Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gefechten, in welchen Grant mit großer Uebermacht siegte, Johnston überall
zurückwarf und gänzlich von der Festung abschnitt. Er schloß nunmehr die
Stadt auch auf dem linken Ufer ganz ein und entschied sich, dieselbe zu stürmen,
ehe C. G. Johnston mit der aus Tennessee rasch verstärkten Entsatzarmee heran¬
rücken könnte. Am 19. und 20. Mai wurde gestürmt, aber vergeblich, am
23. begann deshalb eine reguläre Belagerung des Ortes und der Feind ge¬
stattete ihm dieselbe ohne Störung fortzuführen, bis am 3. Juli der Com¬
mandant, C. G. Pemberton sich mit Is Generalen und 31,000 Mann zur
Uebergabe beredt erklärte. Die Gefangenen wurden auf Ehrenwort ent¬
lassen, die Stadt besetzt, und ungesäumt gegen Jackson vorgegangen, um
diesen Centralpunkt der Eisenbahn zu nehmen und dadurch die Annäherung
der Consöderirten zu erschweren. Am 8. Juli capitulirte auch das von
G. Banks von Neuorleans her angegriffene Port Hudson und damit waren
alle festen Punkte am Mississippi in den Händen der Union. Am 17. Juli
langte der erste Dampfer von Se. Louis wieder in Neuorleans an. Grant
ließ den General Mac Pherson in Vicksburg zurück und zog seine Armee meist
zu Wasser wieder in die Linie Memphis-Corinth zurück. -- So war der Besitz
der Union auf die Flußlime mit einzelnen festen Punkten beschränkt und die
Benutzung der großen Cvmmunicationslinie blieb an allen nicht besetzten
Punkten den Angriffen der Uferbewohner und Guerilla-Landen ausgesetzt. Die
Handelsstraße ist deshalb auch heute noch nicht als vollständig geöffnet an¬
zusehen.

Es muß zunächst auffallen, daß die Conföderirten, nachdem Grant die
Festung eingeschlossen, gar keinen Versuch gemacht haben die Festung zu ent¬
setzen und die Truppen der Union in ihrer sehr gewagten Lage anzugreifen.
Gewagt muß dieselbe genannt werben, da Grant nur den Fluß mit seiner
Flotte als Basis hatte, durch den Fluß die Kräfte getheilt waren und die
klimatischen Verhältnisse an der Gesundheit der Mannschaften ganz ungemein
zehrten. Andrerseits muß es unerklärlich erscheinen, daß man die Eroberung
von Vicksburg von Seiten der Union nicht derart ausnutzte, daß man Jackson
als Festung organisirte, die Eisenbahn von hier nach Corinth militärisch be¬
setzte und die Eroberung des Staates Mississippi vollendete.

In der erstem Beziehung wird der Verlauf der kriegerischen Ereignisse dar¬
thun, daß die Conföderirten auf dem nächsten Kriegsschauplatz in Tennessee
selbst so bedrängt waren, daß sie keine Truppen entbehren konnten und daß sie
überhaupt nicht den Werth auf das Kriegstheater am Mississippi legten, welchen
es an sich hat, sondern von der Ansicht ausgingen, daß ein Erfolg bei Wa¬
shington die höchste Bedeutung habe und ihnen allein den Sieg verschaffen
könne. Sie concentrirten deshalb dorthin alle Kräfte. Hier aber liegt ein
Irrthum, denn da die Weststaaten augenblicklich das Uebergewicht, die leitend


gefechten, in welchen Grant mit großer Uebermacht siegte, Johnston überall
zurückwarf und gänzlich von der Festung abschnitt. Er schloß nunmehr die
Stadt auch auf dem linken Ufer ganz ein und entschied sich, dieselbe zu stürmen,
ehe C. G. Johnston mit der aus Tennessee rasch verstärkten Entsatzarmee heran¬
rücken könnte. Am 19. und 20. Mai wurde gestürmt, aber vergeblich, am
23. begann deshalb eine reguläre Belagerung des Ortes und der Feind ge¬
stattete ihm dieselbe ohne Störung fortzuführen, bis am 3. Juli der Com¬
mandant, C. G. Pemberton sich mit Is Generalen und 31,000 Mann zur
Uebergabe beredt erklärte. Die Gefangenen wurden auf Ehrenwort ent¬
lassen, die Stadt besetzt, und ungesäumt gegen Jackson vorgegangen, um
diesen Centralpunkt der Eisenbahn zu nehmen und dadurch die Annäherung
der Consöderirten zu erschweren. Am 8. Juli capitulirte auch das von
G. Banks von Neuorleans her angegriffene Port Hudson und damit waren
alle festen Punkte am Mississippi in den Händen der Union. Am 17. Juli
langte der erste Dampfer von Se. Louis wieder in Neuorleans an. Grant
ließ den General Mac Pherson in Vicksburg zurück und zog seine Armee meist
zu Wasser wieder in die Linie Memphis-Corinth zurück. — So war der Besitz
der Union auf die Flußlime mit einzelnen festen Punkten beschränkt und die
Benutzung der großen Cvmmunicationslinie blieb an allen nicht besetzten
Punkten den Angriffen der Uferbewohner und Guerilla-Landen ausgesetzt. Die
Handelsstraße ist deshalb auch heute noch nicht als vollständig geöffnet an¬
zusehen.

