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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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die beiden erwähnten besonders genannt werden sollten. So geschah es denn
auch. Alle Augen waren auf die Verjagten geheftet und diese eilten beschämt
und verwirrt durch die Vorzimmer. Ihre Wagen waren im Wirrwarr verschwun¬
den und so mußten sie denn i" Purpur gekleidet zu Fuße nach Hause gehen,
erfüllt von trüben Gedanken und Ahnungen. Im Augenblick, wo die zurück¬
gebliebenen Cardinäle an Napoleon vorüberzogen, überließ dieser sich den hef¬
tigsten Aeußerungen und Drohungen gegen die nicht Vorgelassenen, namentlich
gegen Oppizzoni und Consalvi, indem er hinzufügte, den andern könne er noch
verzeihen, da sie nur von Vorurtheilen aufgeblasene Theologen wären, für die
zwei Genannten aber habe er keine Gnade. Der erstere sei voll Undank, da er
ihm, Napoleon, das Erzbisthum von Boulogne und den Cardinalshut ver¬
danke, aber der schuldigste von allen wäre Consalvi. Dieser habe nämlich nicht
aus Vorurtheil gehandelt, sondern aus Haß, Feindschaft und Rache, weil der
Kaiser sein Ministerium gestürzt habe. Der Cardinal sei ein tiefer Diplomat,
daß er seinen Nachkommen die ernsteste aller Erbfvlgeschwierigkeiten, die der Un-
ehelichkcit bereitete. Die Wuth des Kaisers gegen Consalvi war aufs Aeußerste
gestiegen, so daß dessen Freunde das Schlimmste befürchteten.

Schon am Tage der kirchlichen Trauung war Napoleon in argen Zorn
gegen diese Cardinäle verfallen und beim Austritt aus der Kapelle befahl er,
drei der abwesenden Cardinäle, Consalvi, Oppizzoni und einen dritten (der Ver¬
fasser vermuthet, es sei Pietro gewesen) erschießen zu lassen; aber schließlich sollte
sich die Sentenz auf Consalvi beschränken. Dieser glaubt die Nrchtvollstreckung
dieser Sentenz den Bemühungen seines Freundes Fouchü zu verdanken, es ist
aber wahrscheinlich, daß Napoleon keiner Ermahnung bedürfte, um das Ge¬
fährliche der ihm von der ersten Aufwallung zugeflüsterten Eingebung zu erkennen.

Am folgenden Tage wurde Oppizzoni und den anderen zum Episkopate
beförderten Cardinälen, welche an die Dreizehn sich angeschlossen hallen, unter
Androhung von Gefängnißstrafe befohlen, ihre Entlassung zu geben, was sie
denn auch mit Vorbehalt der päpstlichen Genehmigung thaten. Am Abend
desselben Tages wurden sämmtliche der Ungnade verfallene Kirchenfürsjen zum
Cultus minister beschieden.

Im Cabinet dieses Ministers fanden sie Fvuchs, der vorgab, er wäre zu¬
fällig zum Besuche bei seinem Collegen. Der Minister hieß die Cardinäle
Platz nehmen und hielt eine lange Ansprache, welche die wenigsten verstanden,
da eben nur wenige der französischen Sprache kundig waren. Er führte darin
aus, daß sie ein Staatsverbrechen begangen hätten, das Verbrechen der Maje¬
stätsverletzung! daß sie gegen den Kaiser complottirt hätten, wie aus dem
Umstand erhelle, daß sie ihren Entschluß in tiefes Geheimniß zu hüllen suchten,
auch hätten sie die öffentliche Ruhe gefährdet, indem sie sich bemühten, die
Legitimität der Thronfolge in Zweifel zu ziehen. Der Kaiser und König be-


die beiden erwähnten besonders genannt werden sollten. So geschah es denn
auch. Alle Augen waren auf die Verjagten geheftet und diese eilten beschämt
und verwirrt durch die Vorzimmer. Ihre Wagen waren im Wirrwarr verschwun¬
den und so mußten sie denn i» Purpur gekleidet zu Fuße nach Hause gehen,
erfüllt von trüben Gedanken und Ahnungen. Im Augenblick, wo die zurück¬
gebliebenen Cardinäle an Napoleon vorüberzogen, überließ dieser sich den hef¬
tigsten Aeußerungen und Drohungen gegen die nicht Vorgelassenen, namentlich
gegen Oppizzoni und Consalvi, indem er hinzufügte, den andern könne er noch
verzeihen, da sie nur von Vorurtheilen aufgeblasene Theologen wären, für die
zwei Genannten aber habe er keine Gnade. Der erstere sei voll Undank, da er
ihm, Napoleon, das Erzbisthum von Boulogne und den Cardinalshut ver¬
danke, aber der schuldigste von allen wäre Consalvi. Dieser habe nämlich nicht
aus Vorurtheil gehandelt, sondern aus Haß, Feindschaft und Rache, weil der
Kaiser sein Ministerium gestürzt habe. Der Cardinal sei ein tiefer Diplomat,
daß er seinen Nachkommen die ernsteste aller Erbfvlgeschwierigkeiten, die der Un-
ehelichkcit bereitete. Die Wuth des Kaisers gegen Consalvi war aufs Aeußerste
gestiegen, so daß dessen Freunde das Schlimmste befürchteten.

