Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

werden, nachdem sie, der Sitte des französischen Hofes gemäß, zuerst in Wien
vermittelst Procuration vollzogen worden war. Cardinal Fesch, welcher die
erste Ehe Napoleons eingesegnet, übernahm auch diesmal, das hohe Priester¬
amt zu bekleiden.

Zu jener Zeit befanden sich im Ganzen neunundzwnnzig Cardinäle in
Paris, und je näher der Tag der Hochzeit kam, um so lebhafter wurde unter
ihnen das Verhalten besprochen, das sie diesem wichtigen Ereignisse gegenüber
zu beobachten haben würden. Einige der Cardinäle beschäftigten sich mit den
theoretischen Nachforschungen, welche der Fall erheischte, und sie behaupteten,
daß die Heirathsangelegenheiten gekrönter Häupter ausschließlich vor den Richter-
stuhl des Papstes gehörten, es sei nun, daß der heilige Vater das Urtheil in
Rom spreche oder durch Vermittlung besonderer Legaten fällen ließe.

In jedem Jahrhundert finden sich Beispiele solcher Entscheidungen, und
Consalvi sagt, es ließe sich auch nicht ein einziges gegen die Regel an¬
führen. Ja dieses Recht des heiligen Stuhles sei selbst vom französischen Kaiser
anerkannt, wie dies unter andern aus den "Pariser Konferenzen" erhelle, einem
Werke, das unter dem Cardinal von Noailles. einem Gegner der römischen
Hierarchie, gedruckt worden ist. Die Officialität in Paris bekannte sich selbst
in ihrem Nichtigkeitsspruche zu dieser Ansicht. Sie hatte nämlich zuerst ihre
Dazwischenkunft in dieser Angelegenheit als nicht in ihren Bereich gehörig ver¬
weigert. Hierauf setzte der Kaiser einen aus mehren in Paris anwesenden
Bischöfen gebildeten Ausschuß zusammen, in welchem Cardinal Fesch den Vor¬
sitz führte. Diesem Ausschuß gelang es nach langen Zureden die Officialität
von Paris zu bestimmen, ihre Kompetenz anzuerkennen. In dem betreffenden
Urtheilsspruche hieß es, daß die Officialität von Paris unbeschadet der sRcchte
des augenblicklich nicht zugänglichen Papstes, competent befunden sei, die Heirath
mit der Kaiserin Josephine aus den in den Ackerstücken angeführten Grün¬
den für nichtig zu erklären. Später ließ die kaiserliche Negierung dieses Docu-
ment vernichten, wohl fühlend, daß es ihrer Sache mehr nachtheilig sei als
dienlich war.

Dreizehn Cardinäle, Mattei, Pignatelli, della Tvmaglia, ti Pietro, Litla,
Saluzzo, Nuffo Leilla, Brancadoro, Galeffi, Scotti, Gabnelli. Oppizzoni und
Consalvi, waren entschlossen, die Rechte des heiligen Stuhles zu vertheidigen,
und dem Nichtigkeitsspruchc, so weit es in ihren Kräften stand, ihre Beistimmung
zu verweigern. Fünfzehn dagegen ließen sich für die Wünsche des Kaisers ge¬
winnen, darunter Joseph und Anton Dona, Rovcrellc^ Dugnani, Vincenti,
Fesch, Albani, Erskine und Bagcme. Cardinal Capra lag am Tode.

Einige der Erstgenannten waren schwankend wie Dugnani und die beiden
Doria. andere erklärten, sie wollten sich keinen Quälereien aussetzen, und ver¬
weigerten es, sich auszusprechen. Am energischsten zu Gunsten der Nichtigkeit


werden, nachdem sie, der Sitte des französischen Hofes gemäß, zuerst in Wien
vermittelst Procuration vollzogen worden war. Cardinal Fesch, welcher die
erste Ehe Napoleons eingesegnet, übernahm auch diesmal, das hohe Priester¬
amt zu bekleiden.

Zu jener Zeit befanden sich im Ganzen neunundzwnnzig Cardinäle in
Paris, und je näher der Tag der Hochzeit kam, um so lebhafter wurde unter
ihnen das Verhalten besprochen, das sie diesem wichtigen Ereignisse gegenüber
zu beobachten haben würden. Einige der Cardinäle beschäftigten sich mit den
theoretischen Nachforschungen, welche der Fall erheischte, und sie behaupteten,
daß die Heirathsangelegenheiten gekrönter Häupter ausschließlich vor den Richter-
stuhl des Papstes gehörten, es sei nun, daß der heilige Vater das Urtheil in
Rom spreche oder durch Vermittlung besonderer Legaten fällen ließe.

