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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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hierzu verbrauchten Menschenleben riesig steigerte und kaum läßt sich annehmen,
daß bei allen zu diesem schrecklichen Tode verdammten Missethätern die Strafe
in gesetzlichem Verhältniß zur Schuld stand. Avr Claudius, nicht dem will¬
kürlichsten Kaiser, erwähnt es Sueton ausdrücklich, daß er, das gesetzliche
Strafmaß überschreitend, Leute, die nur größerer Eigenthumsvergehen überwiesen
waren, zum Kampfe mit den wilden Thieren verurtheilte und von Caligula
sagt Dio Cassius: "Allgemeinen Tadel zog er sich dadurch zu, daß er so viele
Bürger als Gladiatoren auftreten ließ und daß er. sich an keine Gesetze band
und überall nach Willkür schaltete. Seine Grausamkeit vermochte ihn einmal,
als es an zum Tode verurtheilten Verbrechern bei einer Thierhctze fehlte, aus
dem an den Schranken aufgestellten Volte Einige aufgreifen und den Thieren
vorwerfen zu lassen!" Die Hinrichtung der Koryphäen unter den Räubern und
Mordbrennern umgab man oft mit theatralischen Pomp, wenn man sie nicht
nackt und wehrlos an den Pfahl gebunden den wilden Bestien preisgab. Zu
Strabvs Zeit wurde ein finnischer Räuberhauptmann, der lange Zeit die Ge¬
gend um den Aetna gebrandschatzt hatte und sich selbst "Sohn des Aetna"
nannte, nach Rom geschafft und dort auf dem Forum in der Weise hingerichtet,
daß er zuerst auf einem hohen Gerüste in Form eines Bergs, das den Aetna
vorstellen sollte, sich präsentirte, dann aber, als die Bretter unter ihm durch
einen Maschinenzug auscinandcrsiclen, zu den unten lauernden wilden Thieren
hinabstürzte! Ausgezeichnete Diebe wurden zuweilen unter der Maske des Her¬
kules verbrannt oder unter der des Orpheus von Bären zerrissen, und als Do-
mitian einst einen Verbrecher den Tod des berüchtigten Räubers Läureolus
in der Arena sterben ließ, der zuerst gekreuzigt, und dann von Raubthieren
zerstückelt wurde, so tröstete sich Martial damit, daß der Unglückliche wohl noch
ein schwererer Uebelthäter gewesen, als sein auch als dramatischer Stoff die¬
nendes Vorbild, vielleicht seinem Vater oder Herrn die Gurgel durchschnitten
oder sich an heiligen Tempelschätzen vergriffen oder Brandstiftung versucht habe!
Einem ähnlichen Schicksal verfiel auch der größte Banditenhäuplling der Kaiser¬
zeit, Bullas. genannt Felix, fast in jeder Beziehung bereits das Urbild der
echten, Züge von Hochherzigkeit, Großmuth und Galanterie zur Schau tragen¬
den Fra Diavolos des modernen Italien. Seine Bande war gegen 60V Köpfe
stark und ihrem Führer blind ergeben. Während die römischen Legionen
gegen Parther, Gallier und Schotten siegreich fochten, während sich der Kaiser
Septimius Severus selbst in Italien aushielt und starke Truppenabtheilungen
Italien besetzt hielten, beherrschte Felix die ganze appische Straße. Er war
genau unterrichtet über alle, die von Rom abreisten oder in Brundusium lan¬
deten; er kannte ihre Namen, ihre Zahl, ihre Habe. Er plünderte die Rei¬
senden aber nie vollständig aus, sondern begnügte sich mit Procenten ihres
Vermögens. Künstler jedoch und Handwerker, deren Dienste er nöthig hatte,


hierzu verbrauchten Menschenleben riesig steigerte und kaum läßt sich annehmen,
daß bei allen zu diesem schrecklichen Tode verdammten Missethätern die Strafe
in gesetzlichem Verhältniß zur Schuld stand. Avr Claudius, nicht dem will¬
kürlichsten Kaiser, erwähnt es Sueton ausdrücklich, daß er, das gesetzliche
Strafmaß überschreitend, Leute, die nur größerer Eigenthumsvergehen überwiesen
waren, zum Kampfe mit den wilden Thieren verurtheilte und von Caligula
sagt Dio Cassius: „Allgemeinen Tadel zog er sich dadurch zu, daß er so viele
Bürger als Gladiatoren auftreten ließ und daß er. sich an keine Gesetze band
und überall nach Willkür schaltete. Seine Grausamkeit vermochte ihn einmal,
als es an zum Tode verurtheilten Verbrechern bei einer Thierhctze fehlte, aus
dem an den Schranken aufgestellten Volte Einige aufgreifen und den Thieren
vorwerfen zu lassen!" Die Hinrichtung der Koryphäen unter den Räubern und
Mordbrennern umgab man oft mit theatralischen Pomp, wenn man sie nicht
nackt und wehrlos an den Pfahl gebunden den wilden Bestien preisgab. Zu
Strabvs Zeit wurde ein finnischer Räuberhauptmann, der lange Zeit die Ge¬
gend um den Aetna gebrandschatzt hatte und sich selbst „Sohn des Aetna"
nannte, nach Rom geschafft und dort auf dem Forum in der Weise hingerichtet,
daß er zuerst auf einem hohen Gerüste in Form eines Bergs, das den Aetna
vorstellen sollte, sich präsentirte, dann aber, als die Bretter unter ihm durch
einen Maschinenzug auscinandcrsiclen, zu den unten lauernden wilden Thieren
hinabstürzte! Ausgezeichnete Diebe wurden zuweilen unter der Maske des Her¬
kules verbrannt oder unter der des Orpheus von Bären zerrissen, und als Do-
mitian einst einen Verbrecher den Tod des berüchtigten Räubers Läureolus
in der Arena sterben ließ, der zuerst gekreuzigt, und dann von Raubthieren
zerstückelt wurde, so tröstete sich Martial damit, daß der Unglückliche wohl noch
ein schwererer Uebelthäter gewesen, als sein auch als dramatischer Stoff die¬
nendes Vorbild, vielleicht seinem Vater oder Herrn die Gurgel durchschnitten
oder sich an heiligen Tempelschätzen vergriffen oder Brandstiftung versucht habe!
Einem ähnlichen Schicksal verfiel auch der größte Banditenhäuplling der Kaiser¬
zeit, Bullas. genannt Felix, fast in jeder Beziehung bereits das Urbild der
echten, Züge von Hochherzigkeit, Großmuth und Galanterie zur Schau tragen¬
den Fra Diavolos des modernen Italien. Seine Bande war gegen 60V Köpfe
stark und ihrem Führer blind ergeben. Während die römischen Legionen
gegen Parther, Gallier und Schotten siegreich fochten, während sich der Kaiser
Septimius Severus selbst in Italien aushielt und starke Truppenabtheilungen
Italien besetzt hielten, beherrschte Felix die ganze appische Straße. Er war
genau unterrichtet über alle, die von Rom abreisten oder in Brundusium lan¬
deten; er kannte ihre Namen, ihre Zahl, ihre Habe. Er plünderte die Rei¬
senden aber nie vollständig aus, sondern begnügte sich mit Procenten ihres
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/122>, abgerufen am 23.07.2024.