Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

1) Die Zwangscollegia sind für preußische Juristen aufgehoben, d.h.
"es bedarf nicht ferner des Nachweises des Besuchs bestimmter Vorlesungen auf
der Universität," vielmehr genügt "der Ausweis über den vorschriftsmäßigen
Universitätsbcsuch" d. h. der Nachweis, daß der Candidat sechs Semester hin¬
durch in jedem Semester wenigstens ein Privatcolleg annahm.

2) Die Gegenstände der ersten juristischen Prüfung sollen sein: Rechts¬
philosophie, Geschichte und Institutionen des römischen Rechts, Pandekten,
deutsche Rechtsgeschichte, deutsches Privatrecht, Kirchenrecht, Lehnrecht. Völker-
recht, Staatsrecht. Kriminalrecht, preußisches Privatrecht. Civilprozeß, Criminal-
prozeß, Grundbegriffe der Staatswissenschaft; für die Prüfung in Cöln auch
das rheinische Recht und Prozeßverfahren. Außerdem muß jeder der höchstens
in einer Anzahl von sechs zulässigen Kandidaten über ein von ihm selbst ge¬
wähltes rechtswissenschaftliches Thema eine ihren Gegenstand in eingehender
Weise behandelnde Ausarbeitung unter eidesstattlicher Versicherung eigener An¬
fertigung und genauer Angabe der benutzten Quellen vor der mündlichen Prü¬
fung dem Vorsitzenden der Prüfungscommission (vergl. unten 4) einreichen. Die
Arbeit cursirt bei den vier Examinatoren, von denen zwei sie schriftlich censiren.

3) Ort der ersten juristischen Prüfung sind nnr die sechs preußischen
Gerichte zweiter Instanz zu Berlin, Breslau, Cöln, Greifswald, Königsberg
und Naumburg.

4) Examinatoren sind unter dem Vorsitze eines der Präsidenten obiger
Gerichte zwei richterliche Beamte -- in Cöln ein Richter und ein Beamter des
öffentlichen Ministern -- und zwei Universitätslehrer. Der Justizminister be¬
zeichnet aus den Räthen jedes der sechs obigen Obergerichte und aus den Mit¬
gliedern der Gerichte erster Instanz desselben Ortes bis zum Stadt - und zum
Kreisrichter hinunter, ebenso der Kultusminister aus den Universitätslehrern
der sechs preußischen Universitäten bis zum Privatdocenten hinunter die Exa¬
minatoren für jedesmal zwei Jahre; aus den Destgnirtcn wählt der jedesma¬
lige Vorsitzende der Prüfungscommission die zwei richterlichen und die zwei
Universitätsmitglieder für jede einzelne Prüfung.

Neuerdings sind bereits die nöthigen Ausführungsschreiben obiger Ver¬
ordnung an die Chefpräsidien der Appellationsgerichte und an die Decane
der juristischen Facultäten ergangen. Darin wurden principiell -- mit nur
durch die augenblicklichen Verhältnisse gebotenen vereinzelten Ausnahmen --
Kinsichts der Richter nur Mitglieder der genannten Obergerichte, hinsichts der
Universitätslehrer nur ordentliche Professoren für die Zeit vom 1. März 1865
bis 1. März 1867 als Examinatoren designirt.

Daß die Zwangscolleg,'la abgeschafft würden, war längst der Wunsch


1) Die Zwangscollegia sind für preußische Juristen aufgehoben, d.h.
„es bedarf nicht ferner des Nachweises des Besuchs bestimmter Vorlesungen auf
der Universität," vielmehr genügt „der Ausweis über den vorschriftsmäßigen
Universitätsbcsuch" d. h. der Nachweis, daß der Candidat sechs Semester hin¬
durch in jedem Semester wenigstens ein Privatcolleg annahm.

2) Die Gegenstände der ersten juristischen Prüfung sollen sein: Rechts¬
philosophie, Geschichte und Institutionen des römischen Rechts, Pandekten,
deutsche Rechtsgeschichte, deutsches Privatrecht, Kirchenrecht, Lehnrecht. Völker-
recht, Staatsrecht. Kriminalrecht, preußisches Privatrecht. Civilprozeß, Criminal-
prozeß, Grundbegriffe der Staatswissenschaft; für die Prüfung in Cöln auch
das rheinische Recht und Prozeßverfahren. Außerdem muß jeder der höchstens
in einer Anzahl von sechs zulässigen Kandidaten über ein von ihm selbst ge¬
wähltes rechtswissenschaftliches Thema eine ihren Gegenstand in eingehender
Weise behandelnde Ausarbeitung unter eidesstattlicher Versicherung eigener An¬
fertigung und genauer Angabe der benutzten Quellen vor der mündlichen Prü¬
fung dem Vorsitzenden der Prüfungscommission (vergl. unten 4) einreichen. Die
Arbeit cursirt bei den vier Examinatoren, von denen zwei sie schriftlich censiren.

