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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Räuber, wie gut sie des Handwerks kundig waren. Ein cilicischer Sklave, eben¬
falls Kleon genannt, i" seiner Jugend ein dreister Räuber, spielte eine Haupt¬
rolle im ersten sicilischen Sklavenkrieg; im zweiten stand Athenion an der Spitze
der Insurgenten, el" vorher in seiner Heimath Cilicien gefürchteter Banditen¬
chef und wieder ein Cilicier, Agamemnon, leistete den Piccntinern im Bundes-
genvssenlrieg gute Dienste, "da er", wie Diodor sagt, "im Räuberwesen viel
Erfahrung hatte". Die Sklaveninsurrection auf Sicilien wurde freilich durch
die dort längst von den Sklaven der reichen Plantagenbesitzer betriebene Räuber-
Wirthschaft sehr gefördert und begünstigt. Jene reichen Herren, deren Sklaven¬
zwinger von impvrtirter Menschenwaare wimmelte", Ware" ebenso luxuriös und
sittenlos als hartherzig gegen ihre Leute. Besonders den zahlreichen Hirten
ihrer ungeheuren Biehheerdcn verweigerten sie Nahrung und Kleider und wiesen
sie gradezu an, vom Raube zu leben. Diodor, selbst ein Sicilianer, schreibt
hierüber^ "Die Besitzer vieler Sklaven gewohnten ihre Hirten, denen sie keine
Nahrung reichten, an so freches Betragen, das; sie ihnen erlaubten, Räuberei
zu treiben. Da nun diesen Leuten, welche wegen ihrer ttörpcrstärke im Stande
waren, alles, was sie beschlossen hatten, durchzusetzen, so viel Freiheit gestattet
wurde, so geschal, es. daß bald die Gesetzlosigkeit überHand nahm. Denn zu¬
erst ermordeten sie auf den bevölkertsten Straßen diejenigen, welche einzeln oder
zu zweien reiste"; dann rotteten sie sich gegen die Landhäuser der minder
Mächtigen bei Nacht in Massen zusammen und besetzten diese mit Gewalt,
Plünderte" die Habe und erschlugen, wer sich ihnen widersetzte. Da nun die
Frechheit immer höher stieg, so konnte man in Sicilien weder bei Nacht reisen,
noch war der Aufenthalt derer, die auf dem Lande zu leben gewohnt waren,
sicher, sondern alles war voll Gewalt. Räuberei und Mordthaten aller Art."
Dasselbe geschah während des zweiten Aufstandes und das Schlimmste dabei
war noch, daß der Pöbel und das Proletariat mit den empörten Sklaven ge¬
meinschaftliche Sache machte, so daß kaum noch das innerhalb der Stadt befind¬
liche Eigenthum für gesichert betrachtet werden konnte.

Unter den westlichen Provinzen standen besonders Spanien und Sardinien
nicht im besten Rufe der Sicherheit, ja Varro erwähnt in seiner Schrift
über den Landbau, daß viele treffliche Gegenden dort nicht ordentlich bebaut
werden könnten wegen der Räubereien der Nachbarn. Der Kaiser Tiberius
schickte in, Jahre 19 viertausend junge Leute aus dem Stande der Freige¬
lassenen, welche Proselyten der jüdischen "ut ägyptischen Religion geworden
Waren, nach Sardinien, um die Räuber zu bekämpfe"; ,.we"n sie durch die
Urgesundheit des Klimas umkamen, sei es ein geringer Verlust." Noch schlimmer
spricht Strabo von den wilden Bewohner" des felsigen Korsika. In Italien
selbst waren es ebenfalls die Gebirgsbewohner der Apenninen, hauptsächlich
im Süden. die bei politischen Umwälzungen und kriegerischen Unruhen gar zu


Räuber, wie gut sie des Handwerks kundig waren. Ein cilicischer Sklave, eben¬
falls Kleon genannt, i» seiner Jugend ein dreister Räuber, spielte eine Haupt¬
rolle im ersten sicilischen Sklavenkrieg; im zweiten stand Athenion an der Spitze
der Insurgenten, el» vorher in seiner Heimath Cilicien gefürchteter Banditen¬
chef und wieder ein Cilicier, Agamemnon, leistete den Piccntinern im Bundes-
genvssenlrieg gute Dienste, „da er", wie Diodor sagt, „im Räuberwesen viel
Erfahrung hatte". Die Sklaveninsurrection auf Sicilien wurde freilich durch
die dort längst von den Sklaven der reichen Plantagenbesitzer betriebene Räuber-
Wirthschaft sehr gefördert und begünstigt. Jene reichen Herren, deren Sklaven¬
zwinger von impvrtirter Menschenwaare wimmelte», Ware» ebenso luxuriös und
sittenlos als hartherzig gegen ihre Leute. Besonders den zahlreichen Hirten
ihrer ungeheuren Biehheerdcn verweigerten sie Nahrung und Kleider und wiesen
sie gradezu an, vom Raube zu leben. Diodor, selbst ein Sicilianer, schreibt
hierüber^ „Die Besitzer vieler Sklaven gewohnten ihre Hirten, denen sie keine
Nahrung reichten, an so freches Betragen, das; sie ihnen erlaubten, Räuberei
zu treiben. Da nun diesen Leuten, welche wegen ihrer ttörpcrstärke im Stande
waren, alles, was sie beschlossen hatten, durchzusetzen, so viel Freiheit gestattet
wurde, so geschal, es. daß bald die Gesetzlosigkeit überHand nahm. Denn zu¬
erst ermordeten sie auf den bevölkertsten Straßen diejenigen, welche einzeln oder
zu zweien reiste»; dann rotteten sie sich gegen die Landhäuser der minder
Mächtigen bei Nacht in Massen zusammen und besetzten diese mit Gewalt,
Plünderte» die Habe und erschlugen, wer sich ihnen widersetzte. Da nun die
Frechheit immer höher stieg, so konnte man in Sicilien weder bei Nacht reisen,
noch war der Aufenthalt derer, die auf dem Lande zu leben gewohnt waren,
sicher, sondern alles war voll Gewalt. Räuberei und Mordthaten aller Art."
Dasselbe geschah während des zweiten Aufstandes und das Schlimmste dabei
war noch, daß der Pöbel und das Proletariat mit den empörten Sklaven ge¬
meinschaftliche Sache machte, so daß kaum noch das innerhalb der Stadt befind¬
liche Eigenthum für gesichert betrachtet werden konnte.

