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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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lehrer an die Obergerichte zu Cöln u"d Naumburg. So erhalten fast alle
einzelnen größeren Theile des preußischen Staates ihre Examinativnsmittelpunkte,
an denen voraussichtlich -- nicht obligatorisch -- jedesmal diejenigen Candidaten
sich werden prüfen lassen, welche in dem betreffenden Landestheile zunächst ihre
praktische Rechtsausbildung gewinnen wollen. Hieraus erwachst ein zweifacher
Vortheil. Die Prüfung wird bald eine feste, bleibende, gleichmäßige Höhe
ihrer Anforderungen gewinnen, ohne daß bei dem steten Wechsel der Examina¬
toren ein Mißbrauch der auf die constanten Fragen berechneten, unwissenschaft¬
lichen Repetitorien Platz greifen kann, statt deren können die in wissenschaft¬
lichem Geiste gehaltenen Repetitorien der Docenten, wo es erforderlich, die
Studenten ersprießlich den gesteigerten Forderungen des Examens entsprechend,
ausbilden. Ferner wird voraussichtlich das juristische Contingent der Studenten
höherer Semester sich etwas gleichmäßiger auf die einzelnen preußischen Hoch¬
schulen vertheilen, so daß nicht mehr, wie jetzt in Greifswald, auf einen ein¬
zigen Studiosus juris die ganze juristische Facultät von sieben ordentlichen
Professoren angewiesen sein wird.

Die Zusammensetzung der Examina tionscommission erscheint insofern
wirkungsvoll, als Praktiker und Theoretiker darin vereint sind; hierdurch werden
beide Theile stetig bewogen, die Prüfung als theoretisch-praktische zu gestalten.
Selbstverständlich wird von jeder Seite mehr das juristische Urtheil und das in
sich verarbeitete juristische Wissen, als das unverarbeitete, angelernte der Can¬
didaten erprobt werden. Die Prüfung ist jetzt äußerlich zu einer vorwiegend
praktischen geformt; denn die Leitung vor und in dem Examen, so wie die
eine Hälfte des Examens ruht in der Hand der Praktiker, ihre Majorität ent¬
scheidet. Aber die Candidaten sind ja nur noch Rechtstheoretiker, daher behielt
die Prüfung selbst bei den bisher nur praktischen Examinatoren ihren vorwiegend
theoretischen Charakter; dieses wird jetzt durch die zwei Vertreter der rei¬
nen Wissenschaft noch vielmehr der Fall sein, ja eben wegen der vorwiegend
wissenschaftlichen Natur des Examens muß natürlich die Entscheidung von
den Praktikern vornehmlich den rein wissenschaftlichen Examinatoren anheim¬
gestellt werden, thatsächlich werden diese zwei Stimmen auf drei Stimmen der
ersteren maßgebend einwirken. Sobald erst die glücklich begonnene Reform
weiter dahin geführt haben wird, unter Erschwerung der Examina einem ersten
die wissenschaftliche, einem zweiten und letzten nur die praktische Prüfung zuzu¬
weisen, wird von selbst die ganze Entscheidung des ersten Examens in die Hand
der wissenschaftlichen Examinatoren gelegt sein. -- Um jedes etwaige Monopol
der Examinatoren auf die Zuhörer der Vorlesungen zu vermeiden, wäre viel¬
leicht eine ausdrückliche Bestimmung über die NichtVeröffentlichung der für zwei


lehrer an die Obergerichte zu Cöln u»d Naumburg. So erhalten fast alle
einzelnen größeren Theile des preußischen Staates ihre Examinativnsmittelpunkte,
an denen voraussichtlich — nicht obligatorisch — jedesmal diejenigen Candidaten
sich werden prüfen lassen, welche in dem betreffenden Landestheile zunächst ihre
praktische Rechtsausbildung gewinnen wollen. Hieraus erwachst ein zweifacher
Vortheil. Die Prüfung wird bald eine feste, bleibende, gleichmäßige Höhe
ihrer Anforderungen gewinnen, ohne daß bei dem steten Wechsel der Examina¬
toren ein Mißbrauch der auf die constanten Fragen berechneten, unwissenschaft¬
lichen Repetitorien Platz greifen kann, statt deren können die in wissenschaft¬
lichem Geiste gehaltenen Repetitorien der Docenten, wo es erforderlich, die
Studenten ersprießlich den gesteigerten Forderungen des Examens entsprechend,
ausbilden. Ferner wird voraussichtlich das juristische Contingent der Studenten
höherer Semester sich etwas gleichmäßiger auf die einzelnen preußischen Hoch¬
schulen vertheilen, so daß nicht mehr, wie jetzt in Greifswald, auf einen ein¬
zigen Studiosus juris die ganze juristische Facultät von sieben ordentlichen
Professoren angewiesen sein wird.