3) Ort der ersten juristischen Prüfung sind nnr die sechs preußischen
Gerichte zweiter Instanz zu Berlin, Breslau, Cöln, Greifswald, Königsberg
und Naumburg.

4) Examinatoren sind unter dem Vorsitze eines der Präsidenten obiger
Gerichte zwei richterliche Beamte — in Cöln ein Richter und ein Beamter des
öffentlichen Ministern — und zwei Universitätslehrer. Der Justizminister be¬
zeichnet aus den Räthen jedes der sechs obigen Obergerichte und aus den Mit¬
gliedern der Gerichte erster Instanz desselben Ortes bis zum Stadt - und zum
Kreisrichter hinunter, ebenso der Kultusminister aus den Universitätslehrern
der sechs preußischen Universitäten bis zum Privatdocenten hinunter die Exa¬
minatoren für jedesmal zwei Jahre; aus den Destgnirtcn wählt der jedesma¬
lige Vorsitzende der Prüfungscommission die zwei richterlichen und die zwei
Universitätsmitglieder für jede einzelne Prüfung.

Neuerdings sind bereits die nöthigen Ausführungsschreiben obiger Ver¬
ordnung an die Chefpräsidien der Appellationsgerichte und an die Decane
der juristischen Facultäten ergangen. Darin wurden principiell — mit nur
durch die augenblicklichen Verhältnisse gebotenen vereinzelten Ausnahmen —
Kinsichts der Richter nur Mitglieder der genannten Obergerichte, hinsichts der
Universitätslehrer nur ordentliche Professoren für die Zeit vom 1. März 1865
bis 1. März 1867 als Examinatoren designirt.