Es muß zunächst auffallen, daß die Conföderirten, nachdem Grant die
Festung eingeschlossen, gar keinen Versuch gemacht haben die Festung zu ent¬
setzen und die Truppen der Union in ihrer sehr gewagten Lage anzugreifen.
Gewagt muß dieselbe genannt werben, da Grant nur den Fluß mit seiner
Flotte als Basis hatte, durch den Fluß die Kräfte getheilt waren und die
klimatischen Verhältnisse an der Gesundheit der Mannschaften ganz ungemein
zehrten. Andrerseits muß es unerklärlich erscheinen, daß man die Eroberung
von Vicksburg von Seiten der Union nicht derart ausnutzte, daß man Jackson
als Festung organisirte, die Eisenbahn von hier nach Corinth militärisch be¬
setzte und die Eroberung des Staates Mississippi vollendete.

In der erstem Beziehung wird der Verlauf der kriegerischen Ereignisse dar¬
thun, daß die Conföderirten auf dem nächsten Kriegsschauplatz in Tennessee
selbst so bedrängt waren, daß sie keine Truppen entbehren konnten und daß sie
überhaupt nicht den Werth auf das Kriegstheater am Mississippi legten, welchen
es an sich hat, sondern von der Ansicht ausgingen, daß ein Erfolg bei Wa¬
shington die höchste Bedeutung habe und ihnen allein den Sieg verschaffen
könne. Sie concentrirten deshalb dorthin alle Kräfte. Hier aber liegt ein
Irrthum, denn da die Weststaaten augenblicklich das Uebergewicht, die leitend


