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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Dies hatte Grant gewollt, er zog in der Nacht zum 30. das 2. Corps über
den Jamesfluß zurück, ließ in aller Frühe des 30. die Mine fliegen und unter¬
nahm mit zwei Corps, dem 9. und 18. den Sturm. Beauregard schlug ihn
zurück und brachte dem Gegner einen Verlust von 3600 Mann bei, während
er selbst nur 1200 Mann opferte. Die Angriffe nördlich des Jamesflusses
hatten der Union ebenfalls über S000 Mann gekostet und so war die Unter¬
nehmungslust Granes für die nächste Zeit abgeschwächt, er gab willig ein Corps,
das 6., nach Washington ab, um den Einfall der Conföderirten in Maryland
zurückzuschlagen. Vor Petersburg und Richmond trat ein Stillstand ein, der
bis heute nur durch partielle Unternehmungen, entweder an der Weldonbahn
oder aber nördlich des Jamesriver unterbrochen wurde. Die Thätigkeit des
Belagerungsbeeres wurde durch Befestigungsarbeiten in Anspruch genommen,
die nur deshalb bis heute noch keine in das Gewicht fallende Fortschritte ge¬
macht haben, weil sie in zu großer Ausdehnung unternommen wurden. --
Grant, dessen Truppen durch die klimatischen Verhältnisse anhaltend decimirt
werden, hat nach den verlustreichen Schlachten des Sommers die Ueberzeugung
gewonnen, daß er ohne das Eintreffen bedeutender Verstärkungen nicht im
Stande sei. srine Aufgabe, die Eroberung von Richmond durchzusetzen. Hof¬
fend blickt er auf Sherman, aber wenn die Conföderirten nur ein wenig ihre
alte Thatkraft behalten haben, kann dieser nur mit Trümmern seiner Armee
zu Grant stoßen. Das Klügste wäre deshalb, er zöge sich zurück und begönne
den Kampf von Neuem von Washington aus. das Land erobernd und organi-
sirend, aber nicht verwüstend; doch der Stolz hält ihn fest. Die Union hatte
ihm beim Beginn des Jahres vertrauensvoll die gesammten Streitkräfte in
die Hand gegeben, sie war überzeugt, daß er den Krieg in diesem Jahre zu
Ende führe und nun soll er sich selbst besiegt bekennen, das kann er nicht.
Er wird bleiben bis er zurückgerufen wird, oder Lee ihn durch glücklichen
Angriff nöthigt, oder aber bis der Winter ihn zwingt Schutz zu suchen.

Aber nicht nur Grant, sondern auch Sherman hat das große Vertrauen,
das man in ihn gesetzt, getäuscht. An Energie hat es keiner von beiden fehlen
lassen, wohl aber an der einfachen Fundamentirung seiner Unternehmungen. --
Sherman, der Nachfolger Granes in dem Commando der Truppen im Westen,
hatte bereits vor Antritt dieses Kommandos in den ersten Tagen des Februar
von Vicksburg aus mit dem 16. und 17. Corps einen Einfall bis in den
Staat Alabama gemacht und hatte diese Bewegung mit einem Vormarsch des
U. G. Smith mit 10,000 Pferden von Corinth aus combinirt. den Conföde¬
rirten war es aber gelungen, sich zwischen beide zu werfen, sie einzeln zu schla¬
gen und gleichzeitig die beiderseitige lange Rückzugslinie zu bedrohen. Die
Folge war, daß beide Generale sich beeilten, wieder zurück zu kommen; natür¬
lich unter obligater Zerstörung der Eisenbahn und möglichster Verwüstung des


Grenzboten I. 186ö. 33

Dies hatte Grant gewollt, er zog in der Nacht zum 30. das 2. Corps über
den Jamesfluß zurück, ließ in aller Frühe des 30. die Mine fliegen und unter¬
nahm mit zwei Corps, dem 9. und 18. den Sturm. Beauregard schlug ihn
zurück und brachte dem Gegner einen Verlust von 3600 Mann bei, während
er selbst nur 1200 Mann opferte. Die Angriffe nördlich des Jamesflusses
hatten der Union ebenfalls über S000 Mann gekostet und so war die Unter¬
nehmungslust Granes für die nächste Zeit abgeschwächt, er gab willig ein Corps,
das 6., nach Washington ab, um den Einfall der Conföderirten in Maryland
zurückzuschlagen. Vor Petersburg und Richmond trat ein Stillstand ein, der
bis heute nur durch partielle Unternehmungen, entweder an der Weldonbahn
oder aber nördlich des Jamesriver unterbrochen wurde. Die Thätigkeit des
Belagerungsbeeres wurde durch Befestigungsarbeiten in Anspruch genommen,
die nur deshalb bis heute noch keine in das Gewicht fallende Fortschritte ge¬
macht haben, weil sie in zu großer Ausdehnung unternommen wurden. —
Grant, dessen Truppen durch die klimatischen Verhältnisse anhaltend decimirt
werden, hat nach den verlustreichen Schlachten des Sommers die Ueberzeugung
gewonnen, daß er ohne das Eintreffen bedeutender Verstärkungen nicht im
Stande sei. srine Aufgabe, die Eroberung von Richmond durchzusetzen. Hof¬
fend blickt er auf Sherman, aber wenn die Conföderirten nur ein wenig ihre
alte Thatkraft behalten haben, kann dieser nur mit Trümmern seiner Armee
zu Grant stoßen. Das Klügste wäre deshalb, er zöge sich zurück und begönne
den Kampf von Neuem von Washington aus. das Land erobernd und organi-
sirend, aber nicht verwüstend; doch der Stolz hält ihn fest. Die Union hatte
ihm beim Beginn des Jahres vertrauensvoll die gesammten Streitkräfte in
die Hand gegeben, sie war überzeugt, daß er den Krieg in diesem Jahre zu
Ende führe und nun soll er sich selbst besiegt bekennen, das kann er nicht.
Er wird bleiben bis er zurückgerufen wird, oder Lee ihn durch glücklichen
Angriff nöthigt, oder aber bis der Winter ihn zwingt Schutz zu suchen.

