Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bekanntlich schon in der ersten Zeit des erwachenden Verkehrs wohnten
in Deutschland Juden, vereinzelt, in Worms z. B. hat man ihr Alter selbst
auf den Anfang der christlichen Zeitrechnung zurückführen wollen. (Daher fromme
Juden, die Christum nicht kreuzigten.) Neben den Klerikern waren sie seit jeher
die allbereiten Geldquellen an den Sitzen der geistlichen und weltlichen Macht¬
haber. Bei dem Entstehen vieler Städte bildeten sie den unentbehrlichen Eck¬
stein ihrer Gründung. Als Nichtchnste" und Bürger eines fremden Staates
wohnten sie in besondern Stadttheilen und Gemeinden, blieben ausgeschlossen
vom Rechte der christlichen Einwohner und zahlten an die Kaiser oder an die
von diesen ernannten Inhaber des Judcnregales als ihre Leibeigenen oder "Kammer¬
knechte" für Duldung und Schutz eine hohe Geldabgabe; außerdem entrichteten
sie kleinere Steuern an die ihnen zunächst übergeordneten Machthaber, wogegen
sie sich zur Ermöglichung ihres Unterhaltes besonderer Privilegien erfreuten.

Diese Privilegien bezogen sich auf ihre Gemeindeverfassung, ihren Frieden,
ihr Gericht, ihr Bewcisrecht und speciell auch auf ihre Geldgeschäfte. Unter
letzteren waren, was hier sogleich erwähnt werden mag, zwei die bedeutendsten:
die Juden durften straflos Zinsen und Darlehn fordern und öffentliche Pfand¬
häuser. Banken, kurz Institute halten, welche die regelmäßige Ausleihung von
Capitalien gegen Zinsen und Sicherheit zum Zwecke hatten.

Die Wechsler in Deutschland nun, deren dreifache Entstehung bisher dar¬
gelegt worden, besorgten von den Gesch äst en der großen italienischen Bankhäuser
vornehmlich nur drei, entsprechend den hiesigen Verhältnissen: den Hand Wechsel,
das Dar lehr und den Betrieb der Wechselbriefe. Erstere zwei Ge¬
schäfte vollzogen indeß besonders nur die Judenwechsler und die Wechsler deut¬
schen Ursprungs, den Wechselbetrieb besorgten diese höchstens innerhalb kleinerer
Entfernungen, kaum über Deutschlands Grenzen hinaus nach Flandern und
Italien. So fiel der Wechselbetrieb innerhalb Deutschlands wesentlich den deut¬
schen Kaufleuten selbst anheim, für die Wechsel nach Italien, Frankreich. Nieder¬
lande aber pflegten ihn die italienischen Wechsler in Deutschland. Mannigfach
aber, je nach Zeit- und Ortsverhältnissen, griffen die Eine" in de" Geschäfts¬
kreis der Andern hinüber und regten gerade durch ihren gewinnreichen Betrieb
nach einer Seite auch die Vertreter der andern Geschäfte an. sich hierin zu ver¬
suchen. Da der Wechselbetrieb somit nicht den Wechslern in jener Zeit eigen¬
thümlich, vielfach ferner bereits in dem bisher Besprochenen berührt wurde,
bleibt hier von den Geschäften der Wechsler besonders der Handwechsel und
das Darlehn zu betrachten.

Vermöge ihrer Kenntniß der Münzsorten und der Curse derselben, vermöge
ihrer mannigfachen Verbindung mit den Münzmeistern und den Prägeanstalten,
endlich wegen ihrer vielen Rundreisen in den hauptsächlichen Marktplätzen


Bekanntlich schon in der ersten Zeit des erwachenden Verkehrs wohnten
in Deutschland Juden, vereinzelt, in Worms z. B. hat man ihr Alter selbst
auf den Anfang der christlichen Zeitrechnung zurückführen wollen. (Daher fromme
Juden, die Christum nicht kreuzigten.) Neben den Klerikern waren sie seit jeher
die allbereiten Geldquellen an den Sitzen der geistlichen und weltlichen Macht¬
haber. Bei dem Entstehen vieler Städte bildeten sie den unentbehrlichen Eck¬
stein ihrer Gründung. Als Nichtchnste» und Bürger eines fremden Staates
wohnten sie in besondern Stadttheilen und Gemeinden, blieben ausgeschlossen
vom Rechte der christlichen Einwohner und zahlten an die Kaiser oder an die
von diesen ernannten Inhaber des Judcnregales als ihre Leibeigenen oder „Kammer¬
knechte" für Duldung und Schutz eine hohe Geldabgabe; außerdem entrichteten
sie kleinere Steuern an die ihnen zunächst übergeordneten Machthaber, wogegen
sie sich zur Ermöglichung ihres Unterhaltes besonderer Privilegien erfreuten.

