Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Cornelius die fromme Pracht der katholischen Kirche -- wiedergeboren werden:
sondern der König suchte und fand auch Leute, die ihm das romantische Mittel-
alter wieder herbeizauberten, überdies noch Kräfte, die sich anheischig machten,
der Malerei ein neues großes Feld zu eröffnen, das geschichtliche. Nicht blos
sollte in allen Stilen gebaut werden, und neben Standbildern von großen
und kleinen Männern Erzkoiosse nach Art der Athene Promachos des Phidias
über die Stadt sich erheben, sondern auch die ganze Stoffwelt von der grie¬
chischen Sagenzeit bis zu der neuesten Kunstgeschichte herab, in welcher Ludwig
selber die erste Rolle spielt, im Bilde wiederkehren. Der Menge und Mannig¬
faltigkeit der großen Aufgaben waren die berufenen Meister nicht gewachsen;
es fand sich um sie. die selber, da die neue deutsche Kunst eben ihre ersten
zaghaften Schritte gethan, den Lehrjahren noch kaum entwachsen waren, ein
buntgemischtes Hier von Schülern zusammen, deren Arbeit und Mitwirkung
denn auch über das Schülerhaste nicht hinauskam. So liefen nicht nur in
Verwirrender Gesellschaft die verschiedenartigsten Stoffe -- oft in einem und
demselben monumentalen Raum -- neben einander her. sondern wirkliche Kunst¬
werke und Stümperarbeiten, in denen nicht einmal die Zeichnung des Meisters
mehr zu erkennen war, blind durcheinander (beispielsweise: in den Arkaden
des Hofgartens die wahrhaft classischen Landschaften Rottmanns neben den
Fabrikilluminationen zur bayerischen Geschichte, dann wieder die bessern
Schlachtengemälde von Peter Heß aus dem griechischen Befreiungskampfe). In
dieser Unruhe eines Producirens. das ohne innern Halt, ohne den gemeinsamen
Zug einer stetigen Entwickelung an allen Ecken zugleich begann, und fast ohne
alle Vorbereitung an die größten Aufgaben sich machte, bei dieser betäubenden
Menge von Versuchen, in welcher das Auge vergebens Maß. Zusammenhang
und Ordnung sucht, wie hätte sich da im Künstler eine feste Anschauung bil¬
den, in die Darstellung die Sicherheit der Schule kommen, im Volk ein tieferes
Interesse und künstlerischer Sinn Wurzel fassen können? Ebenso wenig wie der
Künstler ist eine neue Kunstepoche der Pallas Athene gleich, welche fertig in
die Welt springt. Um die treibenden Kräfte und Neigungen ihres Zeitalters
im Bilde zu fassen, muß sie der Formen erst Herr werden, und dazu muß sie
einen allmäligen Bildungsgang durchmachen, in welchem sie ihre eigene An¬
lage entwickelt und zugleich bei den vollendeten Schöpfungen ihrer Vorgänge-
rinnen in die Schule geht. Dann mag sie. wenn sie ihre junge Kraft an be¬
scheidenen Vorwürfen versucht, ein lebendiges Gebilde zu Stande bringen.
Werden ihr aber, so lange sie noch unreif und ungeübt ist, allzu mannich-
faltige. die ganze Welt umfassende Ausgaben und Stoffe, die zudem großen¬
teils ihrer Natur widerstreben, aufgebürdet, so bricht sie unter der Wucht zu¬
sammen und liefert handwerksmäßiges Stückwerk.

