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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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welche in Verbindung mit den Angeln den gemeinsamen Zug nach Britannien
unternahmen, waren transalbingische Sachsen, die sich schon mundartig Von
den weiter südwestlich wohnenden Stammesgenossen unterschieden.

Die auswandernden Deutschen nun ändern ihre Wohnsitze und mit
diesen ihre Sitte; die alte Heimath und mit ihr der Schauplatz ihrer Sage
und Geschichte geht ihnen verloren; die harten blutigen Kämpfe im neuen
Lande drängen die Lieder von heimischen alten Helden zurück und machen sie ver¬
gessen. Von der Meeresküste über Ebenen und Hügellandsch after breiten'sie
sich bis zum walisischen Gebirgslande aus und vermischen sich mehr oder min¬
der mit den britischen Ureinwohnern. Es entstehen kleine Staaten, welche lange
getrennt neben einander bleiben, bis endlich andere Gewalt sie vereinigt. Mußte
hier nicht der Entwicklungsgang der Sprache ein ganz anderer sein, als aus
dem Festlande? Die deutschen Mundarten aber, welche seit dem fünften Jahr¬
hundert auf der britischen Insel erklangen von der Südküste bis zu den Gebirgen
Schottlands und von der Ostküste bis zu den Bergen von Cornwallis, Wales
und Cumberland, werden mit dem gemeinsamen Namen des Angelsächsischen
belegt.

Zwei Hauptmundarten lassen sich im Angelsächsischen unterscheiden, eine
südliche, die sächsische, und eine nördliche, die anglische.

Vieles Altnordische wurde eingeführt durch die öfteren Einfälle der skan¬
dinavischen Normannen d. i. Norweger und Dänen, namentlich aber dadurch,
daß die letzteren sich wohnlich niederließen und endlich dänische Könige von
1002 bis 1041 das angelsächsische Reich beherrschten. Den nördlichen Mund¬
arten Englands ist infolge dieses altnordischen Einflusses ein einfacher, dunkler
Vocalismus, ein härterer Konsonantismus und manches andere eigenthümlich.

Bereits vor der Eroberung Englands durch die französischen Nor-
mannen begann das Französische in England einzudringen. Eduard der Be-
kenner wurde an dem Hofe des Normanncnherzogs Richard erzogen. Als er
mit zahlreichem Gefolge nach England zurückkehrte, ward französische Sprache
und Sitte am Hofe heimisch. Daß nach der Invasion mit der Macht und
dem Einflüsse der Normannen sich auch ihre Sprache stets mehr verbreitete
und befestigte, war nicht zu verwundern. Wie nun im Laufe der Zeit Heide
Sprachen, das Angelsächsische und das normannische, gegenseitig auf einander
wirkten, wie groß namentlich der Einfluß des Französischen auf die Ausbildung
der englischen Sprache gewesen, wollen wir hier nicht weiter ausführen. Wir
beschränken uns auf die Bemerkung, daß für die Sprachvcrhältnisse jener Zeit
die didactische Poesie vorzugsweise charakteristisch ist. Sie beginnt lateinisch um
die Mitte des zwölften Jahrhunderts, wird im dreizehnten Jahrhundert fran¬
zösisch und im vierzehnten Jahrhundert englisch. Während ficZzuerst Ausdruck
frommen Eifers ist und sich an die kirchlichen Gelehrten wendet, will sie im frau-


welche in Verbindung mit den Angeln den gemeinsamen Zug nach Britannien
unternahmen, waren transalbingische Sachsen, die sich schon mundartig Von
den weiter südwestlich wohnenden Stammesgenossen unterschieden.

Die auswandernden Deutschen nun ändern ihre Wohnsitze und mit
diesen ihre Sitte; die alte Heimath und mit ihr der Schauplatz ihrer Sage
und Geschichte geht ihnen verloren; die harten blutigen Kämpfe im neuen
Lande drängen die Lieder von heimischen alten Helden zurück und machen sie ver¬
gessen. Von der Meeresküste über Ebenen und Hügellandsch after breiten'sie
sich bis zum walisischen Gebirgslande aus und vermischen sich mehr oder min¬
der mit den britischen Ureinwohnern. Es entstehen kleine Staaten, welche lange
getrennt neben einander bleiben, bis endlich andere Gewalt sie vereinigt. Mußte
hier nicht der Entwicklungsgang der Sprache ein ganz anderer sein, als aus
dem Festlande? Die deutschen Mundarten aber, welche seit dem fünften Jahr¬
hundert auf der britischen Insel erklangen von der Südküste bis zu den Gebirgen
Schottlands und von der Ostküste bis zu den Bergen von Cornwallis, Wales
und Cumberland, werden mit dem gemeinsamen Namen des Angelsächsischen
belegt.

Zwei Hauptmundarten lassen sich im Angelsächsischen unterscheiden, eine
südliche, die sächsische, und eine nördliche, die anglische.

