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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Ziehung mehr zu einer Geldoperation, als zu einer Nckrutengestellung. Im
Laufe 1864 sind noch zweimal 500.000 Mann, also eine Million Rekruten aus¬
geschrieben und haben hoch gerechnet 100,000 Mann gebracht. -- Das Schlimmste
aber ist, daß jedem das Recht zusteht, einen Stellvertreter zu stellen und hierzu
auch Neger genommen werden können. Daraus ist ein Menschenhandel ent¬
standen, der einerseits sich nach Europa wendet und dort Männer zur Aus¬
wanderung verführt und bei der Ankunft zum Soldaten preßt, andrerseits aber
in den Sklavenstaaten, selbst innerhalb der conföderirten. seinen Markt auf¬
geschlagen hat und Neger zur Freiheit durch Soldatendienst verlockt. -- Die
besten und zahlreichsten Elemente für Soldatendienst, die Deutschen und Jrländer,
hat man durch auffallende Bevorzugung des englischen Elements im Avance¬
ment zurückgestoßen und so mehrt sich das dem Staate fremde Element in der
Armee mit jedem Tage. Im Anfang dieses Jahres hatte die Unionsarmee
65,000 Mann Neger in eignen numerirten Regimentern activ; heute betragen
sie mindestens das Doppelte. In große Verlegenheit mit seinen Truppen kam
der Norden im Laufe des Jahres 1864 dadurch, daß die Dienstzeit der 1861
eingestellten, dreijährigen Volunteers mitten im Sommer zu Ende ging. Man
suchte diese Veteranen durch Neuanwerbung zu erhalten und in eigene Corps
zu formiren. Man gewann hierdurch eine Elitetruppe, das zweite Corps von
Hancok, aber keine Cadres für die Rekruten und beging den Fehler, das Corps
statt zur letzten Entscheidung, immer zur Einleitung aller Gefechte zu ver¬
wenden und dadurch sehr rasch abzunutzen. Den vorwiegenden Ersatz der Unions¬
armee nahm man bann in Negern, die stets in sich eine eigene Truppe bilden.
Welche Schwierigkeiten der Union und der Republik aus diesen farbigen Re¬
gimentern am Schluß des Krieges und in der Hand eines ehrgeizigen Generals
oder Präsidenten erwachsen können, wollen wir der Zukunft überlassen.

Wie wenig Werth die Regierung auf den Soldaten als Staatsmitglied
legt, geht aus.dem Umstände hervor, daß man die Kriegsgefangenen, deren
Dienstzeit inzwischen abgelaufen war, nicht austauschen wollte, sondern in den
von den Conföderirten wahrscheinlich absichtlich immer ungesunder ausgewählten
Kerkern fortsterben ließ, bis das Geschrei der Angehörigen nicht mehr überhört
werden konnte. Der Staat wollte dem Süden nicht Soldaten wiedergeben und
dagegen nur Bürger austauschen, man wollte nicht einen Gegner verstärken,
den man nur durch Erschöpfung zu überwinden weiß.

Die Conföderirten leiden vor allen Dingen Mangel an Menschen, um die
Heere auf der entsprechenden Stärke zu erhalten; nur durch die größte Strenge
und Härte in der Durchführung der Conscription gelang es ihnen, im Laufe
des Winters ihre Heere wieder widerstandsfähig zu machen und diesen eine
der Stärke des Gegners einigermaßen entsprechende Anzahl zu geben. -- Sie
waren aber nicht im Stande, die Zeit der Schwäche des Gegners, das Frühjahr,


Ziehung mehr zu einer Geldoperation, als zu einer Nckrutengestellung. Im
Laufe 1864 sind noch zweimal 500.000 Mann, also eine Million Rekruten aus¬
geschrieben und haben hoch gerechnet 100,000 Mann gebracht. — Das Schlimmste
aber ist, daß jedem das Recht zusteht, einen Stellvertreter zu stellen und hierzu
auch Neger genommen werden können. Daraus ist ein Menschenhandel ent¬
standen, der einerseits sich nach Europa wendet und dort Männer zur Aus¬
wanderung verführt und bei der Ankunft zum Soldaten preßt, andrerseits aber
in den Sklavenstaaten, selbst innerhalb der conföderirten. seinen Markt auf¬
geschlagen hat und Neger zur Freiheit durch Soldatendienst verlockt. — Die
besten und zahlreichsten Elemente für Soldatendienst, die Deutschen und Jrländer,
hat man durch auffallende Bevorzugung des englischen Elements im Avance¬
ment zurückgestoßen und so mehrt sich das dem Staate fremde Element in der
Armee mit jedem Tage. Im Anfang dieses Jahres hatte die Unionsarmee
65,000 Mann Neger in eignen numerirten Regimentern activ; heute betragen
sie mindestens das Doppelte. In große Verlegenheit mit seinen Truppen kam
der Norden im Laufe des Jahres 1864 dadurch, daß die Dienstzeit der 1861
eingestellten, dreijährigen Volunteers mitten im Sommer zu Ende ging. Man
suchte diese Veteranen durch Neuanwerbung zu erhalten und in eigene Corps
zu formiren. Man gewann hierdurch eine Elitetruppe, das zweite Corps von
Hancok, aber keine Cadres für die Rekruten und beging den Fehler, das Corps
statt zur letzten Entscheidung, immer zur Einleitung aller Gefechte zu ver¬
wenden und dadurch sehr rasch abzunutzen. Den vorwiegenden Ersatz der Unions¬
armee nahm man bann in Negern, die stets in sich eine eigene Truppe bilden.
Welche Schwierigkeiten der Union und der Republik aus diesen farbigen Re¬
gimentern am Schluß des Krieges und in der Hand eines ehrgeizigen Generals
oder Präsidenten erwachsen können, wollen wir der Zukunft überlassen.

