein gewisses Bangen, das wie ein Alp aus jede Brust,
vom höchsten General bis zum jüngsten Pfeifer herunter, drückt. Alles ist voller
Spannung und Furcht, wie die paar nächsten Stunden ablaufen, die über Lob
und Tadel. Ehre. Existenz entscheiden. Käme statt des "Alten" der Gottseibei¬
uns in seiner wahren Gestalt selber, man würde diesem getroster als jenem
entgegensehen.

Es hat eben sieben Uhr geschlagen, die bestimmte Stunde, da kommt der
König mit seiner zahlreichen Suite im kurzen Trabe, den Oberkörper etwas
Vorgebeugt und den verhängnißvollen Krückstock in der Rechten, angeritten. Es
schmettern Fanfaren, wirbeln Trommeln und quiken die Pfeifen, Kommandos
erschallen dazwischen. Es ist ein ohrenzerschmetterndes musikalisches Durchein¬
ander, da mehre Regimenter zugleich ihr Spiel rühren.
'

Alles schaut gespannt nach den Zügen des Königs. sobald er näher kommt.
Man will in diesen lesen, was es heute "für Wetter" giebt. Die, welche ihn
^unen, auch die Gemeinen, täuschen sich selten in ihren Erwartungen oder Be¬
fürchtungen.

Der König reitet die lange Fronte ab; jeder glaubt, sein scharfes Auge
durchbohre ihn, obgleich es ihn nur einen Moment streift. Hier und da nur
°we kurze Bemerkung gegen den betreffenden Chef oder einen seiner Adjutan¬
ten, bisweilen beißend und empfindlich, bisweilen, aber selten, belobend und


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ziemt es zu gedenken. Er ist aus den letzten Negierungsjahren Friedrichs des
Zweiten.

Wir haben den ersten Feldherrn, die tapferste, geschulteste Armee der
Zeit vor uns. Was erwarten wir alles davon! Leider finden wir uns in
Manchem getäuscht und statt des erwarteten Großartigen werden wir nicht selten
durch eine Kleinlichkeit überrascht, die wir anderwärts auch in so reichlichem
Maße finden. Der große König wird gar oft zum Pedanten und der Weise
Von Sanssouci, der in seinen Schriften so schön von Gleichheit, Gerechtigkeit
und Menschenwürde spricht, zeigt sich als ein rücksichtsloser Machthaber.

Wir wollen den Gang einer sogenannten Revue etwas genauer ver¬
folgen.

Das gegen 20.000 Mann starke Corps steht in der sandigen Ebene bei
Potsdam zur großen Revue bereit, rechts die Cavallerie, links die Infanterie
in Negimentscolonnen. Es ist ein schöner, klarer Ociobermorgen, die blanken
Waffen blitzen im Sonnenlichte und die bunte, wohlgeordnete Masse gewährt
einen schönen, großartigen Anblick. Alles ist im besten Staate und die Rich¬
tungen sind wie nach dem Lineal.

Lautlose Stille herrscht in den Massen; aber nicht etwa, weil das Plau¬
dern während des Wartens untersagt worden wäre, nein, etwas anderes hält
die Zungen gelähmt: ein gewisses Bangen, das wie ein Alp aus jede Brust,
vom höchsten General bis zum jüngsten Pfeifer herunter, drückt. Alles ist voller
Spannung und Furcht, wie die paar nächsten Stunden ablaufen, die über Lob
und Tadel. Ehre. Existenz entscheiden. Käme statt des „Alten" der Gottseibei¬
uns in seiner wahren Gestalt selber, man würde diesem getroster als jenem
entgegensehen.

Es hat eben sieben Uhr geschlagen, die bestimmte Stunde, da kommt der
König mit seiner zahlreichen Suite im kurzen Trabe, den Oberkörper etwas
Vorgebeugt und den verhängnißvollen Krückstock in der Rechten, angeritten. Es
schmettern Fanfaren, wirbeln Trommeln und quiken die Pfeifen, Kommandos
erschallen dazwischen. Es ist ein ohrenzerschmetterndes musikalisches Durchein¬
ander, da mehre Regimenter zugleich ihr Spiel rühren.
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Alles schaut gespannt nach den Zügen des Königs. sobald er näher kommt.
Man will in diesen lesen, was es heute „für Wetter" giebt. Die, welche ihn
^unen, auch die Gemeinen, täuschen sich selten in ihren Erwartungen oder Be¬
fürchtungen.

Der König reitet die lange Fronte ab; jeder glaubt, sein scharfes Auge
durchbohre ihn, obgleich es ihn nur einen Moment streift. Hier und da nur
°we kurze Bemerkung gegen den betreffenden Chef oder einen seiner Adjutan¬
ten, bisweilen beißend und empfindlich, bisweilen, aber selten, belobend und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/345>, abgerufen am 23.07.2024.