In jedem Jahrhundert finden sich Beispiele solcher Entscheidungen, und
Consalvi sagt, es ließe sich auch nicht ein einziges gegen die Regel an¬
führen. Ja dieses Recht des heiligen Stuhles sei selbst vom französischen Kaiser
anerkannt, wie dies unter andern aus den „Pariser Konferenzen" erhelle, einem
Werke, das unter dem Cardinal von Noailles. einem Gegner der römischen
Hierarchie, gedruckt worden ist. Die Officialität in Paris bekannte sich selbst
in ihrem Nichtigkeitsspruche zu dieser Ansicht. Sie hatte nämlich zuerst ihre
Dazwischenkunft in dieser Angelegenheit als nicht in ihren Bereich gehörig ver¬
weigert. Hierauf setzte der Kaiser einen aus mehren in Paris anwesenden
Bischöfen gebildeten Ausschuß zusammen, in welchem Cardinal Fesch den Vor¬
sitz führte. Diesem Ausschuß gelang es nach langen Zureden die Officialität
von Paris zu bestimmen, ihre Kompetenz anzuerkennen. In dem betreffenden
Urtheilsspruche hieß es, daß die Officialität von Paris unbeschadet der sRcchte
des augenblicklich nicht zugänglichen Papstes, competent befunden sei, die Heirath
mit der Kaiserin Josephine aus den in den Ackerstücken angeführten Grün¬
den für nichtig zu erklären. Später ließ die kaiserliche Negierung dieses Docu-
ment vernichten, wohl fühlend, daß es ihrer Sache mehr nachtheilig sei als
dienlich war.

Dreizehn Cardinäle, Mattei, Pignatelli, della Tvmaglia, ti Pietro, Litla,
Saluzzo, Nuffo Leilla, Brancadoro, Galeffi, Scotti, Gabnelli. Oppizzoni und
Consalvi, waren entschlossen, die Rechte des heiligen Stuhles zu vertheidigen,
und dem Nichtigkeitsspruchc, so weit es in ihren Kräften stand, ihre Beistimmung
zu verweigern. Fünfzehn dagegen ließen sich für die Wünsche des Kaisers ge¬
winnen, darunter Joseph und Anton Dona, Rovcrellc^ Dugnani, Vincenti,
Fesch, Albani, Erskine und Bagcme. Cardinal Capra lag am Tode.