Wie wenig Werth die Regierung auf den Soldaten als Staatsmitglied
legt, geht aus.dem Umstände hervor, daß man die Kriegsgefangenen, deren
Dienstzeit inzwischen abgelaufen war, nicht austauschen wollte, sondern in den
von den Conföderirten wahrscheinlich absichtlich immer ungesunder ausgewählten
Kerkern fortsterben ließ, bis das Geschrei der Angehörigen nicht mehr überhört
werden konnte. Der Staat wollte dem Süden nicht Soldaten wiedergeben und
dagegen nur Bürger austauschen, man wollte nicht einen Gegner verstärken,
den man nur durch Erschöpfung zu überwinden weiß.

Die Conföderirten leiden vor allen Dingen Mangel an Menschen, um die
Heere auf der entsprechenden Stärke zu erhalten; nur durch die größte Strenge
und Härte in der Durchführung der Conscription gelang es ihnen, im Laufe
des Winters ihre Heere wieder widerstandsfähig zu machen und diesen eine
der Stärke des Gegners einigermaßen entsprechende Anzahl zu geben. — Sie
waren aber nicht im Stande, die Zeit der Schwäche des Gegners, das Frühjahr,


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[0268] Ziehung mehr zu einer Geldoperation, als zu einer Nckrutengestellung. Im Laufe 1864 sind noch zweimal 500.000 Mann, also eine Million Rekruten aus¬ geschrieben und haben hoch gerechnet 100,000 Mann gebracht. — Das Schlimmste aber ist, daß jedem das Recht zusteht, einen Stellvertreter zu stellen und hierzu auch Neger genommen werden können. Daraus ist ein Menschenhandel ent¬ standen, der einerseits sich nach Europa wendet und dort Männer zur Aus¬ wanderung verführt und bei der Ankunft zum Soldaten preßt, andrerseits aber in den Sklavenstaaten, selbst innerhalb der conföderirten. seinen Markt auf¬ geschlagen hat und Neger zur Freiheit durch Soldatendienst verlockt. — Die besten und zahlreichsten Elemente für Soldatendienst, die Deutschen und Jrländer, hat man durch auffallende Bevorzugung des englischen Elements im Avance¬ ment zurückgestoßen und so mehrt sich das dem Staate fremde Element in der Armee mit jedem Tage. Im Anfang dieses Jahres hatte die Unionsarmee 65,000 Mann Neger in eignen numerirten Regimentern activ; heute betragen sie mindestens das Doppelte. In große Verlegenheit mit seinen Truppen kam der Norden im Laufe des Jahres 1864 dadurch, daß die Dienstzeit der 1861 eingestellten, dreijährigen Volunteers mitten im Sommer zu Ende ging. Man suchte diese Veteranen durch Neuanwerbung zu erhalten und in eigene Corps zu formiren. Man gewann hierdurch eine Elitetruppe, das zweite Corps von Hancok, aber keine Cadres für die Rekruten und beging den Fehler, das Corps statt zur letzten Entscheidung, immer zur Einleitung aller Gefechte zu ver¬ wenden und dadurch sehr rasch abzunutzen. Den vorwiegenden Ersatz der Unions¬ armee nahm man bann in Negern, die stets in sich eine eigene Truppe bilden. Welche Schwierigkeiten der Union und der Republik aus diesen farbigen Re¬ gimentern am Schluß des Krieges und in der Hand eines ehrgeizigen Generals oder Präsidenten erwachsen können, wollen wir der Zukunft überlassen. Wie wenig Werth die Regierung auf den Soldaten als Staatsmitglied legt, geht aus.dem Umstände hervor, daß man die Kriegsgefangenen, deren Dienstzeit inzwischen abgelaufen war, nicht austauschen wollte, sondern in den von den Conföderirten wahrscheinlich absichtlich immer ungesunder ausgewählten Kerkern fortsterben ließ, bis das Geschrei der Angehörigen nicht mehr überhört werden konnte. Der Staat wollte dem Süden nicht Soldaten wiedergeben und dagegen nur Bürger austauschen, man wollte nicht einen Gegner verstärken, den man nur durch Erschöpfung zu überwinden weiß. Die Conföderirten leiden vor allen Dingen Mangel an Menschen, um die Heere auf der entsprechenden Stärke zu erhalten; nur durch die größte Strenge und Härte in der Durchführung der Conscription gelang es ihnen, im Laufe des Winters ihre Heere wieder widerstandsfähig zu machen und diesen eine der Stärke des Gegners einigermaßen entsprechende Anzahl zu geben. — Sie waren aber nicht im Stande, die Zeit der Schwäche des Gegners, das Frühjahr,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/268>, abgerufen am 23.07.2024.