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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Daß die Schütze" Insurgenten und gottlose Empörer waren, versteht sich
von selbst, denn vor den Kugeln loyaler Soldaten hätte die heilige Jungfrau
ihr Bild nicht zu schützen gebraucht. Das ist aber Nebensache neben der "n-
bezweifelten Erhabenheit des Wunders selbst. Dagegen ist das aufthauendc
Blut des heiligen Januarius ein Kinderspiel; denn es müssen wenigstens hun¬
dert dieser boshaften Umstürzler das erhabene Gemälde als Zielscheibe ihrer ge¬
stohlenen Donnerbüchsen gewählt haben. Eine wahre Hekatombe von Rosen
umgiebt dasselbe; und in der That, nicht einmal der Rock ist berührt, ja so¬
gar wo derselbe von den Händen der Zeit am Rande etwas ausgefranzt er¬
scheint, sind die herabhängenden Fäden respectirt. Sonst ist ihr ganzer Korper
von den Zerstörungswerkzeugen so dicht umrahmt wie der eines gewöhnlichen
Menschen von der Luft. Giebt es ein schöneres Symbol der Religion in einem
Arsenale. als daß der Glaube Kugeln in Rosen verwandelt? Wie manches
Dutzend wettermorsche Madonnenbildcr hatte ich schon auf einsamen Gebirgs¬
pässen Bayerns oder Badens mit abgehacktem Nasen und verhagelter Gesichtern
angetroffen. Wären sie echt gewesen, sie würden vor dem Unglimpf des Wet¬
ters und der Menschen bewahrt worden sein. Um so ergreifender wirkte hier
die Erhaltung. Was Wunder, wenn den Oestreich", wie er sein soll, ange¬
sichts dieses Bildes das große Gefühl entzückt, daß die Mutter Gottes nur
dem Staate des Concordates in voller Wundcrhcrrlichkeit zu erscheinen würdigte?

Ihm wird es auch nicht entgehen, welchen erhabenen Sinn es hat, daß hier
unter dem wunderthätigen Madvnnenbilde, dem Symbole der mit dem Kaiser¬
staat verbündeten göttlichen Macht, der Danebrog als srwlia opima, seine Stelle
finden wird.

Mit diesem freudig erhebenden Gefühl ging ich weiter und machte mich
an die Besichtigung der eigentlich activen Rüstkammern der göttliche" Providenz.
Es nahm mich freilich Wunder, daß das Erste, was mir darin aufstieß. 60,000
Gewehre waren, die auf Bestellung des Sultans für die Türken verfertigt wur¬
den, von deren Bekehrung zum Katholicismus mir noch nichts bekannt geworden.
Indeß bedachte ich noch zeitig genug, laß diese ehemals die erbittertsten Feinde
Oestreichs gewesen und daß zu Vergeben und Böses mit Gutem zu vergelten
ein christlicher Grundsatz sei. Ich bedachte, daß ja auch das Geld der Ungläu¬
bigen, zu frommem Zweck verwandt, von seinem Schmutz gereinigt werde. Ich
sah ein. daß ein kranker Mann heilkräftiger Medicin bedarf, um Sieb gegen das
Uebel, das ihm droht und leicht weiter um sich greifen könnte, zu wehren; daß
eine umsichtige Sanitätsbehörde Präscrvativmaßregeln ergreift und daß, wenn
es auch nicbt gerade dient, den k. k. Glauben zu befestigen, nach der Variante
eines alten Wortes ein Türke doch immer noch kein Protestant sei.

Mochten aber jene 50,000 Exemplare immerhin nur indirect den Zwecken
der alleinseligmachende" Kirche zu dienen bestimmt sein, was verschlägt dies


Daß die Schütze» Insurgenten und gottlose Empörer waren, versteht sich
von selbst, denn vor den Kugeln loyaler Soldaten hätte die heilige Jungfrau
ihr Bild nicht zu schützen gebraucht. Das ist aber Nebensache neben der »n-
bezweifelten Erhabenheit des Wunders selbst. Dagegen ist das aufthauendc
Blut des heiligen Januarius ein Kinderspiel; denn es müssen wenigstens hun¬
dert dieser boshaften Umstürzler das erhabene Gemälde als Zielscheibe ihrer ge¬
stohlenen Donnerbüchsen gewählt haben. Eine wahre Hekatombe von Rosen
umgiebt dasselbe; und in der That, nicht einmal der Rock ist berührt, ja so¬
gar wo derselbe von den Händen der Zeit am Rande etwas ausgefranzt er¬
scheint, sind die herabhängenden Fäden respectirt. Sonst ist ihr ganzer Korper
von den Zerstörungswerkzeugen so dicht umrahmt wie der eines gewöhnlichen
Menschen von der Luft. Giebt es ein schöneres Symbol der Religion in einem
Arsenale. als daß der Glaube Kugeln in Rosen verwandelt? Wie manches
Dutzend wettermorsche Madonnenbildcr hatte ich schon auf einsamen Gebirgs¬
pässen Bayerns oder Badens mit abgehacktem Nasen und verhagelter Gesichtern
angetroffen. Wären sie echt gewesen, sie würden vor dem Unglimpf des Wet¬
ters und der Menschen bewahrt worden sein. Um so ergreifender wirkte hier
die Erhaltung. Was Wunder, wenn den Oestreich«, wie er sein soll, ange¬
sichts dieses Bildes das große Gefühl entzückt, daß die Mutter Gottes nur
dem Staate des Concordates in voller Wundcrhcrrlichkeit zu erscheinen würdigte?

Ihm wird es auch nicht entgehen, welchen erhabenen Sinn es hat, daß hier
unter dem wunderthätigen Madvnnenbilde, dem Symbole der mit dem Kaiser¬
staat verbündeten göttlichen Macht, der Danebrog als srwlia opima, seine Stelle
finden wird.

Mit diesem freudig erhebenden Gefühl ging ich weiter und machte mich
an die Besichtigung der eigentlich activen Rüstkammern der göttliche» Providenz.
Es nahm mich freilich Wunder, daß das Erste, was mir darin aufstieß. 60,000
Gewehre waren, die auf Bestellung des Sultans für die Türken verfertigt wur¬
den, von deren Bekehrung zum Katholicismus mir noch nichts bekannt geworden.
Indeß bedachte ich noch zeitig genug, laß diese ehemals die erbittertsten Feinde
Oestreichs gewesen und daß zu Vergeben und Böses mit Gutem zu vergelten
ein christlicher Grundsatz sei. Ich bedachte, daß ja auch das Geld der Ungläu¬
bigen, zu frommem Zweck verwandt, von seinem Schmutz gereinigt werde. Ich
sah ein. daß ein kranker Mann heilkräftiger Medicin bedarf, um Sieb gegen das
Uebel, das ihm droht und leicht weiter um sich greifen könnte, zu wehren; daß
eine umsichtige Sanitätsbehörde Präscrvativmaßregeln ergreift und daß, wenn
es auch nicbt gerade dient, den k. k. Glauben zu befestigen, nach der Variante
eines alten Wortes ein Türke doch immer noch kein Protestant sei.

Mochten aber jene 50,000 Exemplare immerhin nur indirect den Zwecken
der alleinseligmachende» Kirche zu dienen bestimmt sein, was verschlägt dies


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/166>, abgerufen am 23.07.2024.