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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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der objectiv urtheilenden juristischen Universitätslehrer, welche nicht in dem ge¬
setzlichen Zwange und ihrem Privileg bestimmter Vorlesungen die alleinige
Sicherung ihres akademischen Ansehens und Geldgewinnes sahen. Die Pro¬
fessur ist keine Sinekure, kein Ruheposten, sondern der Posten höchster und
schönster menschlicher Arbeit. Daß im ersten Augenblick dieser entschiedene
Durchgriff durch die Schranken alter und bequem gewordener Verhältnisse im
Kreise der Lehrenden große Erregung, oder gar Bangen um die Zukunft hervorrief,
war natürlich; wo das Bangen blieb, zeigt es von Mißtrauen in die eigeneKraft. das
Gemeinwesen darf darunter nickt leiden. Es leidet aber unzweifelhaft, wenn es den
wissenschaftlichen Trieb der Einzelnen zwingt, bestimmt vorgezeichnete Wege zu gehen.
Das Was. das Resultat geistiger Arbeit, kann der Staat als Bedingung spä¬
terer Anstellung vorschreiben, dazu berannte er hier drei Prüfungen an; das
Wie kann ihm gleichgiltig sein, mit anbefohlenen Wegen und Stationen schafft
er nur eine leidige und verleitende Schablone für die doch ungleichen Geistes¬
kräfte -- (wir dürften dahin kommen, selbst das Erfordernis, des Trienniums
der Universitätsstudien zu beseitigen; dann erst ließen wir das vielgestaltete
Geistesleben sich naturgemäß entwickeln). Man entgegnet. die Studenten seien
für die Aufhebung der Zwangscollegia nicht reif. Die juristischen Studenten
sind ebenso reif hierzu, wie die Studirenden anderer Facultäten in denen
längst die Zwangscollegia sielen. Wenn sie ohne das Besuchen der Hörsäle
so schnell und gut oder gar schneller und besser, als beim Besuche, sich die für
die akademisch-juristische Ausbildung nöthigen Kenntnisse, wenigstens die für das
erste Examen erforderlichen anzueignen vermögen, wäre es ungerecht und natur¬
widrig, von ihnen den Besuch auch nur eines Collegs in jedem Semester zu
verlangen; das akademische Triennium würde hier doch zum leeren Scheine.
Bedürfen sie aber, wie es in den weitaus meisten Fällen geschehen wird, der
allseitigen und sichern Unterweisung der Hochschule, so werden sie jetzt
noch eifriger die Vorträge hören, weil sie ein viel schwereres, vornehmlich
theoretisches Examen vor sich sehn. Man darf nicht pessimistisch allen wissen¬
schaftlichen Trieb den juristischen Studenten absprechen, äußerlich ergänzt ihn
die Furcht vor dem Examen. Ebenso wenig darf man sie so unbillig und un-
ehrenmäßig vermuthen, daß sie die Auditorien füllen werden, ohne die Vor¬
lesungen "belegt" und bezahlt zu haben. Der Universitätslehrer kann ja so leicht
die Zahl der blinden Zuhörerschaft controliren und nach billigem Ermessen
beschränken oder ganz ausschließe". Aber selbst in diesem Punkte wird die
Rücksicht auf das Examen die Studenten zum wirklichen Annehmen der Vor¬
lesungen treiben, wie die Erfahrung der andern Facultäten zeigt; denn be¬
fremdend muß es den Examinator immer erregen, wenn der Candidat sich


der objectiv urtheilenden juristischen Universitätslehrer, welche nicht in dem ge¬
setzlichen Zwange und ihrem Privileg bestimmter Vorlesungen die alleinige
Sicherung ihres akademischen Ansehens und Geldgewinnes sahen. Die Pro¬
fessur ist keine Sinekure, kein Ruheposten, sondern der Posten höchster und
schönster menschlicher Arbeit. Daß im ersten Augenblick dieser entschiedene
Durchgriff durch die Schranken alter und bequem gewordener Verhältnisse im
Kreise der Lehrenden große Erregung, oder gar Bangen um die Zukunft hervorrief,
war natürlich; wo das Bangen blieb, zeigt es von Mißtrauen in die eigeneKraft. das
Gemeinwesen darf darunter nickt leiden. Es leidet aber unzweifelhaft, wenn es den
wissenschaftlichen Trieb der Einzelnen zwingt, bestimmt vorgezeichnete Wege zu gehen.
Das Was. das Resultat geistiger Arbeit, kann der Staat als Bedingung spä¬
terer Anstellung vorschreiben, dazu berannte er hier drei Prüfungen an; das
Wie kann ihm gleichgiltig sein, mit anbefohlenen Wegen und Stationen schafft
er nur eine leidige und verleitende Schablone für die doch ungleichen Geistes¬
kräfte — (wir dürften dahin kommen, selbst das Erfordernis, des Trienniums
der Universitätsstudien zu beseitigen; dann erst ließen wir das vielgestaltete
Geistesleben sich naturgemäß entwickeln). Man entgegnet. die Studenten seien
für die Aufhebung der Zwangscollegia nicht reif. Die juristischen Studenten
sind ebenso reif hierzu, wie die Studirenden anderer Facultäten in denen
längst die Zwangscollegia sielen. Wenn sie ohne das Besuchen der Hörsäle
so schnell und gut oder gar schneller und besser, als beim Besuche, sich die für
die akademisch-juristische Ausbildung nöthigen Kenntnisse, wenigstens die für das
erste Examen erforderlichen anzueignen vermögen, wäre es ungerecht und natur¬
widrig, von ihnen den Besuch auch nur eines Collegs in jedem Semester zu
verlangen; das akademische Triennium würde hier doch zum leeren Scheine.
Bedürfen sie aber, wie es in den weitaus meisten Fällen geschehen wird, der
allseitigen und sichern Unterweisung der Hochschule, so werden sie jetzt
noch eifriger die Vorträge hören, weil sie ein viel schwereres, vornehmlich
theoretisches Examen vor sich sehn. Man darf nicht pessimistisch allen wissen¬
schaftlichen Trieb den juristischen Studenten absprechen, äußerlich ergänzt ihn
die Furcht vor dem Examen. Ebenso wenig darf man sie so unbillig und un-
ehrenmäßig vermuthen, daß sie die Auditorien füllen werden, ohne die Vor¬
lesungen „belegt" und bezahlt zu haben. Der Universitätslehrer kann ja so leicht
die Zahl der blinden Zuhörerschaft controliren und nach billigem Ermessen
beschränken oder ganz ausschließe». Aber selbst in diesem Punkte wird die
Rücksicht auf das Examen die Studenten zum wirklichen Annehmen der Vor¬
lesungen treiben, wie die Erfahrung der andern Facultäten zeigt; denn be¬
fremdend muß es den Examinator immer erregen, wenn der Candidat sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/221>, abgerufen am 23.07.2024.