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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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auf ihn gefallenen Wahl in Kenntniß zu setzen, so liegt diesem formellen Einwand
eine nicht haltbare Auffassung von der Stellung des Wahlcommissars zu dem
hohen Hause zu Grunde. Daß Herr von Säulen selbst abgelehnt hat. durch
sein Erscheinen in der Kammer dem Conflict ein neues Intermezzo zu geben,
bei welchem nichts Gutes herauskommen konnte, war in der Ordnung. In
den kleinen Gefechten, welche bis jetzt stattfanden, war die Rede, welche der
Minister des Innern. Graf Eulenburg, hielt, deshalb sehr merkwürdig, weil
sie bewies, wie lebhaft das Ministerium selbst die Sorgen eines Kampfes
empfindet, welchen es für Forderungen der Krone durchzufechten hat. Selten
bat ein Minister auf der Rednerbühne mit größerer Offenheit bekannt, daß
er an dem Zwist keine Schuld habe, sondern daß hier ein höherer Wille Nach¬
giebigkeit wünschenswerth mache. Dieser Worte wird die Opposition gedenken, aber
sie werden auf den Verlauf des Streites keinen besänftigender Einfluß ausüben. --

Ob die Negierung ihr Interesse darin finden wird, diese Kammer in fort¬
gesetztem reibendem Gegensatze sich ausleben zu lassen, ob sie ihr nach kurzer
Thätigkeit eine Auflösung bereiten will, das steht zuverlässig noch nicht fest
und ein etwaiger Plan kann jeden Tag durch ein unvorhergesehenes Ereignis;
gelrruzt werden. Darauf aber muß sich die Opposition gefaßt machen, wenn
nickt Fehler der Negierung ihr zu Hilfe kommen, bei einer Neuwahl eine be¬
trächtliche Zahl von Stimmen zu verlieren.

Eine solche Fortführung des Zwiespaltes ist aber auch für die Negierung
verhängnißvoll. Sie fühlt sich" jetzt sicher, aber die Mißerfolge in Schles¬
wig-Holstein werden ihren Rückschlag ausüben und die Stellung des Ministe¬
riums gegenüber der Krone nickt befestigen. Nach einer zu frühen Siegesfreude
wird der Aerger über getäuschte Aussichten um so empfindlicher werden. Trau¬
riger ist, daß der kurze Aufschwung, den Preußen durch die militärischen Er¬
folge erhalten, nicht den Segen bringen soll, welchen wir ersehnen, kräftige
Durchführung der Marinepläne, schnelle Ausführung des Kanalbaues zwischen
Nord- und Ostsee. Könnten wenigstens diese großen Interessen des Staates
nach der Erfahrung der letzten Jahre die Regierung und die Opposition zu ge¬
meinsamem Handeln vereinigen!




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. H erdig. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

auf ihn gefallenen Wahl in Kenntniß zu setzen, so liegt diesem formellen Einwand
eine nicht haltbare Auffassung von der Stellung des Wahlcommissars zu dem
hohen Hause zu Grunde. Daß Herr von Säulen selbst abgelehnt hat. durch
sein Erscheinen in der Kammer dem Conflict ein neues Intermezzo zu geben,
bei welchem nichts Gutes herauskommen konnte, war in der Ordnung. In
den kleinen Gefechten, welche bis jetzt stattfanden, war die Rede, welche der
Minister des Innern. Graf Eulenburg, hielt, deshalb sehr merkwürdig, weil
sie bewies, wie lebhaft das Ministerium selbst die Sorgen eines Kampfes
empfindet, welchen es für Forderungen der Krone durchzufechten hat. Selten
bat ein Minister auf der Rednerbühne mit größerer Offenheit bekannt, daß
er an dem Zwist keine Schuld habe, sondern daß hier ein höherer Wille Nach¬
giebigkeit wünschenswerth mache. Dieser Worte wird die Opposition gedenken, aber
sie werden auf den Verlauf des Streites keinen besänftigender Einfluß ausüben. —

Ob die Negierung ihr Interesse darin finden wird, diese Kammer in fort¬
gesetztem reibendem Gegensatze sich ausleben zu lassen, ob sie ihr nach kurzer
Thätigkeit eine Auflösung bereiten will, das steht zuverlässig noch nicht fest
und ein etwaiger Plan kann jeden Tag durch ein unvorhergesehenes Ereignis;
gelrruzt werden. Darauf aber muß sich die Opposition gefaßt machen, wenn
nickt Fehler der Negierung ihr zu Hilfe kommen, bei einer Neuwahl eine be¬
trächtliche Zahl von Stimmen zu verlieren.

Eine solche Fortführung des Zwiespaltes ist aber auch für die Negierung
verhängnißvoll. Sie fühlt sich" jetzt sicher, aber die Mißerfolge in Schles¬
wig-Holstein werden ihren Rückschlag ausüben und die Stellung des Ministe¬
riums gegenüber der Krone nickt befestigen. Nach einer zu frühen Siegesfreude
wird der Aerger über getäuschte Aussichten um so empfindlicher werden. Trau¬
riger ist, daß der kurze Aufschwung, den Preußen durch die militärischen Er¬
folge erhalten, nicht den Segen bringen soll, welchen wir ersehnen, kräftige
Durchführung der Marinepläne, schnelle Ausführung des Kanalbaues zwischen
Nord- und Ostsee. Könnten wenigstens diese großen Interessen des Staates
nach der Erfahrung der letzten Jahre die Regierung und die Opposition zu ge¬
meinsamem Handeln vereinigen!




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. H erdig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/214>, abgerufen am 23.07.2024.