Vieles Altnordische wurde eingeführt durch die öfteren Einfälle der skan¬
dinavischen Normannen d. i. Norweger und Dänen, namentlich aber dadurch,
daß die letzteren sich wohnlich niederließen und endlich dänische Könige von
1002 bis 1041 das angelsächsische Reich beherrschten. Den nördlichen Mund¬
arten Englands ist infolge dieses altnordischen Einflusses ein einfacher, dunkler
Vocalismus, ein härterer Konsonantismus und manches andere eigenthümlich.

Bereits vor der Eroberung Englands durch die französischen Nor-
mannen begann das Französische in England einzudringen. Eduard der Be-
kenner wurde an dem Hofe des Normanncnherzogs Richard erzogen. Als er
mit zahlreichem Gefolge nach England zurückkehrte, ward französische Sprache
und Sitte am Hofe heimisch. Daß nach der Invasion mit der Macht und
dem Einflüsse der Normannen sich auch ihre Sprache stets mehr verbreitete
und befestigte, war nicht zu verwundern. Wie nun im Laufe der Zeit Heide
Sprachen, das Angelsächsische und das normannische, gegenseitig auf einander
wirkten, wie groß namentlich der Einfluß des Französischen auf die Ausbildung
der englischen Sprache gewesen, wollen wir hier nicht weiter ausführen. Wir
beschränken uns auf die Bemerkung, daß für die Sprachvcrhältnisse jener Zeit
die didactische Poesie vorzugsweise charakteristisch ist. Sie beginnt lateinisch um
die Mitte des zwölften Jahrhunderts, wird im dreizehnten Jahrhundert fran¬
zösisch und im vierzehnten Jahrhundert englisch. Während ficZzuerst Ausdruck
frommen Eifers ist und sich an die kirchlichen Gelehrten wendet, will sie im frau-


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[0284] welche in Verbindung mit den Angeln den gemeinsamen Zug nach Britannien unternahmen, waren transalbingische Sachsen, die sich schon mundartig Von den weiter südwestlich wohnenden Stammesgenossen unterschieden. Die auswandernden Deutschen nun ändern ihre Wohnsitze und mit diesen ihre Sitte; die alte Heimath und mit ihr der Schauplatz ihrer Sage und Geschichte geht ihnen verloren; die harten blutigen Kämpfe im neuen Lande drängen die Lieder von heimischen alten Helden zurück und machen sie ver¬ gessen. Von der Meeresküste über Ebenen und Hügellandsch after breiten'sie sich bis zum walisischen Gebirgslande aus und vermischen sich mehr oder min¬ der mit den britischen Ureinwohnern. Es entstehen kleine Staaten, welche lange getrennt neben einander bleiben, bis endlich andere Gewalt sie vereinigt. Mußte hier nicht der Entwicklungsgang der Sprache ein ganz anderer sein, als aus dem Festlande? Die deutschen Mundarten aber, welche seit dem fünften Jahr¬ hundert auf der britischen Insel erklangen von der Südküste bis zu den Gebirgen Schottlands und von der Ostküste bis zu den Bergen von Cornwallis, Wales und Cumberland, werden mit dem gemeinsamen Namen des Angelsächsischen belegt. Zwei Hauptmundarten lassen sich im Angelsächsischen unterscheiden, eine südliche, die sächsische, und eine nördliche, die anglische. Vieles Altnordische wurde eingeführt durch die öfteren Einfälle der skan¬ dinavischen Normannen d. i. Norweger und Dänen, namentlich aber dadurch, daß die letzteren sich wohnlich niederließen und endlich dänische Könige von 1002 bis 1041 das angelsächsische Reich beherrschten. Den nördlichen Mund¬ arten Englands ist infolge dieses altnordischen Einflusses ein einfacher, dunkler Vocalismus, ein härterer Konsonantismus und manches andere eigenthümlich. Bereits vor der Eroberung Englands durch die französischen Nor- mannen begann das Französische in England einzudringen. Eduard der Be- kenner wurde an dem Hofe des Normanncnherzogs Richard erzogen. Als er mit zahlreichem Gefolge nach England zurückkehrte, ward französische Sprache und Sitte am Hofe heimisch. Daß nach der Invasion mit der Macht und dem Einflüsse der Normannen sich auch ihre Sprache stets mehr verbreitete und befestigte, war nicht zu verwundern. Wie nun im Laufe der Zeit Heide Sprachen, das Angelsächsische und das normannische, gegenseitig auf einander wirkten, wie groß namentlich der Einfluß des Französischen auf die Ausbildung der englischen Sprache gewesen, wollen wir hier nicht weiter ausführen. Wir beschränken uns auf die Bemerkung, daß für die Sprachvcrhältnisse jener Zeit die didactische Poesie vorzugsweise charakteristisch ist. Sie beginnt lateinisch um die Mitte des zwölften Jahrhunderts, wird im dreizehnten Jahrhundert fran¬ zösisch und im vierzehnten Jahrhundert englisch. Während ficZzuerst Ausdruck frommen Eifers ist und sich an die kirchlichen Gelehrten wendet, will sie im frau-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/284>, abgerufen am 23.07.2024.