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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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relpective demagogischen Verlockungen bewahren. Rundumher, in den Lorbeer¬
kranz gefügt, den man den Wohlthätern der Menschheit immer aufs Grab
legt, laufen Tafeln, welche die Namen der Schlachten zeigen, in denen er die
äußern und innern Feinde Oestreichs zu Boden geschmettert. Die Jahreszahlen
datiren von dem Tode des großen Napoleon, Unter ihnen aufgestapelt liegen
die vergoldeten Embleme seines Handwerks, Kanonen, Degen, Fahnen, Kugeln,
Lafetten. Helme, Pistolen, Bandclierc, Reitgeschirr, Bajonnette und Ketten.
Nichts ist vergessen, als die Leichname, die anderswo in unvergoldeten Gräbern
eingescharrt sind.

Man sieht, der Stab ist sehr werthvoll und es müssen werthvolle Dienste
gewesen sein, die er dem Kaiserstaat oder richtiger dem Beherrscher desselben
geleistet. Ja es muß gewissermaßen "das Verdienst par exoellerios" sein, für
da? man ihm bei Lebzeiten dies Monument errichtet, denn es bildet den Mittel¬
punkt des Saales und alles Licht scheint nur von ihm auszugehen. Riesenhafte
Stadtlhorschlüsscl aus dem Mittelalter, auf verschossenen Sammetkissen, wie
sie dereinst ehrwürdige Bürgermeister und langperrückte Magistratspersonen in
demüthigen Zug mit schlotternden Knieen den Vorgängern Radetzkys, vielleicht
dem Tilly entgegengetragen. Zerrissene Fahnen von hier und dort; Trophäen
aus dem dreißigjährigen Kriege. Aus dem siebenjährigen gewahrte ich keine;
daß diejenigen aus der Zeit der deutschen Freiheitskriege sehr neu und frisch
aussehen, wird sich aus der Kürze der Zeit erklären. Ab und zu hing ein ver¬
staubtes Etwas dazwischen, das ich nicht zu erkennen vermochte.

An dem kugeldurchlöcherten Hute Pappenheims vorüber, dessen Filzkrämpe
nach ihrer Breite zur Beschattung einer halben Dragonerschwadron bestimmt
gewesen scheint, gingen wir auf einen Glasschrank zu, auf den der Führer be¬
sonders hinwies, dann hielt ich erstaunt inne vor dem Unerwartetem.

Inmitten dieser denkwürdigen Ausstellung von Ueberbleibseln der körper¬
lichen Existenz von Erzherzogen und Fürsten, die der alleinseligmachenden Kirche
angehört, rings umgeben von den goldgestickten Waffenröcken und Uniformen
seligmachender kaiserlicher Generale älteren und neueren Datums hing ein graues
Büffelkoller von so protestantisch nüchterner Einfachheit, daß man den Träger
desselben auf hundert Schritte als Ketzer herausgewittert haben müßte, und
unter dem schlichten Wamms stand ein theurer Heldenname. -- Wie kam dieser
Saul unter die Habsburgischen Propheten?

"Sein kewesen kroßer Räuber -- hat Massen kroßer Kaiser Ferdinand hin-
richten/' bruchstückte mein Pandure, der mir nachgekommen und meinen Ausruf
als Frage nach dem Gegenstand meiner Betrachtung aufgefaßt. Mein Begleiter
warf einen Blick auf denselben und wandte sich lächelnd mit dem Kommentator
nach dem anstoßenden Saal. Ich aber blieb noch einen Augenblick zurück, von
seltsam durcheinander wogenden Gefühlen bestürmt. Du warst kein habsburgi-


relpective demagogischen Verlockungen bewahren. Rundumher, in den Lorbeer¬
kranz gefügt, den man den Wohlthätern der Menschheit immer aufs Grab
legt, laufen Tafeln, welche die Namen der Schlachten zeigen, in denen er die
äußern und innern Feinde Oestreichs zu Boden geschmettert. Die Jahreszahlen
datiren von dem Tode des großen Napoleon, Unter ihnen aufgestapelt liegen
die vergoldeten Embleme seines Handwerks, Kanonen, Degen, Fahnen, Kugeln,
Lafetten. Helme, Pistolen, Bandclierc, Reitgeschirr, Bajonnette und Ketten.
Nichts ist vergessen, als die Leichname, die anderswo in unvergoldeten Gräbern
eingescharrt sind.

Man sieht, der Stab ist sehr werthvoll und es müssen werthvolle Dienste
gewesen sein, die er dem Kaiserstaat oder richtiger dem Beherrscher desselben
geleistet. Ja es muß gewissermaßen „das Verdienst par exoellerios" sein, für
da? man ihm bei Lebzeiten dies Monument errichtet, denn es bildet den Mittel¬
punkt des Saales und alles Licht scheint nur von ihm auszugehen. Riesenhafte
Stadtlhorschlüsscl aus dem Mittelalter, auf verschossenen Sammetkissen, wie
sie dereinst ehrwürdige Bürgermeister und langperrückte Magistratspersonen in
demüthigen Zug mit schlotternden Knieen den Vorgängern Radetzkys, vielleicht
dem Tilly entgegengetragen. Zerrissene Fahnen von hier und dort; Trophäen
aus dem dreißigjährigen Kriege. Aus dem siebenjährigen gewahrte ich keine;
daß diejenigen aus der Zeit der deutschen Freiheitskriege sehr neu und frisch
aussehen, wird sich aus der Kürze der Zeit erklären. Ab und zu hing ein ver¬
staubtes Etwas dazwischen, das ich nicht zu erkennen vermochte.