Aber nicht nur Grant, sondern auch Sherman hat das große Vertrauen,
das man in ihn gesetzt, getäuscht. An Energie hat es keiner von beiden fehlen
lassen, wohl aber an der einfachen Fundamentirung seiner Unternehmungen. —
Sherman, der Nachfolger Granes in dem Commando der Truppen im Westen,
hatte bereits vor Antritt dieses Kommandos in den ersten Tagen des Februar
von Vicksburg aus mit dem 16. und 17. Corps einen Einfall bis in den
Staat Alabama gemacht und hatte diese Bewegung mit einem Vormarsch des
U. G. Smith mit 10,000 Pferden von Corinth aus combinirt. den Conföde¬
rirten war es aber gelungen, sich zwischen beide zu werfen, sie einzeln zu schla¬
gen und gleichzeitig die beiderseitige lange Rückzugslinie zu bedrohen. Die
Folge war, daß beide Generale sich beeilten, wieder zurück zu kommen; natür¬
lich unter obligater Zerstörung der Eisenbahn und möglichster Verwüstung des


Grenzboten I. 186ö. 33
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[0275] Dies hatte Grant gewollt, er zog in der Nacht zum 30. das 2. Corps über den Jamesfluß zurück, ließ in aller Frühe des 30. die Mine fliegen und unter¬ nahm mit zwei Corps, dem 9. und 18. den Sturm. Beauregard schlug ihn zurück und brachte dem Gegner einen Verlust von 3600 Mann bei, während er selbst nur 1200 Mann opferte. Die Angriffe nördlich des Jamesflusses hatten der Union ebenfalls über S000 Mann gekostet und so war die Unter¬ nehmungslust Granes für die nächste Zeit abgeschwächt, er gab willig ein Corps, das 6., nach Washington ab, um den Einfall der Conföderirten in Maryland zurückzuschlagen. Vor Petersburg und Richmond trat ein Stillstand ein, der bis heute nur durch partielle Unternehmungen, entweder an der Weldonbahn oder aber nördlich des Jamesriver unterbrochen wurde. Die Thätigkeit des Belagerungsbeeres wurde durch Befestigungsarbeiten in Anspruch genommen, die nur deshalb bis heute noch keine in das Gewicht fallende Fortschritte ge¬ macht haben, weil sie in zu großer Ausdehnung unternommen wurden. — Grant, dessen Truppen durch die klimatischen Verhältnisse anhaltend decimirt werden, hat nach den verlustreichen Schlachten des Sommers die Ueberzeugung gewonnen, daß er ohne das Eintreffen bedeutender Verstärkungen nicht im Stande sei. srine Aufgabe, die Eroberung von Richmond durchzusetzen. Hof¬ fend blickt er auf Sherman, aber wenn die Conföderirten nur ein wenig ihre alte Thatkraft behalten haben, kann dieser nur mit Trümmern seiner Armee zu Grant stoßen. Das Klügste wäre deshalb, er zöge sich zurück und begönne den Kampf von Neuem von Washington aus. das Land erobernd und organi- sirend, aber nicht verwüstend; doch der Stolz hält ihn fest. Die Union hatte ihm beim Beginn des Jahres vertrauensvoll die gesammten Streitkräfte in die Hand gegeben, sie war überzeugt, daß er den Krieg in diesem Jahre zu Ende führe und nun soll er sich selbst besiegt bekennen, das kann er nicht. Er wird bleiben bis er zurückgerufen wird, oder Lee ihn durch glücklichen Angriff nöthigt, oder aber bis der Winter ihn zwingt Schutz zu suchen. Aber nicht nur Grant, sondern auch Sherman hat das große Vertrauen, das man in ihn gesetzt, getäuscht. An Energie hat es keiner von beiden fehlen lassen, wohl aber an der einfachen Fundamentirung seiner Unternehmungen. — Sherman, der Nachfolger Granes in dem Commando der Truppen im Westen, hatte bereits vor Antritt dieses Kommandos in den ersten Tagen des Februar von Vicksburg aus mit dem 16. und 17. Corps einen Einfall bis in den Staat Alabama gemacht und hatte diese Bewegung mit einem Vormarsch des U. G. Smith mit 10,000 Pferden von Corinth aus combinirt. den Conföde¬ rirten war es aber gelungen, sich zwischen beide zu werfen, sie einzeln zu schla¬ gen und gleichzeitig die beiderseitige lange Rückzugslinie zu bedrohen. Die Folge war, daß beide Generale sich beeilten, wieder zurück zu kommen; natür¬ lich unter obligater Zerstörung der Eisenbahn und möglichster Verwüstung des Grenzboten I. 186ö. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/275>, abgerufen am 23.07.2024.