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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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offene Darlehnsbänke. diese Anfänge unsrer Banken und Pfandhäuser
zu halten. Eine Zahl von Stadtrechten, welche eben dies Institut für die
Städte als wesentlich kennzeichnen, schrieben ihnen dabei nur ein hohes, doch
bestimmtes Zinsmaximum. verschieden für leidende Bürger oder Gäste, meist
nur auf Wochenfrist und kleine Capitalien berechnet, das in Frankfurt a. M.
seit 1338 nicht einmal von den Parteien herabgesetzt werden durfte, und etwa
Einzelnes über die Sicherheit vor. Damit hing zusammen, daß nach dem frei-
burger Stadtrecht (im Breisgau), der Priester es von der Kanzel herab den
Gläubigen anzeigen mußte, wenn ein Wechsler oder Jude aus der Stadt fort¬
ziehen wollte, damit jeder gegen Rückzahlung der Darlehen und Zinsen seine
Pfänder auflöste.

Der Negierungssäckel bereicherte sich durch diese Darlehnsbänke zwiefach.
Einmal hob sich in ihren Darlehn, Depositen, Kassirungen und Geschäften mit
Wechselbriefen der Verkehr; der Wohlstand der kleinen Gewerbtreibenden stieg
nicht selten; sodann reizte der Verdienst die Wechsler, sich zahlreicher in den
Städten anzusiedeln, und so boten sie ihre Fonds den Fürsten selbst zu schwer
getilgten Darlehen und nie endenden Erpressungen dar. Hierüber folgt unten
Näheres. Für solche Vortheile billigten die Fürsten und sonstigen Obrigkeiten
natürlich wieder die hohen Zinsforderungcn der Wechsler und zeigten ihnen,
wie sie durch das kirchliche und weltliche Zinsverbot fast von jeder Con-
currenz frei, um so schonungsloser ihr Vorrecht auf Kosten der zwiefach ein¬
geengten Schuldner ausbeuten konnten. In Zeit und Ort wechselten diese zwei
Bereicherungen der Fürsten mit einander.

Letzteres veranlaßte die Inhaber des Münzregals (f. oben), selbst oder durch
den Rath der Städte eigene, besonders städtische Wechselbänke, städtische'
Leib- oder Pfandhäuser, und zwar zuweilen mehre in derselben Stadt zu
errichten, wofür dann oft der Rath der betreffenden Stadt wiederum hohe Ab¬
gaben an die fürstliche Kasse zahlen mußte. Dieses Institut mußte sich um so
leichter Eingang verschaffen, als bereits seit dein Anfange des vierzehnten
Jahrhunderts städtische Leibrentenbänte in Uebung waren, welche gegen
Empfang eines angemessenen Capitals von diesem etwa 12^ oder 10°/<> Ren¬
ten (Zinsen) während ihrer Lebensdauer den Einzahlern entrichteten, beim Tode
derselben aber das Capital als Eigenthum zurückbehielten. Da bei privaten Leib¬
rentenverträgen ebenso wie noch heute bei den im Bauernstande häusigen Altentheils'
Verträgen sich über die schlechte Behandlung, die unregelmäßige Rentenzahlung
für die Rentengläubiger, deren schneller Tod eben den Rentenschuldnern erwünscht
ist, ewige Klage erhob, machten die regelmäßig und streng verwalteten städtischen
Leibrentenbänke ein vortreffliches Geschäft und warfen der öffentlichen Kasse
namhaften Gewinn, ab; das Zinsenverbot aber verletzten sie nicht, weil Aus-


offene Darlehnsbänke. diese Anfänge unsrer Banken und Pfandhäuser
zu halten. Eine Zahl von Stadtrechten, welche eben dies Institut für die
Städte als wesentlich kennzeichnen, schrieben ihnen dabei nur ein hohes, doch
bestimmtes Zinsmaximum. verschieden für leidende Bürger oder Gäste, meist
nur auf Wochenfrist und kleine Capitalien berechnet, das in Frankfurt a. M.
seit 1338 nicht einmal von den Parteien herabgesetzt werden durfte, und etwa
Einzelnes über die Sicherheit vor. Damit hing zusammen, daß nach dem frei-
burger Stadtrecht (im Breisgau), der Priester es von der Kanzel herab den
Gläubigen anzeigen mußte, wenn ein Wechsler oder Jude aus der Stadt fort¬
ziehen wollte, damit jeder gegen Rückzahlung der Darlehen und Zinsen seine
Pfänder auflöste.

Der Negierungssäckel bereicherte sich durch diese Darlehnsbänke zwiefach.
Einmal hob sich in ihren Darlehn, Depositen, Kassirungen und Geschäften mit
Wechselbriefen der Verkehr; der Wohlstand der kleinen Gewerbtreibenden stieg
nicht selten; sodann reizte der Verdienst die Wechsler, sich zahlreicher in den
Städten anzusiedeln, und so boten sie ihre Fonds den Fürsten selbst zu schwer
getilgten Darlehen und nie endenden Erpressungen dar. Hierüber folgt unten
Näheres. Für solche Vortheile billigten die Fürsten und sonstigen Obrigkeiten
natürlich wieder die hohen Zinsforderungcn der Wechsler und zeigten ihnen,
wie sie durch das kirchliche und weltliche Zinsverbot fast von jeder Con-
currenz frei, um so schonungsloser ihr Vorrecht auf Kosten der zwiefach ein¬
geengten Schuldner ausbeuten konnten. In Zeit und Ort wechselten diese zwei
Bereicherungen der Fürsten mit einander.

