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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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den Farbenschichte -- die koloristische Wirkung desselben theilweise oder ganz
vernichtet. Aber nicht von der Commission, sondern von anderer Seite wurde
das Ministerium auf dieses Uebel aufmerksam gemacht. Als dann das wissen¬
schaftliche Mitglied, das daraufhin als sachverständig zur Untersuchung berufen
worden, sowohl die Natur des Uebels erkannt als ein Verfahren zu seiner Be¬
seitigung gefunden zu haben glaubte, da ließ es die Commission geschehen,
daß diesem ohne vorhergehende gründliche Prüfung einige Meisterwerke zur
"Regeneration", wie man den Herstellungsproceß nannte, anvertraut wurden.
Als sich weiter über die Brauchbarkeit und den Erfolg dieses Verfahrens eine
Debatte entspann, schlug sie sich ohne Weiteres auf die Seite des Letzteren,
statt Vorurtheilslos über den Dingen und Parteien zu stehen. Die bedenklichste
Verwahrlosung endlich, die sich an den Bildern der Pinakothek zeigt, besteht in
dem Aufstehen und allmäligen Sichablösen der Farbe: ein Uebel, das, wie
ebenfalls jene Artikel der Süddeutschen Zeitung nachweisen, auch einen Theil
der Meisterwerke mit ergriffen hat. Ob und wie weit die Commilsion hierfür
ein Auge gehabt und Abhilfe getroffen hat, ist bis jetzt nicht ersichtlich; es
müßte denn sein, daß sie ganz neuerdings, nachdem die Sache öffentlich be¬
sprochen ist, sich damit beschäftigt.

Was das -- kürzlich von England aus bekannt gewordene -- pettenkofer-
sche Regenerationsverfahren anlangt, so wird über dessen endgiltigen Werth
nur die Erfahrung eines längeren Zeitraums entscheiden können. Möglich, daß
die Natur des Uebels richtig erkannt und da schon damit manches gewonnen,
die Untersuchung dankenswerth ist. Die Regeneration selber, welche, so hieß
es anfänglich, das Bild durchaus nicht berührt, doch öfters, wie sich nun zeigt,
nach der eigentlichen Procedur wieder Firniß oder Kopaivabalsam aufträgt, soll
lediglich auf den (durch "den Verlust des molekularen Zusammenhangs") schad¬
haft gewordenen Firniß wirken, läßt sich also nur da anwenden, wo es sich,
um das Bild wieder zu klären, um eine Wiederherstellung des Firnisses
handelt. In diesen Fällen entfernt sie allerdings, wie die bezüglichen Bilder
zeigen, die Trübung und stellt die Klarheit der farbigen Erscheinung zum gro¬
ßen Theil wieder her. Dagegen giebt sie dieser -- wie oft auch die Commission
und Professor Pettcnkvfer es läugnen mögen -- sehr oft ein gläsernes, por¬
zellanhaftes Aussehen, benimmt ihr zugleich die Fülle und Feinheit des Tons,
verwischt dadurch dessen Charakter und macht nicht blos die vorhandenen Risse
und Sprünge noch sichtbarer, sondern bringt nicht selten, nach der sorgfältigen
Beobachtung von Kennern, noch neue hinzu: was man freilich von der anderen
Seite für eine "optische Täuschung" hat ausgeben wollen (das Nähere hierüber
in den Aufsätzen: das "pettenkofersche Verfahren und die Münchener Pinakothek
von Fr. Pecht in Ur. 210, 212, 214 der Südd. Zeitung von 1864; ferner
in dem Gutachten und der Replik des Directors Engert in Ur. 23 und 25 der


den Farbenschichte — die koloristische Wirkung desselben theilweise oder ganz
vernichtet. Aber nicht von der Commission, sondern von anderer Seite wurde
das Ministerium auf dieses Uebel aufmerksam gemacht. Als dann das wissen¬
schaftliche Mitglied, das daraufhin als sachverständig zur Untersuchung berufen
worden, sowohl die Natur des Uebels erkannt als ein Verfahren zu seiner Be¬
seitigung gefunden zu haben glaubte, da ließ es die Commission geschehen,
daß diesem ohne vorhergehende gründliche Prüfung einige Meisterwerke zur
„Regeneration", wie man den Herstellungsproceß nannte, anvertraut wurden.
Als sich weiter über die Brauchbarkeit und den Erfolg dieses Verfahrens eine
Debatte entspann, schlug sie sich ohne Weiteres auf die Seite des Letzteren,
statt Vorurtheilslos über den Dingen und Parteien zu stehen. Die bedenklichste
Verwahrlosung endlich, die sich an den Bildern der Pinakothek zeigt, besteht in
dem Aufstehen und allmäligen Sichablösen der Farbe: ein Uebel, das, wie
ebenfalls jene Artikel der Süddeutschen Zeitung nachweisen, auch einen Theil
der Meisterwerke mit ergriffen hat. Ob und wie weit die Commilsion hierfür
ein Auge gehabt und Abhilfe getroffen hat, ist bis jetzt nicht ersichtlich; es
müßte denn sein, daß sie ganz neuerdings, nachdem die Sache öffentlich be¬
sprochen ist, sich damit beschäftigt.

Was das — kürzlich von England aus bekannt gewordene — pettenkofer-
sche Regenerationsverfahren anlangt, so wird über dessen endgiltigen Werth
nur die Erfahrung eines längeren Zeitraums entscheiden können. Möglich, daß
die Natur des Uebels richtig erkannt und da schon damit manches gewonnen,
die Untersuchung dankenswerth ist. Die Regeneration selber, welche, so hieß
es anfänglich, das Bild durchaus nicht berührt, doch öfters, wie sich nun zeigt,
nach der eigentlichen Procedur wieder Firniß oder Kopaivabalsam aufträgt, soll
lediglich auf den (durch „den Verlust des molekularen Zusammenhangs") schad¬
haft gewordenen Firniß wirken, läßt sich also nur da anwenden, wo es sich,
um das Bild wieder zu klären, um eine Wiederherstellung des Firnisses
handelt. In diesen Fällen entfernt sie allerdings, wie die bezüglichen Bilder
zeigen, die Trübung und stellt die Klarheit der farbigen Erscheinung zum gro¬
ßen Theil wieder her. Dagegen giebt sie dieser — wie oft auch die Commission
und Professor Pettcnkvfer es läugnen mögen — sehr oft ein gläsernes, por¬
zellanhaftes Aussehen, benimmt ihr zugleich die Fülle und Feinheit des Tons,
verwischt dadurch dessen Charakter und macht nicht blos die vorhandenen Risse
und Sprünge noch sichtbarer, sondern bringt nicht selten, nach der sorgfältigen
Beobachtung von Kennern, noch neue hinzu: was man freilich von der anderen
Seite für eine „optische Täuschung" hat ausgeben wollen (das Nähere hierüber
in den Aufsätzen: das „pettenkofersche Verfahren und die Münchener Pinakothek
von Fr. Pecht in Ur. 210, 212, 214 der Südd. Zeitung von 1864; ferner
in dem Gutachten und der Replik des Directors Engert in Ur. 23 und 25 der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/240>, abgerufen am 23.07.2024.