Unter den westlichen Provinzen standen besonders Spanien und Sardinien
nicht im besten Rufe der Sicherheit, ja Varro erwähnt in seiner Schrift
über den Landbau, daß viele treffliche Gegenden dort nicht ordentlich bebaut
werden könnten wegen der Räubereien der Nachbarn. Der Kaiser Tiberius
schickte in, Jahre 19 viertausend junge Leute aus dem Stande der Freige¬
lassenen, welche Proselyten der jüdischen »ut ägyptischen Religion geworden
Waren, nach Sardinien, um die Räuber zu bekämpfe»; ,.we»n sie durch die
Urgesundheit des Klimas umkamen, sei es ein geringer Verlust." Noch schlimmer
spricht Strabo von den wilden Bewohner» des felsigen Korsika. In Italien
selbst waren es ebenfalls die Gebirgsbewohner der Apenninen, hauptsächlich
im Süden. die bei politischen Umwälzungen und kriegerischen Unruhen gar zu


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[0119] Räuber, wie gut sie des Handwerks kundig waren. Ein cilicischer Sklave, eben¬ falls Kleon genannt, i» seiner Jugend ein dreister Räuber, spielte eine Haupt¬ rolle im ersten sicilischen Sklavenkrieg; im zweiten stand Athenion an der Spitze der Insurgenten, el» vorher in seiner Heimath Cilicien gefürchteter Banditen¬ chef und wieder ein Cilicier, Agamemnon, leistete den Piccntinern im Bundes- genvssenlrieg gute Dienste, „da er", wie Diodor sagt, „im Räuberwesen viel Erfahrung hatte". Die Sklaveninsurrection auf Sicilien wurde freilich durch die dort längst von den Sklaven der reichen Plantagenbesitzer betriebene Räuber- Wirthschaft sehr gefördert und begünstigt. Jene reichen Herren, deren Sklaven¬ zwinger von impvrtirter Menschenwaare wimmelte», Ware» ebenso luxuriös und sittenlos als hartherzig gegen ihre Leute. Besonders den zahlreichen Hirten ihrer ungeheuren Biehheerdcn verweigerten sie Nahrung und Kleider und wiesen sie gradezu an, vom Raube zu leben. Diodor, selbst ein Sicilianer, schreibt hierüber^ „Die Besitzer vieler Sklaven gewohnten ihre Hirten, denen sie keine Nahrung reichten, an so freches Betragen, das; sie ihnen erlaubten, Räuberei zu treiben. Da nun diesen Leuten, welche wegen ihrer ttörpcrstärke im Stande waren, alles, was sie beschlossen hatten, durchzusetzen, so viel Freiheit gestattet wurde, so geschal, es. daß bald die Gesetzlosigkeit überHand nahm. Denn zu¬ erst ermordeten sie auf den bevölkertsten Straßen diejenigen, welche einzeln oder zu zweien reiste»; dann rotteten sie sich gegen die Landhäuser der minder Mächtigen bei Nacht in Massen zusammen und besetzten diese mit Gewalt, Plünderte» die Habe und erschlugen, wer sich ihnen widersetzte. Da nun die Frechheit immer höher stieg, so konnte man in Sicilien weder bei Nacht reisen, noch war der Aufenthalt derer, die auf dem Lande zu leben gewohnt waren, sicher, sondern alles war voll Gewalt. Räuberei und Mordthaten aller Art." Dasselbe geschah während des zweiten Aufstandes und das Schlimmste dabei war noch, daß der Pöbel und das Proletariat mit den empörten Sklaven ge¬ meinschaftliche Sache machte, so daß kaum noch das innerhalb der Stadt befind¬ liche Eigenthum für gesichert betrachtet werden konnte. Unter den westlichen Provinzen standen besonders Spanien und Sardinien nicht im besten Rufe der Sicherheit, ja Varro erwähnt in seiner Schrift über den Landbau, daß viele treffliche Gegenden dort nicht ordentlich bebaut werden könnten wegen der Räubereien der Nachbarn. Der Kaiser Tiberius schickte in, Jahre 19 viertausend junge Leute aus dem Stande der Freige¬ lassenen, welche Proselyten der jüdischen »ut ägyptischen Religion geworden Waren, nach Sardinien, um die Räuber zu bekämpfe»; ,.we»n sie durch die Urgesundheit des Klimas umkamen, sei es ein geringer Verlust." Noch schlimmer spricht Strabo von den wilden Bewohner» des felsigen Korsika. In Italien selbst waren es ebenfalls die Gebirgsbewohner der Apenninen, hauptsächlich im Süden. die bei politischen Umwälzungen und kriegerischen Unruhen gar zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/119>, abgerufen am 23.07.2024.