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0248" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282489"/>
          <p xml:id="ID_658" prev="#ID_657"> gefechten, in welchen Grant mit großer Uebermacht siegte, Johnston überall<lb/>
zurückwarf und gänzlich von der Festung abschnitt. Er schloß nunmehr die<lb/>
Stadt auch auf dem linken Ufer ganz ein und entschied sich, dieselbe zu stürmen,<lb/>
ehe C. G. Johnston mit der aus Tennessee rasch verstärkten Entsatzarmee heran¬<lb/>
rücken könnte. Am 19. und 20. Mai wurde gestürmt, aber vergeblich, am<lb/>
23. begann deshalb eine reguläre Belagerung des Ortes und der Feind ge¬<lb/>
stattete ihm dieselbe ohne Störung fortzuführen, bis am 3. Juli der Com¬<lb/>
mandant, C. G. Pemberton sich mit Is Generalen und 31,000 Mann zur<lb/>
Uebergabe beredt erklärte. Die Gefangenen wurden auf Ehrenwort ent¬<lb/>
lassen, die Stadt besetzt, und ungesäumt gegen Jackson vorgegangen, um<lb/>
diesen Centralpunkt der Eisenbahn zu nehmen und dadurch die Annäherung<lb/>
der Consöderirten zu erschweren. Am 8. Juli capitulirte auch das von<lb/>
G. Banks von Neuorleans her angegriffene Port Hudson und damit waren<lb/>
alle festen Punkte am Mississippi in den Händen der Union. Am 17. Juli<lb/>
langte der erste Dampfer von Se. Louis wieder in Neuorleans an. Grant<lb/>
ließ den General Mac Pherson in Vicksburg zurück und zog seine Armee meist<lb/>
zu Wasser wieder in die Linie Memphis-Corinth zurück. &#x2014; So war der Besitz<lb/>
der Union auf die Flußlime mit einzelnen festen Punkten beschränkt und die<lb/>
Benutzung der großen Cvmmunicationslinie blieb an allen nicht besetzten<lb/>
Punkten den Angriffen der Uferbewohner und Guerilla-Landen ausgesetzt. Die<lb/>
Handelsstraße ist deshalb auch heute noch nicht als vollständig geöffnet an¬<lb/>
zusehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_659"> Es muß zunächst auffallen, daß die Conföderirten, nachdem Grant die<lb/>
Festung eingeschlossen, gar keinen Versuch gemacht haben die Festung zu ent¬<lb/>
setzen und die Truppen der Union in ihrer sehr gewagten Lage anzugreifen.<lb/>
Gewagt muß dieselbe genannt werben, da Grant nur den Fluß mit seiner<lb/>
Flotte als Basis hatte, durch den Fluß die Kräfte getheilt waren und die<lb/>
klimatischen Verhältnisse an der Gesundheit der Mannschaften ganz ungemein<lb/>
zehrten. Andrerseits muß es unerklärlich erscheinen, daß man die Eroberung<lb/>
von Vicksburg von Seiten der Union nicht derart ausnutzte, daß man Jackson<lb/>
als Festung organisirte, die Eisenbahn von hier nach Corinth militärisch be¬<lb/>
setzte und die Eroberung des Staates Mississippi vollendete.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_660" next="#ID_661"> In der erstem Beziehung wird der Verlauf der kriegerischen Ereignisse dar¬<lb/>
thun, daß die Conföderirten auf dem nächsten Kriegsschauplatz in Tennessee<lb/>
selbst so bedrängt waren, daß sie keine Truppen entbehren konnten und daß sie<lb/>
überhaupt nicht den Werth auf das Kriegstheater am Mississippi legten, welchen<lb/>
es an sich hat, sondern von der Ansicht ausgingen, daß ein Erfolg bei Wa¬<lb/>
shington die höchste Bedeutung habe und ihnen allein den Sieg verschaffen<lb/>
könne. Sie concentrirten deshalb dorthin alle Kräfte. Hier aber liegt ein<lb/>
Irrthum, denn da die Weststaaten augenblicklich das Uebergewicht, die leitend</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0248] gefechten, in welchen Grant mit großer Uebermacht siegte, Johnston überall zurückwarf und gänzlich von der Festung abschnitt. Er schloß nunmehr die Stadt auch auf dem linken Ufer ganz ein und entschied sich, dieselbe zu stürmen, ehe C. G. Johnston mit der aus Tennessee rasch verstärkten Entsatzarmee heran¬ rücken könnte. Am 19. und 20. Mai wurde gestürmt, aber vergeblich, am 23. begann deshalb eine reguläre Belagerung des Ortes und der Feind ge¬ stattete ihm dieselbe ohne Störung fortzuführen, bis am 3. Juli der Com¬ mandant, C. G. Pemberton sich mit Is Generalen und 31,000 Mann zur Uebergabe beredt erklärte. Die Gefangenen wurden auf Ehrenwort ent¬ lassen, die Stadt besetzt, und ungesäumt gegen Jackson vorgegangen, um diesen Centralpunkt der Eisenbahn zu nehmen und dadurch die Annäherung der Consöderirten zu erschweren. Am 8. Juli capitulirte auch das von G. Banks von Neuorleans her angegriffene Port Hudson und damit waren alle festen Punkte am Mississippi in den Händen der Union. Am 17. Juli langte der erste Dampfer von Se. Louis wieder in Neuorleans an. Grant ließ den General Mac Pherson in Vicksburg zurück und zog seine Armee meist zu Wasser wieder in die Linie Memphis-Corinth zurück. — So war der Besitz der Union auf die Flußlime mit einzelnen festen Punkten beschränkt und die Benutzung der großen Cvmmunicationslinie blieb an allen nicht besetzten Punkten den Angriffen der Uferbewohner und Guerilla-Landen ausgesetzt. Die Handelsstraße ist deshalb auch heute noch nicht als vollständig geöffnet an¬ zusehen. Es muß zunächst auffallen, daß die Conföderirten, nachdem Grant die Festung eingeschlossen, gar keinen Versuch gemacht haben die Festung zu ent¬ setzen und die Truppen der Union in ihrer sehr gewagten Lage anzugreifen. Gewagt muß dieselbe genannt werben, da Grant nur den Fluß mit seiner Flotte als Basis hatte, durch den Fluß die Kräfte getheilt waren und die klimatischen Verhältnisse an der Gesundheit der Mannschaften ganz ungemein zehrten. Andrerseits muß es unerklärlich erscheinen, daß man die Eroberung von Vicksburg von Seiten der Union nicht derart ausnutzte, daß man Jackson als Festung organisirte, die Eisenbahn von hier nach Corinth militärisch be¬ setzte und die Eroberung des Staates Mississippi vollendete. In der erstem Beziehung wird der Verlauf der kriegerischen Ereignisse dar¬ thun, daß die Conföderirten auf dem nächsten Kriegsschauplatz in Tennessee selbst so bedrängt waren, daß sie keine Truppen entbehren konnten und daß sie überhaupt nicht den Werth auf das Kriegstheater am Mississippi legten, welchen es an sich hat, sondern von der Ansicht ausgingen, daß ein Erfolg bei Wa¬ shington die höchste Bedeutung habe und ihnen allein den Sieg verschaffen könne. Sie concentrirten deshalb dorthin alle Kräfte. Hier aber liegt ein Irrthum, denn da die Weststaaten augenblicklich das Uebergewicht, die leitend

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/248
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/248>, abgerufen am 23.07.2024.