Diese Privilegien bezogen sich auf ihre Gemeindeverfassung, ihren Frieden,
ihr Gericht, ihr Bewcisrecht und speciell auch auf ihre Geldgeschäfte. Unter
letzteren waren, was hier sogleich erwähnt werden mag, zwei die bedeutendsten:
die Juden durften straflos Zinsen und Darlehn fordern und öffentliche Pfand¬
häuser. Banken, kurz Institute halten, welche die regelmäßige Ausleihung von
Capitalien gegen Zinsen und Sicherheit zum Zwecke hatten.

Die Wechsler in Deutschland nun, deren dreifache Entstehung bisher dar¬
gelegt worden, besorgten von den Gesch äst en der großen italienischen Bankhäuser
vornehmlich nur drei, entsprechend den hiesigen Verhältnissen: den Hand Wechsel,
das Dar lehr und den Betrieb der Wechselbriefe. Erstere zwei Ge¬
schäfte vollzogen indeß besonders nur die Judenwechsler und die Wechsler deut¬
schen Ursprungs, den Wechselbetrieb besorgten diese höchstens innerhalb kleinerer
Entfernungen, kaum über Deutschlands Grenzen hinaus nach Flandern und
Italien. So fiel der Wechselbetrieb innerhalb Deutschlands wesentlich den deut¬
schen Kaufleuten selbst anheim, für die Wechsel nach Italien, Frankreich. Nieder¬
lande aber pflegten ihn die italienischen Wechsler in Deutschland. Mannigfach
aber, je nach Zeit- und Ortsverhältnissen, griffen die Eine» in de» Geschäfts¬
kreis der Andern hinüber und regten gerade durch ihren gewinnreichen Betrieb
nach einer Seite auch die Vertreter der andern Geschäfte an. sich hierin zu ver¬
suchen. Da der Wechselbetrieb somit nicht den Wechslern in jener Zeit eigen¬
thümlich, vielfach ferner bereits in dem bisher Besprochenen berührt wurde,
bleibt hier von den Geschäften der Wechsler besonders der Handwechsel und
das Darlehn zu betrachten.