Nicht so weit .und ins Universale gegriffen waren die Kunstpläne Maxi-


Grenzboten I. 18KS. 3

Cornelius die fromme Pracht der katholischen Kirche — wiedergeboren werden:
sondern der König suchte und fand auch Leute, die ihm das romantische Mittel-
alter wieder herbeizauberten, überdies noch Kräfte, die sich anheischig machten,
der Malerei ein neues großes Feld zu eröffnen, das geschichtliche. Nicht blos
sollte in allen Stilen gebaut werden, und neben Standbildern von großen
und kleinen Männern Erzkoiosse nach Art der Athene Promachos des Phidias
über die Stadt sich erheben, sondern auch die ganze Stoffwelt von der grie¬
chischen Sagenzeit bis zu der neuesten Kunstgeschichte herab, in welcher Ludwig
selber die erste Rolle spielt, im Bilde wiederkehren. Der Menge und Mannig¬
faltigkeit der großen Aufgaben waren die berufenen Meister nicht gewachsen;
es fand sich um sie. die selber, da die neue deutsche Kunst eben ihre ersten
zaghaften Schritte gethan, den Lehrjahren noch kaum entwachsen waren, ein
buntgemischtes Hier von Schülern zusammen, deren Arbeit und Mitwirkung
denn auch über das Schülerhaste nicht hinauskam. So liefen nicht nur in
Verwirrender Gesellschaft die verschiedenartigsten Stoffe — oft in einem und
demselben monumentalen Raum — neben einander her. sondern wirkliche Kunst¬
werke und Stümperarbeiten, in denen nicht einmal die Zeichnung des Meisters
mehr zu erkennen war, blind durcheinander (beispielsweise: in den Arkaden
des Hofgartens die wahrhaft classischen Landschaften Rottmanns neben den
Fabrikilluminationen zur bayerischen Geschichte, dann wieder die bessern
Schlachtengemälde von Peter Heß aus dem griechischen Befreiungskampfe). In
dieser Unruhe eines Producirens. das ohne innern Halt, ohne den gemeinsamen
Zug einer stetigen Entwickelung an allen Ecken zugleich begann, und fast ohne
alle Vorbereitung an die größten Aufgaben sich machte, bei dieser betäubenden
Menge von Versuchen, in welcher das Auge vergebens Maß. Zusammenhang
und Ordnung sucht, wie hätte sich da im Künstler eine feste Anschauung bil¬
den, in die Darstellung die Sicherheit der Schule kommen, im Volk ein tieferes
Interesse und künstlerischer Sinn Wurzel fassen können? Ebenso wenig wie der
Künstler ist eine neue Kunstepoche der Pallas Athene gleich, welche fertig in
die Welt springt. Um die treibenden Kräfte und Neigungen ihres Zeitalters
im Bilde zu fassen, muß sie der Formen erst Herr werden, und dazu muß sie
einen allmäligen Bildungsgang durchmachen, in welchem sie ihre eigene An¬
lage entwickelt und zugleich bei den vollendeten Schöpfungen ihrer Vorgänge-
rinnen in die Schule geht. Dann mag sie. wenn sie ihre junge Kraft an be¬
scheidenen Vorwürfen versucht, ein lebendiges Gebilde zu Stande bringen.
Werden ihr aber, so lange sie noch unreif und ungeübt ist, allzu mannich-
faltige. die ganze Welt umfassende Ausgaben und Stoffe, die zudem großen¬
teils ihrer Natur widerstreben, aufgebürdet, so bricht sie unter der Wucht zu¬
sammen und liefert handwerksmäßiges Stückwerk.