Die Zusammensetzung der Examina tionscommission erscheint insofern
wirkungsvoll, als Praktiker und Theoretiker darin vereint sind; hierdurch werden
beide Theile stetig bewogen, die Prüfung als theoretisch-praktische zu gestalten.
Selbstverständlich wird von jeder Seite mehr das juristische Urtheil und das in
sich verarbeitete juristische Wissen, als das unverarbeitete, angelernte der Can¬
didaten erprobt werden. Die Prüfung ist jetzt äußerlich zu einer vorwiegend
praktischen geformt; denn die Leitung vor und in dem Examen, so wie die
eine Hälfte des Examens ruht in der Hand der Praktiker, ihre Majorität ent¬
scheidet. Aber die Candidaten sind ja nur noch Rechtstheoretiker, daher behielt
die Prüfung selbst bei den bisher nur praktischen Examinatoren ihren vorwiegend
theoretischen Charakter; dieses wird jetzt durch die zwei Vertreter der rei¬
nen Wissenschaft noch vielmehr der Fall sein, ja eben wegen der vorwiegend
wissenschaftlichen Natur des Examens muß natürlich die Entscheidung von
den Praktikern vornehmlich den rein wissenschaftlichen Examinatoren anheim¬
gestellt werden, thatsächlich werden diese zwei Stimmen auf drei Stimmen der
ersteren maßgebend einwirken. Sobald erst die glücklich begonnene Reform
weiter dahin geführt haben wird, unter Erschwerung der Examina einem ersten
die wissenschaftliche, einem zweiten und letzten nur die praktische Prüfung zuzu¬
weisen, wird von selbst die ganze Entscheidung des ersten Examens in die Hand
der wissenschaftlichen Examinatoren gelegt sein. — Um jedes etwaige Monopol
der Examinatoren auf die Zuhörer der Vorlesungen zu vermeiden, wäre viel¬
leicht eine ausdrückliche Bestimmung über die NichtVeröffentlichung der für zwei


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[0224] lehrer an die Obergerichte zu Cöln u»d Naumburg. So erhalten fast alle einzelnen größeren Theile des preußischen Staates ihre Examinativnsmittelpunkte, an denen voraussichtlich — nicht obligatorisch — jedesmal diejenigen Candidaten sich werden prüfen lassen, welche in dem betreffenden Landestheile zunächst ihre praktische Rechtsausbildung gewinnen wollen. Hieraus erwachst ein zweifacher Vortheil. Die Prüfung wird bald eine feste, bleibende, gleichmäßige Höhe ihrer Anforderungen gewinnen, ohne daß bei dem steten Wechsel der Examina¬ toren ein Mißbrauch der auf die constanten Fragen berechneten, unwissenschaft¬ lichen Repetitorien Platz greifen kann, statt deren können die in wissenschaft¬ lichem Geiste gehaltenen Repetitorien der Docenten, wo es erforderlich, die Studenten ersprießlich den gesteigerten Forderungen des Examens entsprechend, ausbilden. Ferner wird voraussichtlich das juristische Contingent der Studenten höherer Semester sich etwas gleichmäßiger auf die einzelnen preußischen Hoch¬ schulen vertheilen, so daß nicht mehr, wie jetzt in Greifswald, auf einen ein¬ zigen Studiosus juris die ganze juristische Facultät von sieben ordentlichen Professoren angewiesen sein wird. Die Zusammensetzung der Examina tionscommission erscheint insofern wirkungsvoll, als Praktiker und Theoretiker darin vereint sind; hierdurch werden beide Theile stetig bewogen, die Prüfung als theoretisch-praktische zu gestalten. Selbstverständlich wird von jeder Seite mehr das juristische Urtheil und das in sich verarbeitete juristische Wissen, als das unverarbeitete, angelernte der Can¬ didaten erprobt werden. Die Prüfung ist jetzt äußerlich zu einer vorwiegend praktischen geformt; denn die Leitung vor und in dem Examen, so wie die eine Hälfte des Examens ruht in der Hand der Praktiker, ihre Majorität ent¬ scheidet. Aber die Candidaten sind ja nur noch Rechtstheoretiker, daher behielt die Prüfung selbst bei den bisher nur praktischen Examinatoren ihren vorwiegend theoretischen Charakter; dieses wird jetzt durch die zwei Vertreter der rei¬ nen Wissenschaft noch vielmehr der Fall sein, ja eben wegen der vorwiegend wissenschaftlichen Natur des Examens muß natürlich die Entscheidung von den Praktikern vornehmlich den rein wissenschaftlichen Examinatoren anheim¬ gestellt werden, thatsächlich werden diese zwei Stimmen auf drei Stimmen der ersteren maßgebend einwirken. Sobald erst die glücklich begonnene Reform weiter dahin geführt haben wird, unter Erschwerung der Examina einem ersten die wissenschaftliche, einem zweiten und letzten nur die praktische Prüfung zuzu¬ weisen, wird von selbst die ganze Entscheidung des ersten Examens in die Hand der wissenschaftlichen Examinatoren gelegt sein. — Um jedes etwaige Monopol der Examinatoren auf die Zuhörer der Vorlesungen zu vermeiden, wäre viel¬ leicht eine ausdrückliche Bestimmung über die NichtVeröffentlichung der für zwei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/224>, abgerufen am 23.07.2024.