An dem kugeldurchlöcherten Hute Pappenheims vorüber, dessen Filzkrämpe
nach ihrer Breite zur Beschattung einer halben Dragonerschwadron bestimmt
gewesen scheint, gingen wir auf einen Glasschrank zu, auf den der Führer be¬
sonders hinwies, dann hielt ich erstaunt inne vor dem Unerwartetem.

Inmitten dieser denkwürdigen Ausstellung von Ueberbleibseln der körper¬
lichen Existenz von Erzherzogen und Fürsten, die der alleinseligmachenden Kirche
angehört, rings umgeben von den goldgestickten Waffenröcken und Uniformen
seligmachender kaiserlicher Generale älteren und neueren Datums hing ein graues
Büffelkoller von so protestantisch nüchterner Einfachheit, daß man den Träger
desselben auf hundert Schritte als Ketzer herausgewittert haben müßte, und
unter dem schlichten Wamms stand ein theurer Heldenname. — Wie kam dieser
Saul unter die Habsburgischen Propheten?

„Sein kewesen kroßer Räuber — hat Massen kroßer Kaiser Ferdinand hin-
richten/' bruchstückte mein Pandure, der mir nachgekommen und meinen Ausruf
als Frage nach dem Gegenstand meiner Betrachtung aufgefaßt. Mein Begleiter
warf einen Blick auf denselben und wandte sich lächelnd mit dem Kommentator
nach dem anstoßenden Saal. Ich aber blieb noch einen Augenblick zurück, von
seltsam durcheinander wogenden Gefühlen bestürmt. Du warst kein habsburgi-


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[0162] relpective demagogischen Verlockungen bewahren. Rundumher, in den Lorbeer¬ kranz gefügt, den man den Wohlthätern der Menschheit immer aufs Grab legt, laufen Tafeln, welche die Namen der Schlachten zeigen, in denen er die äußern und innern Feinde Oestreichs zu Boden geschmettert. Die Jahreszahlen datiren von dem Tode des großen Napoleon, Unter ihnen aufgestapelt liegen die vergoldeten Embleme seines Handwerks, Kanonen, Degen, Fahnen, Kugeln, Lafetten. Helme, Pistolen, Bandclierc, Reitgeschirr, Bajonnette und Ketten. Nichts ist vergessen, als die Leichname, die anderswo in unvergoldeten Gräbern eingescharrt sind. Man sieht, der Stab ist sehr werthvoll und es müssen werthvolle Dienste gewesen sein, die er dem Kaiserstaat oder richtiger dem Beherrscher desselben geleistet. Ja es muß gewissermaßen „das Verdienst par exoellerios" sein, für da? man ihm bei Lebzeiten dies Monument errichtet, denn es bildet den Mittel¬ punkt des Saales und alles Licht scheint nur von ihm auszugehen. Riesenhafte Stadtlhorschlüsscl aus dem Mittelalter, auf verschossenen Sammetkissen, wie sie dereinst ehrwürdige Bürgermeister und langperrückte Magistratspersonen in demüthigen Zug mit schlotternden Knieen den Vorgängern Radetzkys, vielleicht dem Tilly entgegengetragen. Zerrissene Fahnen von hier und dort; Trophäen aus dem dreißigjährigen Kriege. Aus dem siebenjährigen gewahrte ich keine; daß diejenigen aus der Zeit der deutschen Freiheitskriege sehr neu und frisch aussehen, wird sich aus der Kürze der Zeit erklären. Ab und zu hing ein ver¬ staubtes Etwas dazwischen, das ich nicht zu erkennen vermochte. An dem kugeldurchlöcherten Hute Pappenheims vorüber, dessen Filzkrämpe nach ihrer Breite zur Beschattung einer halben Dragonerschwadron bestimmt gewesen scheint, gingen wir auf einen Glasschrank zu, auf den der Führer be¬ sonders hinwies, dann hielt ich erstaunt inne vor dem Unerwartetem. Inmitten dieser denkwürdigen Ausstellung von Ueberbleibseln der körper¬ lichen Existenz von Erzherzogen und Fürsten, die der alleinseligmachenden Kirche angehört, rings umgeben von den goldgestickten Waffenröcken und Uniformen seligmachender kaiserlicher Generale älteren und neueren Datums hing ein graues Büffelkoller von so protestantisch nüchterner Einfachheit, daß man den Träger desselben auf hundert Schritte als Ketzer herausgewittert haben müßte, und unter dem schlichten Wamms stand ein theurer Heldenname. — Wie kam dieser Saul unter die Habsburgischen Propheten? „Sein kewesen kroßer Räuber — hat Massen kroßer Kaiser Ferdinand hin- richten/' bruchstückte mein Pandure, der mir nachgekommen und meinen Ausruf als Frage nach dem Gegenstand meiner Betrachtung aufgefaßt. Mein Begleiter warf einen Blick auf denselben und wandte sich lächelnd mit dem Kommentator nach dem anstoßenden Saal. Ich aber blieb noch einen Augenblick zurück, von seltsam durcheinander wogenden Gefühlen bestürmt. Du warst kein habsburgi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/162>, abgerufen am 23.07.2024.