Nicht so weit .und ins Universale gegriffen waren die Kunstpläne Maxi-


Grenzboten I. 18KS. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282264"/>
          <p xml:id="ID_51" prev="#ID_50"> Cornelius die fromme Pracht der katholischen Kirche &#x2014; wiedergeboren werden:<lb/>
sondern der König suchte und fand auch Leute, die ihm das romantische Mittel-<lb/>
alter wieder herbeizauberten, überdies noch Kräfte, die sich anheischig machten,<lb/>
der Malerei ein neues großes Feld zu eröffnen, das geschichtliche. Nicht blos<lb/>
sollte in allen Stilen gebaut werden, und neben Standbildern von großen<lb/>
und kleinen Männern Erzkoiosse nach Art der Athene Promachos des Phidias<lb/>
über die Stadt sich erheben, sondern auch die ganze Stoffwelt von der grie¬<lb/>
chischen Sagenzeit bis zu der neuesten Kunstgeschichte herab, in welcher Ludwig<lb/>
selber die erste Rolle spielt, im Bilde wiederkehren. Der Menge und Mannig¬<lb/>
faltigkeit der großen Aufgaben waren die berufenen Meister nicht gewachsen;<lb/>
es fand sich um sie. die selber, da die neue deutsche Kunst eben ihre ersten<lb/>
zaghaften Schritte gethan, den Lehrjahren noch kaum entwachsen waren, ein<lb/>
buntgemischtes Hier von Schülern zusammen, deren Arbeit und Mitwirkung<lb/>
denn auch über das Schülerhaste nicht hinauskam. So liefen nicht nur in<lb/>
Verwirrender Gesellschaft die verschiedenartigsten Stoffe &#x2014; oft in einem und<lb/>
demselben monumentalen Raum &#x2014; neben einander her. sondern wirkliche Kunst¬<lb/>
werke und Stümperarbeiten, in denen nicht einmal die Zeichnung des Meisters<lb/>
mehr zu erkennen war, blind durcheinander (beispielsweise: in den Arkaden<lb/>
des Hofgartens die wahrhaft classischen Landschaften Rottmanns neben den<lb/>
Fabrikilluminationen zur bayerischen Geschichte, dann wieder die bessern<lb/>
Schlachtengemälde von Peter Heß aus dem griechischen Befreiungskampfe). In<lb/>
dieser Unruhe eines Producirens. das ohne innern Halt, ohne den gemeinsamen<lb/>
Zug einer stetigen Entwickelung an allen Ecken zugleich begann, und fast ohne<lb/>
alle Vorbereitung an die größten Aufgaben sich machte, bei dieser betäubenden<lb/>
Menge von Versuchen, in welcher das Auge vergebens Maß. Zusammenhang<lb/>
und Ordnung sucht, wie hätte sich da im Künstler eine feste Anschauung bil¬<lb/>
den, in die Darstellung die Sicherheit der Schule kommen, im Volk ein tieferes<lb/>
Interesse und künstlerischer Sinn Wurzel fassen können? Ebenso wenig wie der<lb/>
Künstler ist eine neue Kunstepoche der Pallas Athene gleich, welche fertig in<lb/>
die Welt springt. Um die treibenden Kräfte und Neigungen ihres Zeitalters<lb/>
im Bilde zu fassen, muß sie der Formen erst Herr werden, und dazu muß sie<lb/>
einen allmäligen Bildungsgang durchmachen, in welchem sie ihre eigene An¬<lb/>
lage entwickelt und zugleich bei den vollendeten Schöpfungen ihrer Vorgänge-<lb/>
rinnen in die Schule geht. Dann mag sie. wenn sie ihre junge Kraft an be¬<lb/>
scheidenen Vorwürfen versucht, ein lebendiges Gebilde zu Stande bringen.<lb/>
Werden ihr aber, so lange sie noch unreif und ungeübt ist, allzu mannich-<lb/>
faltige. die ganze Welt umfassende Ausgaben und Stoffe, die zudem großen¬<lb/>
teils ihrer Natur widerstreben, aufgebürdet, so bricht sie unter der Wucht zu¬<lb/>
sammen und liefert handwerksmäßiges Stückwerk.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_52" next="#ID_53"> Nicht so weit .und ins Universale gegriffen waren die Kunstpläne Maxi-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 18KS. 3</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] Cornelius die fromme Pracht der katholischen Kirche — wiedergeboren werden: sondern der König suchte und fand auch Leute, die ihm das romantische Mittel- alter wieder herbeizauberten, überdies noch Kräfte, die sich anheischig machten, der Malerei ein neues großes Feld zu eröffnen, das geschichtliche. Nicht blos sollte in allen Stilen gebaut werden, und neben Standbildern von großen und kleinen Männern Erzkoiosse nach Art der Athene Promachos des Phidias über die Stadt sich erheben, sondern auch die ganze Stoffwelt von der grie¬ chischen Sagenzeit bis zu der neuesten Kunstgeschichte herab, in welcher Ludwig selber die erste Rolle spielt, im Bilde wiederkehren. Der Menge und Mannig¬ faltigkeit der großen Aufgaben waren die berufenen Meister nicht gewachsen; es fand sich um sie. die selber, da die neue deutsche Kunst eben ihre ersten zaghaften Schritte gethan, den Lehrjahren noch kaum entwachsen waren, ein buntgemischtes Hier von Schülern zusammen, deren Arbeit und Mitwirkung denn auch über das Schülerhaste nicht hinauskam. So liefen nicht nur in Verwirrender Gesellschaft die verschiedenartigsten Stoffe — oft in einem und demselben monumentalen Raum — neben einander her. sondern wirkliche Kunst¬ werke und Stümperarbeiten, in denen nicht einmal die Zeichnung des Meisters mehr zu erkennen war, blind durcheinander (beispielsweise: in den Arkaden des Hofgartens die wahrhaft classischen Landschaften Rottmanns neben den Fabrikilluminationen zur bayerischen Geschichte, dann wieder die bessern Schlachtengemälde von Peter Heß aus dem griechischen Befreiungskampfe). In dieser Unruhe eines Producirens. das ohne innern Halt, ohne den gemeinsamen Zug einer stetigen Entwickelung an allen Ecken zugleich begann, und fast ohne alle Vorbereitung an die größten Aufgaben sich machte, bei dieser betäubenden Menge von Versuchen, in welcher das Auge vergebens Maß. Zusammenhang und Ordnung sucht, wie hätte sich da im Künstler eine feste Anschauung bil¬ den, in die Darstellung die Sicherheit der Schule kommen, im Volk ein tieferes Interesse und künstlerischer Sinn Wurzel fassen können? Ebenso wenig wie der Künstler ist eine neue Kunstepoche der Pallas Athene gleich, welche fertig in die Welt springt. Um die treibenden Kräfte und Neigungen ihres Zeitalters im Bilde zu fassen, muß sie der Formen erst Herr werden, und dazu muß sie einen allmäligen Bildungsgang durchmachen, in welchem sie ihre eigene An¬ lage entwickelt und zugleich bei den vollendeten Schöpfungen ihrer Vorgänge- rinnen in die Schule geht. Dann mag sie. wenn sie ihre junge Kraft an be¬ scheidenen Vorwürfen versucht, ein lebendiges Gebilde zu Stande bringen. Werden ihr aber, so lange sie noch unreif und ungeübt ist, allzu mannich- faltige. die ganze Welt umfassende Ausgaben und Stoffe, die zudem großen¬ teils ihrer Natur widerstreben, aufgebürdet, so bricht sie unter der Wucht zu¬ sammen und liefert handwerksmäßiges Stückwerk. Nicht so weit .und ins Universale gegriffen waren die Kunstpläne Maxi- Grenzboten I. 18KS. 3

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/23
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/23>, abgerufen am 23.07.2024.