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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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weilen würde ich zur Vertretung des (bis jetzt) letzten Bandes desselben die
derzeitigen Tageeblättcrberichte über die Verjagung der nord- und süditalienischen
Fürsten anempfehlen.

Es sind weit über hundert Erzgcstalten in langer Parade den Saal hinab
aufgestellt und sie bilden ein breites Spalier. Man geht unwillkürlich leise, als
fürchtete man sie aufzuwecken und als könnte ihnen dann plötzlich eine Anwand¬
lung kommen, mit ihren breiten Riescnschwcrtern über einander herzufallen.
Auf der rechten Seite vom Eingang aus stehen die Rüstungen der Kaiser, meist
reich verziert und eingelegt: Feld- und Paraderüstung derselben Person neben
einander, oft mehrfach, wie von .Karl dem Fünften; seine Galarüstung, die
von oben bis auf die Füße übergoldet ist, blitzt wie ein Sonnenstrahl durch
graue Wolken aus den andern hervor. Ab und zu steht eine Figur im Leder-
toller mit verbrämten Wamme und Puffärmeln dazwischen. Diese haben nur
wenige kriegerische Embleme, häusig nur Buckclschild und Schwert und mögen
bei Lebzeiten mehr darnach gestrebt haben, Frauenherzen als Königreiche zu er¬
obern. Dafür sprechen .',und die bei diesen, da sie kein Visier tragen, unter dem
Varett hervorblickenden '^malten Puppentopfgcsichter. Sie sehen friedfertiger
aus als die andern und scheinen sich vor ihren vramarbasircnden Nachbarn
zu fürchten.

Ihnen gegenüber ste! t eine gleiche Zahl von Rüstungen, in denen einst
Grafen, Barone. Ritter und Edle gehaust. Durch ihre Stellung ist hin und
wieder auf ihre Lieblingsbeschäftigungen hingedeutet. Einige halten die Lanzen
gegeneinander und sind im Begriff die Spitzen derselben sich durch die Panzer¬
fugen in die Gelenke zu bohren. Andere strecken die Eisensinger aufs Schwert
und schwören auf seinem Kreuzgriff dem Lehnesherrn Urphede. Es ist als
hörte man ihre Zähne hinter dem Gitter ingrimmig dazu knirschen, während
man durch das Visier ihrer Nachbarn deutlich die Augen funkeln sieht, mit denen
sie wie Raubthiere in zusammcngehocklcr Stellung sprungbereit den Kaufmanns¬
zug beobachten, der unter den Mauern ihrer Burg vorüberzieht.

In der letzteren Reihe saß ein Arbeiter, der beschäftigt war, die im Laufe
der Zeit rostig gewordenen Eisenplatten abzupolircn und glänzend zu erhalten.
Er war gerade mit einer Figur fertig geworden und kam auf eine andere zu,
vor der ich bewundernd stand. Eine hohe, gewaltige Gestalt; das geschwungene
Schwert in der Rechten mochte Ehemals ebenso dichte Schaaren gemeiner
Krieger zaghaft ferngehalten haben, wie der adlig erlauchte Name, der darunter
verzeichnet stand, heutzutage ihre gemeinen, unkriegerischen Nachkommen. Der
Arbeiter jedoch ging unerschrocken darauf zu und nahm ihm den Helm herab,
und unter dem Helm steckte, um den Gehirnraum auszufüllen, ein verschimmelter
hölzerner Klotz. Den warf er mit plebejischen Händen dröhnend in die Ecke
in den Staub.


weilen würde ich zur Vertretung des (bis jetzt) letzten Bandes desselben die
derzeitigen Tageeblättcrberichte über die Verjagung der nord- und süditalienischen
Fürsten anempfehlen.

Es sind weit über hundert Erzgcstalten in langer Parade den Saal hinab
aufgestellt und sie bilden ein breites Spalier. Man geht unwillkürlich leise, als
fürchtete man sie aufzuwecken und als könnte ihnen dann plötzlich eine Anwand¬
lung kommen, mit ihren breiten Riescnschwcrtern über einander herzufallen.
Auf der rechten Seite vom Eingang aus stehen die Rüstungen der Kaiser, meist
reich verziert und eingelegt: Feld- und Paraderüstung derselben Person neben
einander, oft mehrfach, wie von .Karl dem Fünften; seine Galarüstung, die
von oben bis auf die Füße übergoldet ist, blitzt wie ein Sonnenstrahl durch
graue Wolken aus den andern hervor. Ab und zu steht eine Figur im Leder-
toller mit verbrämten Wamme und Puffärmeln dazwischen. Diese haben nur
wenige kriegerische Embleme, häusig nur Buckclschild und Schwert und mögen
bei Lebzeiten mehr darnach gestrebt haben, Frauenherzen als Königreiche zu er¬
obern. Dafür sprechen .',und die bei diesen, da sie kein Visier tragen, unter dem
Varett hervorblickenden '^malten Puppentopfgcsichter. Sie sehen friedfertiger
aus als die andern und scheinen sich vor ihren vramarbasircnden Nachbarn
zu fürchten.

Ihnen gegenüber ste! t eine gleiche Zahl von Rüstungen, in denen einst
Grafen, Barone. Ritter und Edle gehaust. Durch ihre Stellung ist hin und
wieder auf ihre Lieblingsbeschäftigungen hingedeutet. Einige halten die Lanzen
gegeneinander und sind im Begriff die Spitzen derselben sich durch die Panzer¬
fugen in die Gelenke zu bohren. Andere strecken die Eisensinger aufs Schwert
und schwören auf seinem Kreuzgriff dem Lehnesherrn Urphede. Es ist als
hörte man ihre Zähne hinter dem Gitter ingrimmig dazu knirschen, während
man durch das Visier ihrer Nachbarn deutlich die Augen funkeln sieht, mit denen
sie wie Raubthiere in zusammcngehocklcr Stellung sprungbereit den Kaufmanns¬
zug beobachten, der unter den Mauern ihrer Burg vorüberzieht.

In der letzteren Reihe saß ein Arbeiter, der beschäftigt war, die im Laufe
der Zeit rostig gewordenen Eisenplatten abzupolircn und glänzend zu erhalten.
Er war gerade mit einer Figur fertig geworden und kam auf eine andere zu,
vor der ich bewundernd stand. Eine hohe, gewaltige Gestalt; das geschwungene
Schwert in der Rechten mochte Ehemals ebenso dichte Schaaren gemeiner
Krieger zaghaft ferngehalten haben, wie der adlig erlauchte Name, der darunter
verzeichnet stand, heutzutage ihre gemeinen, unkriegerischen Nachkommen. Der
Arbeiter jedoch ging unerschrocken darauf zu und nahm ihm den Helm herab,
und unter dem Helm steckte, um den Gehirnraum auszufüllen, ein verschimmelter
hölzerner Klotz. Den warf er mit plebejischen Händen dröhnend in die Ecke
in den Staub.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/164>, abgerufen am 23.07.2024.