Schon am Tage der kirchlichen Trauung war Napoleon in argen Zorn
gegen diese Cardinäle verfallen und beim Austritt aus der Kapelle befahl er,
drei der abwesenden Cardinäle, Consalvi, Oppizzoni und einen dritten (der Ver¬
fasser vermuthet, es sei Pietro gewesen) erschießen zu lassen; aber schließlich sollte
sich die Sentenz auf Consalvi beschränken. Dieser glaubt die Nrchtvollstreckung
dieser Sentenz den Bemühungen seines Freundes Fouchü zu verdanken, es ist
aber wahrscheinlich, daß Napoleon keiner Ermahnung bedürfte, um das Ge¬
fährliche der ihm von der ersten Aufwallung zugeflüsterten Eingebung zu erkennen.

Am folgenden Tage wurde Oppizzoni und den anderen zum Episkopate
beförderten Cardinälen, welche an die Dreizehn sich angeschlossen hallen, unter
Androhung von Gefängnißstrafe befohlen, ihre Entlassung zu geben, was sie
denn auch mit Vorbehalt der päpstlichen Genehmigung thaten. Am Abend
desselben Tages wurden sämmtliche der Ungnade verfallene Kirchenfürsjen zum
Cultus minister beschieden.

Im Cabinet dieses Ministers fanden sie Fvuchs, der vorgab, er wäre zu¬
fällig zum Besuche bei seinem Collegen. Der Minister hieß die Cardinäle
Platz nehmen und hielt eine lange Ansprache, welche die wenigsten verstanden,
da eben nur wenige der französischen Sprache kundig waren. Er führte darin
aus, daß sie ein Staatsverbrechen begangen hätten, das Verbrechen der Maje¬
stätsverletzung! daß sie gegen den Kaiser complottirt hätten, wie aus dem
Umstand erhelle, daß sie ihren Entschluß in tiefes Geheimniß zu hüllen suchten,
auch hätten sie die öffentliche Ruhe gefährdet, indem sie sich bemühten, die
Legitimität der Thronfolge in Zweifel zu ziehen. Der Kaiser und König be-


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[0198] die beiden erwähnten besonders genannt werden sollten. So geschah es denn auch. Alle Augen waren auf die Verjagten geheftet und diese eilten beschämt und verwirrt durch die Vorzimmer. Ihre Wagen waren im Wirrwarr verschwun¬ den und so mußten sie denn i» Purpur gekleidet zu Fuße nach Hause gehen, erfüllt von trüben Gedanken und Ahnungen. Im Augenblick, wo die zurück¬ gebliebenen Cardinäle an Napoleon vorüberzogen, überließ dieser sich den hef¬ tigsten Aeußerungen und Drohungen gegen die nicht Vorgelassenen, namentlich gegen Oppizzoni und Consalvi, indem er hinzufügte, den andern könne er noch verzeihen, da sie nur von Vorurtheilen aufgeblasene Theologen wären, für die zwei Genannten aber habe er keine Gnade. Der erstere sei voll Undank, da er ihm, Napoleon, das Erzbisthum von Boulogne und den Cardinalshut ver¬ danke, aber der schuldigste von allen wäre Consalvi. Dieser habe nämlich nicht aus Vorurtheil gehandelt, sondern aus Haß, Feindschaft und Rache, weil der Kaiser sein Ministerium gestürzt habe. Der Cardinal sei ein tiefer Diplomat, daß er seinen Nachkommen die ernsteste aller Erbfvlgeschwierigkeiten, die der Un- ehelichkcit bereitete. Die Wuth des Kaisers gegen Consalvi war aufs Aeußerste gestiegen, so daß dessen Freunde das Schlimmste befürchteten. Schon am Tage der kirchlichen Trauung war Napoleon in argen Zorn gegen diese Cardinäle verfallen und beim Austritt aus der Kapelle befahl er, drei der abwesenden Cardinäle, Consalvi, Oppizzoni und einen dritten (der Ver¬ fasser vermuthet, es sei Pietro gewesen) erschießen zu lassen; aber schließlich sollte sich die Sentenz auf Consalvi beschränken. Dieser glaubt die Nrchtvollstreckung dieser Sentenz den Bemühungen seines Freundes Fouchü zu verdanken, es ist aber wahrscheinlich, daß Napoleon keiner Ermahnung bedürfte, um das Ge¬ fährliche der ihm von der ersten Aufwallung zugeflüsterten Eingebung zu erkennen. Am folgenden Tage wurde Oppizzoni und den anderen zum Episkopate beförderten Cardinälen, welche an die Dreizehn sich angeschlossen hallen, unter Androhung von Gefängnißstrafe befohlen, ihre Entlassung zu geben, was sie denn auch mit Vorbehalt der päpstlichen Genehmigung thaten. Am Abend desselben Tages wurden sämmtliche der Ungnade verfallene Kirchenfürsjen zum Cultus minister beschieden. Im Cabinet dieses Ministers fanden sie Fvuchs, der vorgab, er wäre zu¬ fällig zum Besuche bei seinem Collegen. Der Minister hieß die Cardinäle Platz nehmen und hielt eine lange Ansprache, welche die wenigsten verstanden, da eben nur wenige der französischen Sprache kundig waren. Er führte darin aus, daß sie ein Staatsverbrechen begangen hätten, das Verbrechen der Maje¬ stätsverletzung! daß sie gegen den Kaiser complottirt hätten, wie aus dem Umstand erhelle, daß sie ihren Entschluß in tiefes Geheimniß zu hüllen suchten, auch hätten sie die öffentliche Ruhe gefährdet, indem sie sich bemühten, die Legitimität der Thronfolge in Zweifel zu ziehen. Der Kaiser und König be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/198>, abgerufen am 23.07.2024.