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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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dem fünfzehnten Jahrhundert in diesen Gegenden ansiedelten, mochten letztere
Erweiterung ihres Geschäftes gefördert haben. Eben der Erweiterung wegen
mußten diese Wechsler jährlich mehrmals Geschäftsreisen zwischen den einzelnen
Orten ihrer Geschäftsdistncte selbst und mit den die Nebenorte besuchenden
Dienern unternehmen. Hier erleichterten ihnen die regelmäßigen Waarenmärkte,
vornehmlich die von Danzig, Thorn, Posen, Breslau, Naumburg, Leipzig.
Frankfurt, Augsburg, Nürnberg die Abwicklung der Verbindlichkeiten. Denn
wie in den großen Wechselmessen der Champagne erwiesen sich auch hier die
Märkte dazu besonders geeignet, wenn sie auch nicht, wie jene, Mittelpunkte
des Waaren- und Geldverkehres bildeten. Sie vereinfachten die Handhabung
der Wcchselgeschäfte indem z. B. die Wechsler Deckung für die auf die Messe
gezogenen Wechsel mitbrachten und dort gegenseitige Forderungen regulirten,
nicht selten auch den Wechselcurs vereinbarten. In der Mitte des siebzehnten
Jahrhunderts, als in den Wechselordnungen so eingehende Rücksicht auf die
Mehwechsel genommen wurde, beeinträchtigte das damals gerade erstarkende
Indossament deren Bedeutung. -- Erst im sechzehnten und siebzehnten Jahr¬
hundert wurden solche Geschäftsreisen der Wechsler weniger nöthig, da ab¬
gesehen von der wachsenden Bedeutung der Märkte die einzelnen Wechsler selbst
von ihren Wohnsitzen aus sich mit einander in regelmäßige Geschäftsverbindung
setzten und so bis zu den nächsten Märkten auf einander ziehen konnten, wie
in Süd- und Westeuropa die italienischen und französischen Wechsler.

Neben diesem deutschen Ursprünge der Wechsler läßt sich ein italienisch¬
niederländischer nachweisen. Bekanntlich errichteten schon seit dem achten
Jahrhundert die Hauptplätze des italienischen Handels. Amalfi, Ankona, Venedig,
dann auch französische Handelsorte Niederlassungen im Orient. Noch über die
dem Handel besonders förderlichen Kreuzzüge hinaus blühten diese Niederlassungen.
Von solcher Grundlage aus verbreitete sich der verzweigte Waaren- und Geld¬
handel der italienischen Kaufleute und Bankiers trotz der mannigfachsten Verfol¬
gungen über Frankreich, die Niederlande und England. Die Commanditen der
großen italienischen Bankhäuser folgten den Kaufleuten in die Fremde, um ihnen
bei Regulirung des von ihnen im Eigenhandel eingenommenen Geldes zur Er¬
möglichung ihrer Geldgeschäfte Geldsendungen nach und von der Heimath und
sonst erwünschte Dienste zu leisten. So betraten sie auch das Gebiet des deut¬
schen Handels als Kaufleute und Wechsler.

In Süddeutschland war dies bei den steten, unmittelbaren alten Handels¬
verbindungen mit Italien und Frankreich (besonders mit den Wechselmessen der
Champagne) vornehmlich der Fall. Zahlreiche Nachrichten hierüber bezeugen dies
bereits seit dem Anfange des dreizehnten Jahrhundert für den größeren Theil
der bedeutenden und unbedeutenden Städte in Süddeutschland und selbst am


dem fünfzehnten Jahrhundert in diesen Gegenden ansiedelten, mochten letztere
Erweiterung ihres Geschäftes gefördert haben. Eben der Erweiterung wegen
mußten diese Wechsler jährlich mehrmals Geschäftsreisen zwischen den einzelnen
Orten ihrer Geschäftsdistncte selbst und mit den die Nebenorte besuchenden
Dienern unternehmen. Hier erleichterten ihnen die regelmäßigen Waarenmärkte,
vornehmlich die von Danzig, Thorn, Posen, Breslau, Naumburg, Leipzig.
Frankfurt, Augsburg, Nürnberg die Abwicklung der Verbindlichkeiten. Denn
wie in den großen Wechselmessen der Champagne erwiesen sich auch hier die
Märkte dazu besonders geeignet, wenn sie auch nicht, wie jene, Mittelpunkte
des Waaren- und Geldverkehres bildeten. Sie vereinfachten die Handhabung
der Wcchselgeschäfte indem z. B. die Wechsler Deckung für die auf die Messe
gezogenen Wechsel mitbrachten und dort gegenseitige Forderungen regulirten,
nicht selten auch den Wechselcurs vereinbarten. In der Mitte des siebzehnten
Jahrhunderts, als in den Wechselordnungen so eingehende Rücksicht auf die
Mehwechsel genommen wurde, beeinträchtigte das damals gerade erstarkende
Indossament deren Bedeutung. — Erst im sechzehnten und siebzehnten Jahr¬
hundert wurden solche Geschäftsreisen der Wechsler weniger nöthig, da ab¬
gesehen von der wachsenden Bedeutung der Märkte die einzelnen Wechsler selbst
von ihren Wohnsitzen aus sich mit einander in regelmäßige Geschäftsverbindung
setzten und so bis zu den nächsten Märkten auf einander ziehen konnten, wie
in Süd- und Westeuropa die italienischen und französischen Wechsler.

Neben diesem deutschen Ursprünge der Wechsler läßt sich ein italienisch¬
niederländischer nachweisen. Bekanntlich errichteten schon seit dem achten
Jahrhundert die Hauptplätze des italienischen Handels. Amalfi, Ankona, Venedig,
dann auch französische Handelsorte Niederlassungen im Orient. Noch über die
dem Handel besonders förderlichen Kreuzzüge hinaus blühten diese Niederlassungen.
Von solcher Grundlage aus verbreitete sich der verzweigte Waaren- und Geld¬
handel der italienischen Kaufleute und Bankiers trotz der mannigfachsten Verfol¬
gungen über Frankreich, die Niederlande und England. Die Commanditen der
großen italienischen Bankhäuser folgten den Kaufleuten in die Fremde, um ihnen
bei Regulirung des von ihnen im Eigenhandel eingenommenen Geldes zur Er¬
möglichung ihrer Geldgeschäfte Geldsendungen nach und von der Heimath und
sonst erwünschte Dienste zu leisten. So betraten sie auch das Gebiet des deut¬
schen Handels als Kaufleute und Wechsler.

In Süddeutschland war dies bei den steten, unmittelbaren alten Handels¬
verbindungen mit Italien und Frankreich (besonders mit den Wechselmessen der
Champagne) vornehmlich der Fall. Zahlreiche Nachrichten hierüber bezeugen dies
bereits seit dem Anfange des dreizehnten Jahrhundert für den größeren Theil
der bedeutenden und unbedeutenden Städte in Süddeutschland und selbst am


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/178>, abgerufen am 23.07.2024.