Einige der Erstgenannten waren schwankend wie Dugnani und die beiden
Doria. andere erklärten, sie wollten sich keinen Quälereien aussetzen, und ver¬
weigerten es, sich auszusprechen. Am energischsten zu Gunsten der Nichtigkeit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0194" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282435"/>
            <p xml:id="ID_507" prev="#ID_506"> werden, nachdem sie, der Sitte des französischen Hofes gemäß, zuerst in Wien<lb/>
vermittelst Procuration vollzogen worden war. Cardinal Fesch, welcher die<lb/>
erste Ehe Napoleons eingesegnet, übernahm auch diesmal, das hohe Priester¬<lb/>
amt zu bekleiden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_508"> Zu jener Zeit befanden sich im Ganzen neunundzwnnzig Cardinäle in<lb/>
Paris, und je näher der Tag der Hochzeit kam, um so lebhafter wurde unter<lb/>
ihnen das Verhalten besprochen, das sie diesem wichtigen Ereignisse gegenüber<lb/>
zu beobachten haben würden. Einige der Cardinäle beschäftigten sich mit den<lb/>
theoretischen Nachforschungen, welche der Fall erheischte, und sie behaupteten,<lb/>
daß die Heirathsangelegenheiten gekrönter Häupter ausschließlich vor den Richter-<lb/>
stuhl des Papstes gehörten, es sei nun, daß der heilige Vater das Urtheil in<lb/>
Rom spreche oder durch Vermittlung besonderer Legaten fällen ließe.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_509"> In jedem Jahrhundert finden sich Beispiele solcher Entscheidungen, und<lb/>
Consalvi sagt, es ließe sich auch nicht ein einziges gegen die Regel an¬<lb/>
führen. Ja dieses Recht des heiligen Stuhles sei selbst vom französischen Kaiser<lb/>
anerkannt, wie dies unter andern aus den &#x201E;Pariser Konferenzen" erhelle, einem<lb/>
Werke, das unter dem Cardinal von Noailles. einem Gegner der römischen<lb/>
Hierarchie, gedruckt worden ist. Die Officialität in Paris bekannte sich selbst<lb/>
in ihrem Nichtigkeitsspruche zu dieser Ansicht. Sie hatte nämlich zuerst ihre<lb/>
Dazwischenkunft in dieser Angelegenheit als nicht in ihren Bereich gehörig ver¬<lb/>
weigert. Hierauf setzte der Kaiser einen aus mehren in Paris anwesenden<lb/>
Bischöfen gebildeten Ausschuß zusammen, in welchem Cardinal Fesch den Vor¬<lb/>
sitz führte. Diesem Ausschuß gelang es nach langen Zureden die Officialität<lb/>
von Paris zu bestimmen, ihre Kompetenz anzuerkennen. In dem betreffenden<lb/>
Urtheilsspruche hieß es, daß die Officialität von Paris unbeschadet der sRcchte<lb/>
des augenblicklich nicht zugänglichen Papstes, competent befunden sei, die Heirath<lb/>
mit der Kaiserin Josephine aus den in den Ackerstücken angeführten Grün¬<lb/>
den für nichtig zu erklären. Später ließ die kaiserliche Negierung dieses Docu-<lb/>
ment vernichten, wohl fühlend, daß es ihrer Sache mehr nachtheilig sei als<lb/>
dienlich war.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_510"> Dreizehn Cardinäle, Mattei, Pignatelli, della Tvmaglia, ti Pietro, Litla,<lb/>
Saluzzo, Nuffo Leilla, Brancadoro, Galeffi, Scotti, Gabnelli. Oppizzoni und<lb/>
Consalvi, waren entschlossen, die Rechte des heiligen Stuhles zu vertheidigen,<lb/>
und dem Nichtigkeitsspruchc, so weit es in ihren Kräften stand, ihre Beistimmung<lb/>
zu verweigern. Fünfzehn dagegen ließen sich für die Wünsche des Kaisers ge¬<lb/>
winnen, darunter Joseph und Anton Dona, Rovcrellc^ Dugnani, Vincenti,<lb/>
Fesch, Albani, Erskine und Bagcme.  Cardinal Capra lag am Tode.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_511" next="#ID_512"> Einige der Erstgenannten waren schwankend wie Dugnani und die beiden<lb/>
Doria. andere erklärten, sie wollten sich keinen Quälereien aussetzen, und ver¬<lb/>
weigerten es, sich auszusprechen. Am energischsten zu Gunsten der Nichtigkeit</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0194] werden, nachdem sie, der Sitte des französischen Hofes gemäß, zuerst in Wien vermittelst Procuration vollzogen worden war. Cardinal Fesch, welcher die erste Ehe Napoleons eingesegnet, übernahm auch diesmal, das hohe Priester¬ amt zu bekleiden. Zu jener Zeit befanden sich im Ganzen neunundzwnnzig Cardinäle in Paris, und je näher der Tag der Hochzeit kam, um so lebhafter wurde unter ihnen das Verhalten besprochen, das sie diesem wichtigen Ereignisse gegenüber zu beobachten haben würden. Einige der Cardinäle beschäftigten sich mit den theoretischen Nachforschungen, welche der Fall erheischte, und sie behaupteten, daß die Heirathsangelegenheiten gekrönter Häupter ausschließlich vor den Richter- stuhl des Papstes gehörten, es sei nun, daß der heilige Vater das Urtheil in Rom spreche oder durch Vermittlung besonderer Legaten fällen ließe. In jedem Jahrhundert finden sich Beispiele solcher Entscheidungen, und Consalvi sagt, es ließe sich auch nicht ein einziges gegen die Regel an¬ führen. Ja dieses Recht des heiligen Stuhles sei selbst vom französischen Kaiser anerkannt, wie dies unter andern aus den „Pariser Konferenzen" erhelle, einem Werke, das unter dem Cardinal von Noailles. einem Gegner der römischen Hierarchie, gedruckt worden ist. Die Officialität in Paris bekannte sich selbst in ihrem Nichtigkeitsspruche zu dieser Ansicht. Sie hatte nämlich zuerst ihre Dazwischenkunft in dieser Angelegenheit als nicht in ihren Bereich gehörig ver¬ weigert. Hierauf setzte der Kaiser einen aus mehren in Paris anwesenden Bischöfen gebildeten Ausschuß zusammen, in welchem Cardinal Fesch den Vor¬ sitz führte. Diesem Ausschuß gelang es nach langen Zureden die Officialität von Paris zu bestimmen, ihre Kompetenz anzuerkennen. In dem betreffenden Urtheilsspruche hieß es, daß die Officialität von Paris unbeschadet der sRcchte des augenblicklich nicht zugänglichen Papstes, competent befunden sei, die Heirath mit der Kaiserin Josephine aus den in den Ackerstücken angeführten Grün¬ den für nichtig zu erklären. Später ließ die kaiserliche Negierung dieses Docu- ment vernichten, wohl fühlend, daß es ihrer Sache mehr nachtheilig sei als dienlich war. Dreizehn Cardinäle, Mattei, Pignatelli, della Tvmaglia, ti Pietro, Litla, Saluzzo, Nuffo Leilla, Brancadoro, Galeffi, Scotti, Gabnelli. Oppizzoni und Consalvi, waren entschlossen, die Rechte des heiligen Stuhles zu vertheidigen, und dem Nichtigkeitsspruchc, so weit es in ihren Kräften stand, ihre Beistimmung zu verweigern. Fünfzehn dagegen ließen sich für die Wünsche des Kaisers ge¬ winnen, darunter Joseph und Anton Dona, Rovcrellc^ Dugnani, Vincenti, Fesch, Albani, Erskine und Bagcme. Cardinal Capra lag am Tode. Einige der Erstgenannten waren schwankend wie Dugnani und die beiden Doria. andere erklärten, sie wollten sich keinen Quälereien aussetzen, und ver¬ weigerten es, sich auszusprechen. Am energischsten zu Gunsten der Nichtigkeit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/194
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/194>, abgerufen am 23.07.2024.