Letzteres veranlaßte die Inhaber des Münzregals (f. oben), selbst oder durch
den Rath der Städte eigene, besonders städtische Wechselbänke, städtische'
Leib- oder Pfandhäuser, und zwar zuweilen mehre in derselben Stadt zu
errichten, wofür dann oft der Rath der betreffenden Stadt wiederum hohe Ab¬
gaben an die fürstliche Kasse zahlen mußte. Dieses Institut mußte sich um so
leichter Eingang verschaffen, als bereits seit dein Anfange des vierzehnten
Jahrhunderts städtische Leibrentenbänte in Uebung waren, welche gegen
Empfang eines angemessenen Capitals von diesem etwa 12^ oder 10°/<> Ren¬
ten (Zinsen) während ihrer Lebensdauer den Einzahlern entrichteten, beim Tode
derselben aber das Capital als Eigenthum zurückbehielten. Da bei privaten Leib¬
rentenverträgen ebenso wie noch heute bei den im Bauernstande häusigen Altentheils'
Verträgen sich über die schlechte Behandlung, die unregelmäßige Rentenzahlung
für die Rentengläubiger, deren schneller Tod eben den Rentenschuldnern erwünscht
ist, ewige Klage erhob, machten die regelmäßig und streng verwalteten städtischen
Leibrentenbänke ein vortreffliches Geschäft und warfen der öffentlichen Kasse
namhaften Gewinn, ab; das Zinsenverbot aber verletzten sie nicht, weil Aus-


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[0186] offene Darlehnsbänke. diese Anfänge unsrer Banken und Pfandhäuser zu halten. Eine Zahl von Stadtrechten, welche eben dies Institut für die Städte als wesentlich kennzeichnen, schrieben ihnen dabei nur ein hohes, doch bestimmtes Zinsmaximum. verschieden für leidende Bürger oder Gäste, meist nur auf Wochenfrist und kleine Capitalien berechnet, das in Frankfurt a. M. seit 1338 nicht einmal von den Parteien herabgesetzt werden durfte, und etwa Einzelnes über die Sicherheit vor. Damit hing zusammen, daß nach dem frei- burger Stadtrecht (im Breisgau), der Priester es von der Kanzel herab den Gläubigen anzeigen mußte, wenn ein Wechsler oder Jude aus der Stadt fort¬ ziehen wollte, damit jeder gegen Rückzahlung der Darlehen und Zinsen seine Pfänder auflöste. Der Negierungssäckel bereicherte sich durch diese Darlehnsbänke zwiefach. Einmal hob sich in ihren Darlehn, Depositen, Kassirungen und Geschäften mit Wechselbriefen der Verkehr; der Wohlstand der kleinen Gewerbtreibenden stieg nicht selten; sodann reizte der Verdienst die Wechsler, sich zahlreicher in den Städten anzusiedeln, und so boten sie ihre Fonds den Fürsten selbst zu schwer getilgten Darlehen und nie endenden Erpressungen dar. Hierüber folgt unten Näheres. Für solche Vortheile billigten die Fürsten und sonstigen Obrigkeiten natürlich wieder die hohen Zinsforderungcn der Wechsler und zeigten ihnen, wie sie durch das kirchliche und weltliche Zinsverbot fast von jeder Con- currenz frei, um so schonungsloser ihr Vorrecht auf Kosten der zwiefach ein¬ geengten Schuldner ausbeuten konnten. In Zeit und Ort wechselten diese zwei Bereicherungen der Fürsten mit einander. Letzteres veranlaßte die Inhaber des Münzregals (f. oben), selbst oder durch den Rath der Städte eigene, besonders städtische Wechselbänke, städtische' Leib- oder Pfandhäuser, und zwar zuweilen mehre in derselben Stadt zu errichten, wofür dann oft der Rath der betreffenden Stadt wiederum hohe Ab¬ gaben an die fürstliche Kasse zahlen mußte. Dieses Institut mußte sich um so leichter Eingang verschaffen, als bereits seit dein Anfange des vierzehnten Jahrhunderts städtische Leibrentenbänte in Uebung waren, welche gegen Empfang eines angemessenen Capitals von diesem etwa 12^ oder 10°/<> Ren¬ ten (Zinsen) während ihrer Lebensdauer den Einzahlern entrichteten, beim Tode derselben aber das Capital als Eigenthum zurückbehielten. Da bei privaten Leib¬ rentenverträgen ebenso wie noch heute bei den im Bauernstande häusigen Altentheils' Verträgen sich über die schlechte Behandlung, die unregelmäßige Rentenzahlung für die Rentengläubiger, deren schneller Tod eben den Rentenschuldnern erwünscht ist, ewige Klage erhob, machten die regelmäßig und streng verwalteten städtischen Leibrentenbänke ein vortreffliches Geschäft und warfen der öffentlichen Kasse namhaften Gewinn, ab; das Zinsenverbot aber verletzten sie nicht, weil Aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/186>, abgerufen am 23.07.2024.