Daß die Zwangscolleg,'la abgeschafft würden, war längst der Wunsch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0220" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282461"/>
          <p xml:id="ID_594"> 1) Die Zwangscollegia sind für preußische Juristen aufgehoben, d.h.<lb/>
&#x201E;es bedarf nicht ferner des Nachweises des Besuchs bestimmter Vorlesungen auf<lb/>
der Universität," vielmehr genügt &#x201E;der Ausweis über den vorschriftsmäßigen<lb/>
Universitätsbcsuch" d. h. der Nachweis, daß der Candidat sechs Semester hin¬<lb/>
durch in jedem Semester wenigstens ein Privatcolleg annahm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_595"> 2) Die Gegenstände der ersten juristischen Prüfung sollen sein: Rechts¬<lb/>
philosophie, Geschichte und Institutionen des römischen Rechts, Pandekten,<lb/>
deutsche Rechtsgeschichte, deutsches Privatrecht, Kirchenrecht, Lehnrecht. Völker-<lb/>
recht, Staatsrecht. Kriminalrecht, preußisches Privatrecht. Civilprozeß, Criminal-<lb/>
prozeß, Grundbegriffe der Staatswissenschaft; für die Prüfung in Cöln auch<lb/>
das rheinische Recht und Prozeßverfahren. Außerdem muß jeder der höchstens<lb/>
in einer Anzahl von sechs zulässigen Kandidaten über ein von ihm selbst ge¬<lb/>
wähltes rechtswissenschaftliches Thema eine ihren Gegenstand in eingehender<lb/>
Weise behandelnde Ausarbeitung unter eidesstattlicher Versicherung eigener An¬<lb/>
fertigung und genauer Angabe der benutzten Quellen vor der mündlichen Prü¬<lb/>
fung dem Vorsitzenden der Prüfungscommission (vergl. unten 4) einreichen. Die<lb/>
Arbeit cursirt bei den vier Examinatoren, von denen zwei sie schriftlich censiren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_596"> 3) Ort der ersten juristischen Prüfung sind nnr die sechs preußischen<lb/>
Gerichte zweiter Instanz zu Berlin, Breslau, Cöln, Greifswald, Königsberg<lb/>
und Naumburg.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_597"> 4) Examinatoren sind unter dem Vorsitze eines der Präsidenten obiger<lb/>
Gerichte zwei richterliche Beamte &#x2014; in Cöln ein Richter und ein Beamter des<lb/>
öffentlichen Ministern &#x2014; und zwei Universitätslehrer. Der Justizminister be¬<lb/>
zeichnet aus den Räthen jedes der sechs obigen Obergerichte und aus den Mit¬<lb/>
gliedern der Gerichte erster Instanz desselben Ortes bis zum Stadt - und zum<lb/>
Kreisrichter hinunter, ebenso der Kultusminister aus den Universitätslehrern<lb/>
der sechs preußischen Universitäten bis zum Privatdocenten hinunter die Exa¬<lb/>
minatoren für jedesmal zwei Jahre; aus den Destgnirtcn wählt der jedesma¬<lb/>
lige Vorsitzende der Prüfungscommission die zwei richterlichen und die zwei<lb/>
Universitätsmitglieder für jede einzelne Prüfung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_598"> Neuerdings sind bereits die nöthigen Ausführungsschreiben obiger Ver¬<lb/>
ordnung an die Chefpräsidien der Appellationsgerichte und an die Decane<lb/>
der juristischen Facultäten ergangen. Darin wurden principiell &#x2014; mit nur<lb/>
durch die augenblicklichen Verhältnisse gebotenen vereinzelten Ausnahmen &#x2014;<lb/>
Kinsichts der Richter nur Mitglieder der genannten Obergerichte, hinsichts der<lb/>
Universitätslehrer nur ordentliche Professoren für die Zeit vom 1. März 1865<lb/>
bis 1. März 1867 als Examinatoren designirt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_599" next="#ID_600"> Daß die Zwangscolleg,'la abgeschafft würden, war längst der Wunsch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0220] 1) Die Zwangscollegia sind für preußische Juristen aufgehoben, d.h. „es bedarf nicht ferner des Nachweises des Besuchs bestimmter Vorlesungen auf der Universität," vielmehr genügt „der Ausweis über den vorschriftsmäßigen Universitätsbcsuch" d. h. der Nachweis, daß der Candidat sechs Semester hin¬ durch in jedem Semester wenigstens ein Privatcolleg annahm. 2) Die Gegenstände der ersten juristischen Prüfung sollen sein: Rechts¬ philosophie, Geschichte und Institutionen des römischen Rechts, Pandekten, deutsche Rechtsgeschichte, deutsches Privatrecht, Kirchenrecht, Lehnrecht. Völker- recht, Staatsrecht. Kriminalrecht, preußisches Privatrecht. Civilprozeß, Criminal- prozeß, Grundbegriffe der Staatswissenschaft; für die Prüfung in Cöln auch das rheinische Recht und Prozeßverfahren. Außerdem muß jeder der höchstens in einer Anzahl von sechs zulässigen Kandidaten über ein von ihm selbst ge¬ wähltes rechtswissenschaftliches Thema eine ihren Gegenstand in eingehender Weise behandelnde Ausarbeitung unter eidesstattlicher Versicherung eigener An¬ fertigung und genauer Angabe der benutzten Quellen vor der mündlichen Prü¬ fung dem Vorsitzenden der Prüfungscommission (vergl. unten 4) einreichen. Die Arbeit cursirt bei den vier Examinatoren, von denen zwei sie schriftlich censiren. 3) Ort der ersten juristischen Prüfung sind nnr die sechs preußischen Gerichte zweiter Instanz zu Berlin, Breslau, Cöln, Greifswald, Königsberg und Naumburg. 4) Examinatoren sind unter dem Vorsitze eines der Präsidenten obiger Gerichte zwei richterliche Beamte — in Cöln ein Richter und ein Beamter des öffentlichen Ministern — und zwei Universitätslehrer. Der Justizminister be¬ zeichnet aus den Räthen jedes der sechs obigen Obergerichte und aus den Mit¬ gliedern der Gerichte erster Instanz desselben Ortes bis zum Stadt - und zum Kreisrichter hinunter, ebenso der Kultusminister aus den Universitätslehrern der sechs preußischen Universitäten bis zum Privatdocenten hinunter die Exa¬ minatoren für jedesmal zwei Jahre; aus den Destgnirtcn wählt der jedesma¬ lige Vorsitzende der Prüfungscommission die zwei richterlichen und die zwei Universitätsmitglieder für jede einzelne Prüfung. Neuerdings sind bereits die nöthigen Ausführungsschreiben obiger Ver¬ ordnung an die Chefpräsidien der Appellationsgerichte und an die Decane der juristischen Facultäten ergangen. Darin wurden principiell — mit nur durch die augenblicklichen Verhältnisse gebotenen vereinzelten Ausnahmen — Kinsichts der Richter nur Mitglieder der genannten Obergerichte, hinsichts der Universitätslehrer nur ordentliche Professoren für die Zeit vom 1. März 1865 bis 1. März 1867 als Examinatoren designirt. Daß die Zwangscolleg,'la abgeschafft würden, war längst der Wunsch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/220
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/220>, abgerufen am 23.07.2024.