Vermöge ihrer Kenntniß der Münzsorten und der Curse derselben, vermöge
ihrer mannigfachen Verbindung mit den Münzmeistern und den Prägeanstalten,
endlich wegen ihrer vielen Rundreisen in den hauptsächlichen Marktplätzen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/282422"/>
          <p xml:id="ID_457"> Bekanntlich schon in der ersten Zeit des erwachenden Verkehrs wohnten<lb/>
in Deutschland Juden, vereinzelt, in Worms z. B. hat man ihr Alter selbst<lb/>
auf den Anfang der christlichen Zeitrechnung zurückführen wollen. (Daher fromme<lb/>
Juden, die Christum nicht kreuzigten.) Neben den Klerikern waren sie seit jeher<lb/>
die allbereiten Geldquellen an den Sitzen der geistlichen und weltlichen Macht¬<lb/>
haber. Bei dem Entstehen vieler Städte bildeten sie den unentbehrlichen Eck¬<lb/>
stein ihrer Gründung. Als Nichtchnste» und Bürger eines fremden Staates<lb/>
wohnten sie in besondern Stadttheilen und Gemeinden, blieben ausgeschlossen<lb/>
vom Rechte der christlichen Einwohner und zahlten an die Kaiser oder an die<lb/>
von diesen ernannten Inhaber des Judcnregales als ihre Leibeigenen oder &#x201E;Kammer¬<lb/>
knechte" für Duldung und Schutz eine hohe Geldabgabe; außerdem entrichteten<lb/>
sie kleinere Steuern an die ihnen zunächst übergeordneten Machthaber, wogegen<lb/>
sie sich zur Ermöglichung ihres Unterhaltes besonderer Privilegien erfreuten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_458"> Diese Privilegien bezogen sich auf ihre Gemeindeverfassung, ihren Frieden,<lb/>
ihr Gericht, ihr Bewcisrecht und speciell auch auf ihre Geldgeschäfte. Unter<lb/>
letzteren waren, was hier sogleich erwähnt werden mag, zwei die bedeutendsten:<lb/>
die Juden durften straflos Zinsen und Darlehn fordern und öffentliche Pfand¬<lb/>
häuser. Banken, kurz Institute halten, welche die regelmäßige Ausleihung von<lb/>
Capitalien gegen Zinsen und Sicherheit zum Zwecke hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_459"> Die Wechsler in Deutschland nun, deren dreifache Entstehung bisher dar¬<lb/>
gelegt worden, besorgten von den Gesch äst en der großen italienischen Bankhäuser<lb/>
vornehmlich nur drei, entsprechend den hiesigen Verhältnissen: den Hand Wechsel,<lb/>
das Dar lehr und den Betrieb der Wechselbriefe. Erstere zwei Ge¬<lb/>
schäfte vollzogen indeß besonders nur die Judenwechsler und die Wechsler deut¬<lb/>
schen Ursprungs, den Wechselbetrieb besorgten diese höchstens innerhalb kleinerer<lb/>
Entfernungen, kaum über Deutschlands Grenzen hinaus nach Flandern und<lb/>
Italien. So fiel der Wechselbetrieb innerhalb Deutschlands wesentlich den deut¬<lb/>
schen Kaufleuten selbst anheim, für die Wechsel nach Italien, Frankreich. Nieder¬<lb/>
lande aber pflegten ihn die italienischen Wechsler in Deutschland. Mannigfach<lb/>
aber, je nach Zeit- und Ortsverhältnissen, griffen die Eine» in de» Geschäfts¬<lb/>
kreis der Andern hinüber und regten gerade durch ihren gewinnreichen Betrieb<lb/>
nach einer Seite auch die Vertreter der andern Geschäfte an. sich hierin zu ver¬<lb/>
suchen. Da der Wechselbetrieb somit nicht den Wechslern in jener Zeit eigen¬<lb/>
thümlich, vielfach ferner bereits in dem bisher Besprochenen berührt wurde,<lb/>
bleibt hier von den Geschäften der Wechsler besonders der Handwechsel und<lb/>
das Darlehn zu betrachten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_460" next="#ID_461"> Vermöge ihrer Kenntniß der Münzsorten und der Curse derselben, vermöge<lb/>
ihrer mannigfachen Verbindung mit den Münzmeistern und den Prägeanstalten,<lb/>
endlich wegen ihrer vielen Rundreisen in den hauptsächlichen Marktplätzen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0181] Bekanntlich schon in der ersten Zeit des erwachenden Verkehrs wohnten in Deutschland Juden, vereinzelt, in Worms z. B. hat man ihr Alter selbst auf den Anfang der christlichen Zeitrechnung zurückführen wollen. (Daher fromme Juden, die Christum nicht kreuzigten.) Neben den Klerikern waren sie seit jeher die allbereiten Geldquellen an den Sitzen der geistlichen und weltlichen Macht¬ haber. Bei dem Entstehen vieler Städte bildeten sie den unentbehrlichen Eck¬ stein ihrer Gründung. Als Nichtchnste» und Bürger eines fremden Staates wohnten sie in besondern Stadttheilen und Gemeinden, blieben ausgeschlossen vom Rechte der christlichen Einwohner und zahlten an die Kaiser oder an die von diesen ernannten Inhaber des Judcnregales als ihre Leibeigenen oder „Kammer¬ knechte" für Duldung und Schutz eine hohe Geldabgabe; außerdem entrichteten sie kleinere Steuern an die ihnen zunächst übergeordneten Machthaber, wogegen sie sich zur Ermöglichung ihres Unterhaltes besonderer Privilegien erfreuten. Diese Privilegien bezogen sich auf ihre Gemeindeverfassung, ihren Frieden, ihr Gericht, ihr Bewcisrecht und speciell auch auf ihre Geldgeschäfte. Unter letzteren waren, was hier sogleich erwähnt werden mag, zwei die bedeutendsten: die Juden durften straflos Zinsen und Darlehn fordern und öffentliche Pfand¬ häuser. Banken, kurz Institute halten, welche die regelmäßige Ausleihung von Capitalien gegen Zinsen und Sicherheit zum Zwecke hatten. Die Wechsler in Deutschland nun, deren dreifache Entstehung bisher dar¬ gelegt worden, besorgten von den Gesch äst en der großen italienischen Bankhäuser vornehmlich nur drei, entsprechend den hiesigen Verhältnissen: den Hand Wechsel, das Dar lehr und den Betrieb der Wechselbriefe. Erstere zwei Ge¬ schäfte vollzogen indeß besonders nur die Judenwechsler und die Wechsler deut¬ schen Ursprungs, den Wechselbetrieb besorgten diese höchstens innerhalb kleinerer Entfernungen, kaum über Deutschlands Grenzen hinaus nach Flandern und Italien. So fiel der Wechselbetrieb innerhalb Deutschlands wesentlich den deut¬ schen Kaufleuten selbst anheim, für die Wechsel nach Italien, Frankreich. Nieder¬ lande aber pflegten ihn die italienischen Wechsler in Deutschland. Mannigfach aber, je nach Zeit- und Ortsverhältnissen, griffen die Eine» in de» Geschäfts¬ kreis der Andern hinüber und regten gerade durch ihren gewinnreichen Betrieb nach einer Seite auch die Vertreter der andern Geschäfte an. sich hierin zu ver¬ suchen. Da der Wechselbetrieb somit nicht den Wechslern in jener Zeit eigen¬ thümlich, vielfach ferner bereits in dem bisher Besprochenen berührt wurde, bleibt hier von den Geschäften der Wechsler besonders der Handwechsel und das Darlehn zu betrachten. Vermöge ihrer Kenntniß der Münzsorten und der Curse derselben, vermöge ihrer mannigfachen Verbindung mit den Münzmeistern und den Prägeanstalten, endlich wegen ihrer vielen Rundreisen in den hauptsächlichen Marktplätzen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/181
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/181>, abgerufen am 23.07.2024.